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15.02.2022 Täuschung über die Änderung eines Geschäftsmodells / (neue) strafrechtliche Fallstricke für Manager
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Kann man über eine Änderung der bisherigen Geschäftstätigkeit (oder des Geschäftsmodells) einer Gesellschaft täuschen und erfüllt damit den objektiven Tatbestand des Betrugs?

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs: ja.

Die maßgebliche Stelle aus der Urteilsbegründung des BGH 5 StR 443/19 im Strafverfahren gegen die  Manager im Infinus- Fall wird unten dargestellt. 

Die Geschäftstätigkeit der Infinus bestand früher im Wesentlichen darin, gebrauchte Lebensversicherung von Kunden aufzukaufen und diese fortzuführen. Anlegern der Infinus-Gruppe wurde einen Rendite von ca. 6 Prozent versprochen.
Jahrelang erhielten alle Anleger bei Fälligkeit die Auszahlung bzw Rückzahlung bis nach einer anonymen Strafanzeige das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Hausdurchsuchungen in den Geschäftsräumen durchführte, Geschäftskonten beschlagnahmten und die Mananger vorläufig festnahmen.
Die Infinus-Gruppe geriet danach in die Insolenz.

Strafrechtlich war der Vorwurf gegenüber dem Management, dass sich das anfängliche Geschäftsmodell geändert habe, als es keine nennenswerte Verzinsung der Lebensversicherungseinlagen mehr gab. Fortan wurden von der Infinus auch umsatzhohe Eigenabschlüsse von Versicherungen getätigt und Goldsparpläne abgeschlossen. 

Das hätte den Kunden (klarer) mitgeteilt werden müssen, so der BGH.
Weil das nicht erfolgte, hätten die Manager getäuscht - die langjährig verhängten Haftstrafen der Manager seien daher nach Auffassung des BGH gerechtfertigt.

Was genau, wann vom Geschäftsmodell geändert wurde, ist im BGH Urteil nicht aufgeführt. Müssen nicht alle Manager immer sehen, was auf dem Markt geht und was nicht und die Geschäftstätigkeiten immer anpassen? Müssen Sie das jetzt permanent auf dem Schirm haben und die Änderungen gegenüber dem Handelsregister und den Geschäftspartnern kommunizieren ( Beispiel:
Wir kaufen jetzt kein Silber mehr, wir kaufen jetzt Gold oder: Bisher kauften wir überwiegend Gas, jetzt kaufen wir Öl usw.) 

Der Vorwurf war also: Es erfolgte eine Änderung des Geschäftsmodells ohne transparente Kommunikation.

Die Änderung des Geschäftsmodells per se ist natürlich nicht strafbar.
Aber wenn ein Anleger oder stiller Gesellschafter darauf seine Investitionsentscheidung stützt, dann kann der sich täuschen.

Was sich der Anleger genau vorstellt, das wurde vom BGH verallgemeinert.
Man müsse das nicht so im Detail sehen.

Durch diese "Verallgemeinerung" wird durch das Urteil in ähnlichen Fällen (Anleger geben Geld; Unternehmen gerät in die Insolvenz) Beachtung finden, wenn sich irgendetwas an der Geschäftstätigkeit geändert hat.  Ich prognostiziere, dass es in Insolvenzverfahren künftig viel mehr Anklagen mit dem Vorwurf  des Betrugs kommen  werden, weil eine Geschäftstätigkeit als "verändert" dargestellt wird.

Ist zum Beispiel die Umstellung der Autoproduktion auf E- Fahrzeuge eine solche Änderung? Müssten daher nicht alle Anleger vor dem Kauf von Aktien informiert werden? Und wenn nicht: droht Risiko für alle Manager (auch Aufsichtsberater und Rechtsberater des Unternehmens)?
Aus meiner Sicht ja: Das Urteil wird ein Einschnitt.

Die Entscheidung ist in der Begründung (Änderung der Geschäftstätigkeit)  leider nicht scharf und für alle Manager schwer kalkulierbar.

