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1. Laut Sächsische Aufbaubank (SAB) gab es nach Auszahlung der Coronahillfen 10136 Fälle mit finanziellen Rückforderungen. Die Gesamthöhe der Rückforderungen beträgt fast 82,6 Millonen Euro. In 90 Prozent der Fälle ist die Rückzahlung bereits erfolgt. In den anderen Fällen droht unter Umständen ein Betrugsverfahren. Derzeit waren/sind 285 Betrugsverfahren anhängig, Stand 8.12.2021 (SZ vom 8.12.2021, S. 6), davon wurden 24 wegen Geringfügigkeit, 19 Verfahren gegen Auflage und 16 Verfahren mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt. In den anderen Fällen haben die Betroffenen mutmaßlich bewusst Fördermittel erschwindelt, oder sie haben unbewusst irgendetwas falsch gemacht oder es liegt nur ein Missverständnis vor. Ein Betrug setzt aber Wissen und Wollen der Tatverwirklichung voraus.
2. Es gibt Angeklagte, die sich selbst verteidigen wollen, andere die zu Ihrem Hausanwalt gehen und wieder andere, die gleich den besten Verteidiger Deutschlands - fern ihres Wohnorts- beauftragen wollen. Alle drei Möglichkeiten sind nicht optimal - Sie müssen sich qualifiziert verteidigen lassen durch einen Rechtsanwalt. der sich mit Wirschaftsstrafrecht beschäftigt. Ein Starverteidiger, der schon viele Mordfälle erfolgreich bearbeitet hat, hilft bei Wirtschaftsstrafsachen wenig.
Kann ein guter Wirtschaftsstrafverteidiger wirklich mehr ausrichten als wenn man ohne Verteidiger antritt oder bei einer Verteidigung durch den Hausanwalt, der alle Rechtsgebiete abdeckt?
Meine Antwort lautet klar: ja, der Wirtschaftsstrafverteidiger kann mehr ausrichten.
Sich ohne Verteidiger zu verteidigen, weil man glaubt, nichts Böses getan zu haben, ist - entschuldigen Sie - naiv. Man kennt gar nicht die Fallstricke und Fallen, man wird wahrscheinlich überrollt - also verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hat die Aufgabe den Sachverhalt zu ermitteln und anzuklagen. Sie hilft nicht bei der Verteidigung der Angeklagten.
Der Hausanwalt, der normales Verkehrsrecht macht oder Forderungen einklagt, hat von Wirtschaftsstrafrecht und Zahlen wenig Ahnung. Es kommt aber auf die Zahlen und Details an. Wie wird den die Zahlungsunfähigkeit zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt? Das Wirtschaftsstrafrecht und Insolvenzstrafrecht bietet daher zahlreiche Besonderheiten, die beachtet werden müssen. Wirtschaftsstrafverteidigung setzt voraus: Wirtschaftliche und rechtliche Kompetenz.Kampf.Strategie.
Der Wirtschaftsstrafverteidiger kennt sich aus im materiellen Wirtschafts- und Insolvenzrecht, kennt die wirtschaftliche Abläufe und versteht Zahlen und Bilanzen. Was tun und was ist wichtig?
I. Vor Eröffnung der Hauptverhandlung 1. Konkrete Benennung der Gründe, die gegen die Eröffnung der Hauptverhandlung sprechen. Meine Erfahrungen in vielen Jahren zeigte, dass eine substantiiierte Einlassung im Vorfeld Türen öffnet für den Erfolg. Rechtzeitige Kommunikation kann manchmal eine schnelle Erledigung bringen.
2. Benennung der Zeugen und Beweismittel im Falle der Duchführung der Verhandlung. Das Gericht muss erkennen, dass die Sache nicht ganz einfach ist. Man darf mit der Verteidigung nicht warten bis zur Ansetzung der Termine, sondern muss vorher recherchieren, wo und wie man mit welchen Beweismitteln "dagegen halten" kann.
II. In der Verhandlung 1. Erklärung des Angeklagten und des Verteidigers nach jeder Beweiserhebung gemäß § 257 StPO. Sie dient der Sachaufklärung und der Wahrung des rechtlichen Gehörs. Dies sollte sehr ausführlich erfolgen. Angeklagter und Anwalt sollten daher noch jedem Zeugen, solche Erklärungen abgeben - idealerweise im nächsten Termin, wenn man es schriftlich vorbereitet hat.
( "Möchte ich zu ....durch den Zeugen X gemäß § 257 Abs.2 StPO Stellung nehmen und auf folgendes hinweisen ....).
Wir erstellen die Erklärungen oft gemeinsam schriftlich. Diese werden dann übergeben und vom Angeklagten oder dem Verteidiger verlesen.
2. Beweisanträge ua. Der Verteidiger hat die Möglichkeit, förmliche Beweisanträge, Beweisermittlungsanträge und Beweisanregungen in die Hauptverhandlung einzubringen. Alles was geht, muss man hier bringen und nicht warten. Zwar gibt es in normalen Verfahren eine echte zweite Instanz- eine neue Chance. Warum aber in erster Instanz verurteilt werden, um dann in der zweiten Instanz die neuen Beweismittel zu präsentieren? Was ist das für eine Taktik??
a) Beweisanträge Mit einem Beweisantrag gemäß § 244 StPO kann das Gericht zu einer darüber hinaus gehenden Beweiserhebung gezwungen werden. Dem Beweisantrag ist immer stattzugeben, wenn kein Ablehnungsgrund nach § 244 StPO vorliegt. Der Beweisantrag muss bestimmt sein (In der Stafsache gegen X wird beantragt, den Zeugen X zu vernehmen. Begründung: .....).
b) Beweisermittlungsanträge Beweisermittlungsanträge stellt der Verteidiger, wenn ihm entweder die Beweismittel oder die Beweistatsachen nicht konkret bekannt sind.
(Es wird beantragt, den Taxifahrer, der am Montag, den ... in dem Taxi mit dem Kennzeichen XXC unterwegs war, als Zeugen zu laden).
c) Beweisanregung Beweise können angeregt werden, wenn z.B. ein Zeuge erneut vernommen werden soll oder ein Sachverständiger beauftragt werden soll. Es ist taktisch, einen Beweisermittlungsantrag bereits bereit zu haben, wenn das Gericht das Angebot im Rahmen der Beweisanregung ablehnt. Jedenfall kommt man so in die Kommunikation mit dem Gericht. Man sollte in jeder Phase der Verhandlung die Chancen einer Einigung oder Einstellung (nach § 153 oder § 153 a StPO) prüfen und ansprechen.
Fazit: Beweisanträge stellen - Beweisanträge stellen- Beweisanträge stellen.
3. Der passende Schlussvortrag Die Schlussvorträge haben gemäß § 258 Abs.1 StPO nach Schluss der Beweisaufnahme zu erfolgen. Diese müssen gemeinsam mit dem Angeklagten vorbereitet werden. Alle Ergebnisse der Beweisaufnahmen müssen zusammengefasst und bewertet werden. Jede einzelne Tatbestandvoraussetzung ist hinsichtlich der objektiven und subjektiven Tatbestandverwirklichung ausführlich darzustellen. Die Verteidigung bei Wirtschaftsdelikten aus dem "Ärmel" ist nicht erfolgversprechend.
Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Fachanwalt für Insolvenzrecht Strafverteidiger
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