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02.11.2021 Future Business KG aA/ Infinus/ BGH bestätigt Strafurteile gegen Manager. Aber: Wann ist ein Geschäftsmodell tragfähig? Künftig kann bei jedem Scheitern einer Geldanlage eine Täuschung über das Geschäftsmodell behauptet werden.
Information

 

I. Das Wesentliche vorab

  1. Mit Urteil des Bundesgerichtshofs (5 StR 443/19) vom 29. Oktober 2021 wurden die Revisionen der Manager der Infinus-Unternehmensgruppe weitgehend verworfen.

  2. Nach mehr als zweieinhalb Jahren und 167 Verhandlungstagen hatte das Landgericht Dresden  mit Urteil vom 9. Juli 2018 – 5 KLs 100 Js 7387/12- fünf der Angeklagten wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges in Tateinheit mit Kapitalanlagebetrug und einen Angeklagten wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen zwischen vier Jahren sechs Monaten und acht Jahren verurteilt. 

  3. Zudem hatte es die Einziehung von Taterträgen in Höhe von insgesamt mehr als 51 Millionen Euro angeordnet.

  4. Ob die Angeklagten jetzt noch Verfassungsbeschwerde erheben, ist unklar.
    Das Bundesverfassungsgericht ist für Verfassungsbeschwerden gemäß Art 93 Abs.1 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff BVerfGG zuständig. 

    Zur Prüfung einer Verfassungsbeschwerde muss erst die schriftliche Begründung des Urteils des BGH vorliegen.
    Denkbar ist eine Verfassungsbeschwerde z.B. wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und Verstoß gegen die Gesetzlichkeit der Bestrafung nach Art. 103 Abs. 2 GG ("eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde").

  5. Eine Täuschung über ein "Geschäftsmodell" .-wie jetzt entschieden- kann meines Erachtens künftig bei zwei von fünf Insolvenzverfahren mit Investoren, die Geld gegeben haben, zum Vorwurf führen, über ein/das "Geschäftsmodell" getäuscht zu haben. Jede Insolvenz kann dann für Manager zum erhöhten Strafrechtsrisiko für Manager werden.
    Wer berurteilt, wann ein Geschäftsmodell rentabel ist und wann nicht?
    Bezogen auf die gesamte Unternehmengruppe vertrat die Finanzbehörde die Meinung, dass das Geschäftsmodell der FuBus und der gesamten Infinus Gruppe kein sogenanntes Schneeballsysem sei, sondern aus fiskalischer Hinsicht ein tragfähiges Geschäftsmodell. 
    Der Konzern hatte viele Immobilien, viele Versicherungskunden, Lebensversicherungs-bestände in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro und viele Vermögenswerte mehr. 
    Es gab nicht wie bei Wirecard fingierte Konten.

    Tatsächlich hatte der Konzern über Jahre große Gewinne ausgewiesen und erhebliche Steuern bezahlt. Bis zur Beschlagnahme aller Vermögenswerte im Rahmen einer Beschlagnahme durch die Staatsanwaltsschaft wurden alle Forderungen von Anlegern bedient- über Jahre immer bei Fälligkeit.
     
    Was war denn hier die Vorstellung vieler Anleger?
    Sie wollten eine bessere Rendite haben, als auf einer Bank. Was in dem Anlegerprospekt stand und wie sie die Rendite erwirtschaftet, war für die Anleger meist nicht von Interesse. 10 Jahre hatte dies im Fall Infinus gut funktioniert und alle Anleger hatte bei Fälligkeit Ihr Geld erhalten. Dies endet erst mit der anonymen Strafanzeige gegen das Unternehmen und den Beschlagnahmen durch die Staatsanwaltschaft.

    Wenn sich  ein Geschäftsmodell ändert, weil sich der Markt ändert, kann dies "eigentlich"
    keine Täuschung über ein Geschäftsmodell sein.

    Auch "Eigengeschäfte" innerhalb eines Konzern waren bisher nicht verboten.
    Die Bafin hatte im maßgeblichen Zeitfenster gar keine (richtige) Aufsicht geübt- was sie beispielsweise im Jahr 2021 jetzt wesentlich intensiver durchführt-  auf Grund neuer gesetzlicher Bestimmungen.
    Manager müssten vorher wissen, innerhalb welcher Handlungsspielräume sie sich bewegen können und müssen. Was strafbar ist und was nicht, muss vorher feststehen.

    Ob daher die Auslegung des Betrugstatbestandes in diesem und ähnlichen Fällen nicht zu weit (führt) geht, müsste gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht prüfen, vgl. Stichpunkt "Gesetzlichkeitprinzip" unter Insolvenzrecht A-Z.

    II. Was hatte das Landgericht erstinstanzlich entschieden?

    1. Erfolgreiches Geschäftsmodell?
    Nach den Urteilsfeststellungen spiegelten die Angeklagten über ein Netz von Vermittlern mehreren tausend gutgläubigen Anlegern eine lukrative Geldanlage auf der Grundlage einer prosperierenden Unternehmung vor. Nach außen erzeugten sie den Anschein eines erfolgreichen Dresdener Wirtschaftsunternehmens, das sich mit dem Ankauf von Lebensversicherungen befasste. 