Zur Begründung des BGH:

Eine Täuschungshandlung wird durch die Urteilsgründe belegt.

a) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer hat sich das Landgericht bei der Bestimmung des Inhalts der Täuschungshandlung nicht lediglich auf die allein wertenden und damit keinen Tatsachenkern enthaltenden Aussagen von Vermittlern in Beratungsgesprächen gestützt, die F. betreibe ein tragfähiges Geschäftsmodell und sei ein prosperierendes Unternehmen. Denn ausweislich der Urteilsgründe haben die Vermittler den Anlegern durchweg die Geschäftstätigkeit der F. „mehr oder weniger ausführlich“ erklärt, was einen Tatsacheninhalt aufweist. Damit haben sie gegenüber den Geschädigten insbesondere zum Ausdruck gebracht, die F. erwirtschafte Einnahmen über den Zweitmarkt für Versicherungen. Vor allem war aber hierin begriffsnotwendig die Aussage enthalten, dem Unternehmen würde im Ergebnis per Saldo Geldwert zugeführt. Dagegen wurde der für die Anleger wichtige Umstand verschleiert, dass die F. die Umsätze letztlich größtenteils durch gruppeninterne Verträge selbst steuerte und finanzierte und hierdurch nur bilanziell Gewinne ausweisen konnte, tatsächlich aber Verluste erzielte.

b) Für die Bestimmung des Täuschungsgehalts konnte das Landgericht auch ergänzend auf die in den Basisprospekten enthaltenen wesentlichen Behauptungen zurückgreifen. Diesbezüglich hat es zwar festgestellt, dass eine Vielzahl der Anleger die Prospekte nicht gelesen, bisweilen sogar nicht erhalten hatte. Die Vermittler waren aber durch Schulungen dazu angehalten worden, sich bei den Beratungen am Inhalt der Prospekte zu orientieren, was sie nach den Feststellungen des Landgerichts auch befolgten.

c) Entgegen der Ansicht der Revisionen entfiele die Täuschung auch nicht, falls die Geschäftsvorfälle in den Jahresabschlüssen korrekt behandelt worden wären. Ob dies überhaupt der Fall war – jedenfalls die Voraussetzungen für die Aktivierung von Anschaffungsnebenkosten bei den Goldsparverträgen erscheinen aus den vom Landgericht genannten Gründen zweifelhaft –, kann im Ergebnis offenbleiben. Denn für die Bestimmung des Täuschungsgehalts einer Erklärung kommt es auf den Gesamteindruck des Adressaten nach der objektiven Verkehrsanschauung an (BGH, Urteil vom 24. April 2001 –  4 StR 439/00, BGHSt 47,  1 , 3 f.; Matt/Renzikowski/Saliger, StGB, 2. Aufl., §  263 Rn. 23). Will man angesichts des festgestellten Inhalts der Beratungsgespräche überhaupt auf die Bedeutsamkeit schriftlicher Darstellungen der Geschäftstätigkeit der F. abstellen, ergab sich der Gesamteindruck für die Anleger vorliegend nicht lediglich aus den erstellten Jahresabschlüssen, sondern in erster Linie aus den ausgegebenen Basisprospekten (vgl. dazu auch Art. 3 Abs. 2 iVm Anhang IV Nr. 13.1. der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004, in der Fassung vom 27. Februar 2007 [ABl. L 61 S. 24]). In diesen wurde der Leser aber nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass die F. tatsächlich die Geschäftstätigkeit am Zweitmarkt für Lebensversicherungen eingestellt hatte, sie ihre Einnahmen hauptsächlich über die Gewinnabführung durch von ihr selbst zu tragende Provisionen erzielte und kein tragfähiges Geschäftsmodell verfolgte. Die Änderung der Geschäftstätigkeit und das daraus resultierende Risiko eines Forderungsausfalls der Gläubiger wären zwingend im Haupttext der Basisprospekte mitzuteilen gewesen (vgl. Anhang IV Nr. 4 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 809/2004; vgl. hierzu Seitz/Maier in: Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, WpPG/VermAnlG, 3. Aufl., Anhänge zur Verordnung (EG) Nr. 809/2004, Anhang IV Rn. 18 und 36).

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Verfasser: mitgeteilt von RA Hermann Kulzer MBA Fachanwalt
 
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