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20.12.2019 Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz/Regelungen in §§ 39 Abs.1 Nr. 5, 135 InsO
Information

I. Gesellschafter unterstützen ihre GmbH oft mit Darlehen zur Stärkung der Gesellschaft.
Solange es der Gesellschaft gut geht, ist das Darlehn nicht weiter beachtenswert.

Was passiert aber im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft mit Rückzahlungen an der Gesellschafter innerhalb eines bestimmten Zeitraums?

Oder jemand verkauft eine gesunde Gesellschaft, der er ein Darlehen gegeben hat und der Käufer muss wegen neuen Managementfehlern die Insolvenz anmelden.

Was passiert mit dem Darlehn?

Früher war dies geregelt im sogenannten Eigenkapitalersatzrecht. Im Rahmen der GmbH-Reform des Jahres 2008 ( MoMiG) wurde das verästelte und überaus komplizierte Eigenkapitalersatzrecht beseitigt, das Recht der Gesellschafterdarlehn sowie wirtschaftlich entsprechder Finanzierungshilfen neu geordnet und in das Insolvenzanfechtungsrecht verlagert. Der Gesetzgeber hat in §§ 39 Abs.1 Nr. 5, 135 InsO als zentrale Vorschriften des neuen Rechts die Anfechtung der Rückgewähr von Gesellschafterhilfen angeordnet und regelt klar:

Darlehen, die innerhalb des Jahreszeitraums zurückbezahlt wurden, sind anfechtbar und müssen zurückbezahlt werden.

In der Praxis kommen unterschiedliche Tatbestände vor: die Befriedigung eines Gesellschafterdarlehns, die Gewährung einer Sicherheit für eine Gesellschafterdarlehn wie auch die Befreiung des Gesellschafters von einer für ein Drittdarlehn gewährte Sicherung.

In einigen Fällen ist die alte Rechtsprechung des BGH zum Eigenkapitalersatzrecht anwendbar und vielen jedoch nicht.

Daher muss man die Rechtsprechung des BGH kennen, wenn man einer Gesellschaft Darlehn oder einem Darlehn wirtschaftlich gleichstehen zuführt, was man irgendwann einmal wieder haben möchte, ohne es vielleicht einem Insolvenzverwalter zurückbezahlen zu müssen.

II. Gesetzliche Regelung: § 135 InsO

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 oder für eine gleichgestellte Forderung

  1. Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, oder
  2. Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.

(2) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen.

(3) Wurde dem Schuldner von einem Gesellschafter ein Gegenstand zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen, so kann der Aussonderungsanspruch während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für eine Zeit von einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht geltend gemacht werden, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist. Für den Gebrauch oder die Ausübung des Gegenstandes gebührt dem Gesellschafter ein Ausgleich; bei der Berechnung ist der Durchschnitt der im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung geleisteten Vergütung in Ansatz zu bringen, bei kürzerer Dauer der Überlassung ist der Durchschnitt während dieses Zeitraums maßgebend.

(4) § 39 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.

Vorschrift neugefaßt durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)

III. Voraussetzungen
1. Gewährung eines Darlehns durch den Gesellschafter.
Neben einem Darlehn außerdem einem Darlehn gleichgestellte Forderung
2. Darlehnsgeber ist Gesellschafter und gleichgestellte Dritter(Treuhandverhältnis, Abtretung, Gesellschafter-Gesellschafter)
3. Ausnahmen vom Nachranggrundsatz
3.1. Sanierungsprivileg (Erwerb der Beteiligung ab drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
3.2. Kleinbeteiligtenprivileg (Beteiligung bis 10 Prozent)
4. Befriedigung durch Gesellschaft (Rückzahlung an Gesellschafter)
5. Anfechtungsfrist ein Jahr