    2. Gewinn durch bilanzielle Effekte?
    Die vorgeblichen Gewinne seien aber lediglich das Ergebnis bilanzieller Effekte, die durch Innen-geschäfte der verbundenen Unternehmen erzeugt wurden und letztlich nur auf dem Papier standen; tatsächlich machte die Unternehmung Verluste. 

    3. Betreiben eines Schneeballsystems?
    Um gleichwohl den Eindruck eines gewinnträchtigen Anlagemodells zu erwecken und aufrechtzuerhalten, seien die Angeklagten auf einen stetig wachsenden Anlegerkreis angewiesen. Sie sollen daher ein "Schneeballsystem", betrieben haben, bei dem die Gelder neu angeworbener Anleger verwendet werden, um die Zins- und Rückzahlungs-ansprüche anderer Anleger zu befriedigen. 

    4. Irrtum der Anleger?
    Irrtumsbedingt sollen die geschädigten Anleger im Tatzeitraum ab dem Jahr 2011 rund 540 Millionen Euro investiert haben.

    5. Schaden der Anleger?
    Abzüglich der bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs im November 2013 geleisteten Rückzahlungen verloren die Anleger gut 290 Millionen Euro.

    III. Revisionen und Entscheidung

    1. Rügen der Angeklagten
    Mit ihren gegen das Urteil des Landgerichts Dresden gerichteten Revisionen hatten die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts gerügt und umfangreiche Verfahrensbeanstan-dungen erhoben. 

    2. Kein wesentlicher Erfolg der Revisionen
    Über die Rechtsmittel hat der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 11. Oktober 2021 verhandelt und mit Urteil vom 29.10.2021 entschieden.  Danach blieben die Revisionen der Angeklagten weitgehend erfolglos.

    3. Kein Kapitalanlagebetrug aber Betrug
    Der Bundesgerichtshof hat lediglich die tateinheitlichen Verurteilungen wegen Kapital-anlagebetruges und Beihilfe hierzu sowie in geringem Umfang die Einziehungsent-scheidungen aufgehoben. Zudem hat er betreffend einen Angeklagten den Strafausspruch aufgehoben, weil das Landgericht eine Strafmilderung nach der sogenannten Kronzeugenregelung (§ 46b StGB) nicht erörtert hatte.

    4. Rechtskraft
    Die Verurteilung der Angeklagten wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges und Beihilfe hierzu ist damit rechtskräftig. 

    5. Freiheitsstrafen bestätigt
    Das Gleiche gilt für die gegen fünf der Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen. 

    6. Einziehungen
    In Höhe von insgesamt mehr als 50 Millionen Euro ist auch die Anordnung der Einziehung von Taterträgen rechtskräftig. 

    7. Zurückweisung im geringen Umfang
    Im geringen Umfang der Aufhebung hat der Bundesgerichtshof die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Dresden zurückverwiesen.

IV. Maßgebliche Vorschriften

1. Betrug 
§ 263 StGB (Gesetzestext- auszugsweise): 
 

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(…)

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten....

2. Kapitalanlagebetrug, 
§ 264a StGB:

(1) Wer im Zusammenhang mit

1. dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder

2. dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen,

in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.....

3. Beihilfe, § 27 StGB :

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

4. Einziehung von Taterträgen, § 73 StGB :

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an....

V. Aus den damaligen Urteilsgründen des LG DD 

In der Begründung des Urteils führte der Vorsitzender Richter Hans Schlüter Staats aus:

"Infinus war eine nach außen brillierende, nach innen aber brüchige und wohl nicht dauerhafte Erfolgsgeschichte. Tatsächlich gab es überhaupt kein echtes Geschäft zum Zweck der Renditegewinnung. Bei Infinus hat es sich um ein wirtschaftlich eng verwobenes, von außen kaum durchschaubares Geflecht von Firmen gehandelt, die untereinander Geschäfte machten. Jeder, der ein Schneeballsystem betreibt, wird zum Betrüger, wenn er weiß, dass der Schaden umso größer ist, je länger es läuft. Die zuletzt 22 Gesellschaften schlossen untereinander Luftgeschäfte ab. Die Gewinne existierten aber nur auf dem Papier. Gegenüber den Vermittlern und Anlegern ist ein funktionierendes Geschäftsmodell dargestellt worden, das es nicht gab.

 

In den Urteilsgründen des Landgerichts wurde ferner ausgeführt, es seien Orderschuldverschreibungen und Nachrangdarlehen mit zu hohen Renditeversprechen gehandelt worden, die nur mit dem Geld von zusätzlich eingeworbenen Anlegern hätten bedient werden können. Der Schneeballeffekt habe sich verstärkt, da immer neue, großvolumige Eigenverträge abgeschlossen werden mussten, um in der Gewinnzone zu bleiben. 
Durch das Verstetigen der Eigengeschäfte hätte der Firmenchef den ersten Sargnagel für Infinus geschlagen.
Das Unternehmen hätte auch ohne das Einschreiten der Staatsanwaltschaft nicht überlebt. 

 

 

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsstrafverteidiger
 
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