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12.08.2021 Faktischer Geschäftsführer: Voraussetzungen, Rechtsprechung, Strafbarkeit ua.
Information

 

I. Faktischer Geschäftsführer: was ist das?

Ein faktischer Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft mit Einverständnis der Gesellschafter ohne jedoch förmlich bestellt worden zu sein. Er übernimmt "faktisch" die Leitung  und übt diese tatsächlich aus.

Er hat gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung oder zumindest das deutliche Übergewicht, BGH, 3 StR 287/82, 3 StR 101(00, 5 StR 407/12. 

II. Überragende Stellung des "Leiters"

Eine überragende Stellung und ein Übergewicht liegen nach der Rechtsprechung vor, wenn die Tätigkeit sechs der acht klassischen Merkmale im Kernbereich der Geschäftsführung umfasst und dem bestellten Geschäftsführer im Vergleich insoweit nur noch untergeordnete Tätigkeitsbereiche verbleiben. 

Der 
BGH, Urteil vom 10. 5. 2000 – 3 StR 101/00; LG Hildesheim (lexetius.com/2000,691) führt zur überragenden Stellung aus: 

"Weitere Voraussetzung für einen faktischen Geschäftsführer ist, daß er gegenüber dem formellen Geschäftsführer die überragende Stellung in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung einnimmt oder zumindest das deutliche Übergewicht hat (BGHSt 3, 32, 37; 31, 118, 122)."

 

III. Wann ist man faktischer Geschäftsführer / Sechs von acht Regel

Das frühere Bayerische Oberste Landesgericht hatte einen Katalog entwickelt zur Prüfung des Vorliegens einer faktischen Geschäftsführung, BayObLG, Urteil vom 20. Februar 1997 - 5 St RR 159/96, NJW 1997, 1936.

 Dieser Katalog wurde auch vom 
BGH übernommen. 

Es ist die sogenannte “Sechs-von-acht-Regel". 
Danach muss eine faktische Geschäftsführung in sechs der nachfolgend genannten acht Geschäftsfelder eines Unternehmens umfassen: 

1. Bestimmung der Unternehmenspolitik
2. Unternehmensorganisation
3. Einstellung von Mitarbeitern
4. Gestaltung der Geschäftsbeziehung zu Vertragspartnern
5. Verhandlung mit Kreditgebern
6. Höchste Gehaltsstufe in der GmbH
7. Entscheidung von Steuerangelegenheiten 
8. Kontrolle der Buchhaltung. 

Aber auch bei der Verwirklichung von weniger als sechs der vorgenannten Merkmale kann im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ein Übergewicht angenommen werden, wenn die zu beurteilende Tätigkeit für die Gesellschaft überragend ist und die Unternehmensentwicklung hierdurch über einen längeren Zeitraum entscheidend geprägt wird, vgl. Landgericht Augsburg, 2 Qs 1002/14.

 

IV. Auszug aus zwei Entscheidungen

1. Entscheidung des 
BGH, Urteil vom 10. 5. 2000 – 3 StR 101/00; Randnummer 18. 4.  LG Hildesheim (lexetius.com/2000,691)

"Der Angeklagte war faktischer Geschäftsführer, da bei ihm die dargestellten Voraussetzungen vorliegen. Nach den Feststellungen bestimmte er sowohl nach innen als auch nach außen allein die Unternehmens-leitung und traf alle wesentlichen wirtschaftlichen und kaufmännischen Entscheidungen. Innerhalb der P GmbH kam ihm die überragende Stellung zu.
Er beherrschte den formellen Geschäftsführer, der lediglich als "Strohmann" fungierte und eigenverantwortlich keine unternehmerische Entscheidung von Bedeutung treffen konnte, in vollem Umfang. Nach außen handelte der Angeklagte auf Grund einer ihm vom formellen Geschäftsführer erteilten Generalvollmacht."

2. 
OLG München, Endurteil v. 23.01.2019 – 7 U 2822/17

"Eine faktische Geschäftsführung kann angenommen werden, wenn der im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer tatsächlich keiner Geschäftsführertätigkeit nachkommt, sich aus den Buchführungsunterlagen keine wie auch immer geartete geschäftliche Tätigkeit des eingetragenen Geschäftsführers ergibt, stets nur der "faktische Geschäftsführer" in Erscheinung tritt und der nominelle Geschäftsführer die Geschäftsführung dem "faktischen Geschäftsführer" überlässt und sich nicht weiter darum kümmert. (Rn. 29)."

V. Abgrenzungsprobleme

1.  Existiert ein eingetragener Geschäftsführer, ist grundsätzlich dieser für die  Belange der GmbH allein verantwortlich. 

2. Die Qualifikation des Geschäftsführes für  dieses Amt wird vorausgesetzt. 

3. Das Vorhandensein eines eingetragenen Geschäftsführers ist ein Indiz dafür, dass dieser die Geschäftsführung auch tatsächlich und faktisch innehat. 

4. Wenn - trotz des Vorliegens eines eingetragenen Geschäftsführers- ein anderer die Geschäftsführung übernommen haben soll, fordert der BGH, dass der faktische Geschäftsführer den eingetragenen Geschäftsführer 
a) im Außenbereich, also gegenüber Geschäftspartnern, verdrängt.
b) im Innenbereich den eingetragenen Geschäftsführers zum " Befehlsempfänger"  degradiert
c) während der “faktische Geschäftführer” im Außenbereich wie ein Geschäftsführer auftritt
d) ein gleichberechtigtes Auftreten nebeneinander nach außen genügt 
nicht
e)Die nur punktuelle Führung der GmbH durch eine faktische Geschäftsführung reicht nicht aus.

Fazit: Einen faktischen  Geschäftsführer wird es neben dem eingetragenen Geschäftsführer nur unter ganz besonderen Umständen in absoluten Ausnahmefällen geben.

VI. Änderungen durch Neufassung des § 15 a InsO?

 

Durch die Neufassung des § 15a InsO hat die (strafrechtliche) Haftung des faktischen Geschäftsführers bei Insolvenzverschleppung keine Änderung erfahren. Dies ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs inzident bejaht worden (Beschluss vom 21. August 2013 - 1 StR 665/12NJW 2014, 164; Beschluss vom 26. Mai 2009 - 4 StR 10/09).

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA, Fachanwalt für Insolvenz und Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsstrafverteidiger
 
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