IV. Erläuterungen
Voraussetzungen:
1. Rechtshandlung
Als Rechtshandlung der Gesellschaft wird eine Darlehensrückführung vorausgesetzt, durch die eine Sicherheit des Gesellschafters frei wird.
Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen.
Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das eine rechtliche Wirkung auslöst (BGH).
Die Rückführung eines Kontokorrentkredits beruht stets auch auf einer Rechtshandlung des Schuldners, weil etwaige Zahlungen nur nach Maßgabe der zwischen ihm und seinem Kreditinstitut getroffenen Kontokorrentabrede Tilgungswirkung entfalten.
Mit Rücksicht auf die Kontokorrentabrede liegt selbst einer von dem Gesellschafter aus Eigenmitteln bewirkten Darlehensrückzahlung eine Rechtshandlung der GmbH als Schuldnerin zugrunde (BGH).
Nicht anders verhält es sich, wenn die Darlehensrückführung  auch durch Kontoverfügungen des vorläufigen Verwalters veranlasst wurde, gleich ob er nur mitbestimmend tätig oder mit voller Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausgestattetet ist.

aa) Rechtshandlungen des späteren Insolvenzschuldners, denen der vorläufige Insolvenzverwalter zugestimmt hat, oder des vorläufigen Insolvenzverwalters, der namens und in Vollmacht des späteren Insolvenzschuldners gehandelt hat, können jedenfalls dann, wenn kein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet war

bb) Keinen aus Erwägungen des Vertrauensschutzes hergeleiteten Bedenken unterliegt dagegen die Anfechtbarkeit, wenn der mit einer allgemeinen Verfügungsbefugnis oder einer Einzelermächtigung versehene vorläufige Verwalter Altverbindlichkeiten der künftigen Masse erfüllt oder besichert, die nach Verfahrenseröffnung als Insolvenzforderungen zu bewerten wären.

2. Gegenstand der Anfechtung nach Abs. 2 ist die Befreiung des Gesellschafters von der von ihm für ein Drittdarlehen übernommenen Sicherung (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - Rn. 7).
Infolge der Darlehensbegleichung durch die Schuldnerin wurde die Beklagte als Sicherungsgeberin sowohl von der Bürgschaftsverpflichtung (765 BGB) als auch der Grundschuldbelastung (1191 BGB) befreit (135 Abs. 2 InsO).

Die von dem Ehemann zugunsten der S. erteilte umfassende Bürgschaft war wirksam, weil er - wie auch die Beklagte als seine Rechtsnachfolgerin im Amt des Geschäftsführers - Art und Höhe der Verbindlichkeiten seiner Gesellschaft beeinflussen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - NJW 2000, 1181 f).

Die von der Beklagten übernommene Grundschuld unterliegt ebenfalls keinen Gültigkeitsbedenken. Neben der in 135 Abs. 2 InsO ausdrücklich erwähnten Bürgschaft werden vom Wortlaut der Vorschrift alle Sicherheiten im weitesten Sinne (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1988 - NJW 1989, 1734), mithin auch eine Grundschuld als Sachsicherheit, erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1995 - wo ebenfalls Bürgschaft und Grundschuld erbracht wurden).
Die Grundschuld hat nicht deshalb als Gesellschaftersicherheit unberücksichtigt zu bleiben, weil sie von der Beklagten bestellt wurde, bevor sie in die Gesellschafterstellung eingerückt ist.

Die Anfechtung von Gesellschafterhilfen setzt lediglich voraus, dass ein Gesellschafter innerhalb der jeweiligen Anfechtungsfristen eine Sicherung oder eine Befriedigung (135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) für ein Darlehen oder - wie hier - eine Befreiung von einer für ein Gesellschaftsdarlehen übernommenen Sicherung (135 Abs. 2 InsO) erlangt hat.
Da es im Unterschied zum Eigenkapitalersatzrecht nicht mehr auf eine innerhalb der Anfechtungsfrist getroffene Finanzierungsentscheidung ankommt, unterliegt nach einhelliger Auffassung auch ein Darlehens- oder Sicherungsgeber als Gesellschafter nach Maßgabe des § 135 InsO der Anfechtung, wenn er seine Beteiligung erst nach Gewährung der Finanzierungshilfe erworben hat (Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3603; Gehrlein, BB 2008, 846, 850; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 326; HmbKomm-InsO/Lüdtke, aaO § 39 Rn. 33; HmbKomm-InsO/Schröder, aaO § 135 Rn. 14; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 39 Rn. 45; Pape/Uhländer/Schluck-Amend, InsO, § 135 Rn. 13; Graf-Schlicker/Neußner, InsO, 3. Aufl., § 39 Rn. 24; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 39 Rn. 64.

Die Darlehenstilgung durch die Schuldnerin hat bewirkt, dass die Beklagte von beiden Sicherungen frei geworden ist. Die Erfüllung der gesicherten Hauptforderung führt nach Maßgabe des Akzessorietätsgrundsatzes (§ 767 Abs. 1 Satz 1 BGB) zum Erlöschen der Bürgschaft (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1975 - VIII ZR 80/74, WM 1975, 1235, 1236) und begründet außerdem einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld (BGH, Urteil vom 9. Februar 1989 .

3. Gläubigerbenachteiligung
§ 135 InsO setzt - wie die anderen Insolvenzanfechtungstatbestände eine Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs.1 InsO voraus (BGH ZInsO 2017, 1844 Tz. 10).Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners erschwert oder verzögert hat, mithin, wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtung günstiger gestaltet hätten, BGH a.a. O. 

4. RechtsfolgeInfolge der Anfechtung ist die gewährte Sicherung bzw die gewährte Befriedigung nach Maßgabe des § 143 Abs. 1 InsO an die Insolvenzmasse zurückzugewähren- grundsätzlich richtet sich der Rückgewähranspruch auf Rückgewähr in Natur und nicht auf Wertersatz, Schröder in Hamburger Kommentar InsO § 135 Rdnr. 45.

Beispiel aus einem Urteil: Als Rechtsfolge hat der von seiner Sicherung entbundene Gesellschafter gemäß § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO die von der Gesellschaft dem Darlehensgeber gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. 

a) Der Höchstbetrag des von der Schuldnerin im letzten Jahr vor der Insolvenzeröffnung in Anspruch genommenen Kontokorrentkredits bildet den Ausgangspunkt für die Berechnung des gegen die Beklagte gerichteten Erstattungsanspruchs. Soweit dieser Betrag aus Mitteln der Schuldnerin zurückgezahlt wurde, greift der Anfechtungsanspruch aus § 143 Abs. 3 Satz 1, § 135 Abs. 2 InsO gegen die Beklagte als Sicherungsgeberin durch.

b) Zwar hat das Oberlandesgericht den höchsten Debetsaldo des Kontokorrentkontos der Schuldnerin abweichend von dem Landgericht anstelle von 772. 758, 28 € lediglich mit 764. 140, 31 € veranschlagt, weil der Kontostand vom 2. Januar 2009 später durch Berichtigung reduziert worden war. Gleichwohl hat es festgestellt, dass sich der Debetsaldo am 30. Juni 2009 jedenfalls auf 127. 557, 37 € belaufen hat. Da dieser Debetsaldo nachfolgend von der Schuldnerin ausgeglichen wurde, ist die Klageforderung in Höhe von 122. 928, 82 € auch auf der Grundlage der Berechnung des Berufungsgerichts begründet.

Für eine Haftungsbeschränkung nach § 143 Abs. 3 Satz 2 InsO ist kein Raum, weil die Beklagte zum einen aus einer unbegrenzten Bürgschaft einzustehen hat und zum anderen der Wert der außerdem gewährten Realsicherheit die gesicherte Forderung übersteigt.

5. Entlastung
Schließlich entlastet es die Beklagte nicht, wenn infolge der Rückführung des Darlehens gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch ein Anfechtungsanspruch gegen die S. bestehen sollte.
Der Kläger hat die Wahl, welchen von mehreren Leistungsempfängern er in Anspruch nimmt (BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - Rn. 33).



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Verfasser: Hermann Kulzer Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Insolvenzrecht
 
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