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19.02.2022 Strafrechtliche Verantwortung des Aufsichtsrats bei dolosem Handeln des Vorstands: oder: Besser raus aus dem Aufsichtsrat
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Das Landgericht Dresden hat mehrere ehemalige Verantwortliche der Infinus-Unternehmensgruppe wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zu Freiheitsstrafen zwischen vier und acht Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen.

Der Bundesgerichshof hat unter Aktenzeichen 5 StR 443/19 die Entscheidung weitgehend bestätigt. 

Auch der Aufsichtsrat wurde verurteilt. Die Begründung dazu war besorgniserregend kurz.
Scheinbar hat man den Aufsichtsrat, der nur zur Kontrolle da ist, gleich gesetzt mit der Geschäftsleitung und dadurch die Ebenen Führung und Aufsicht gleichgeschaltet. 

Das Haftungsrisiko für Aufsichtsräte ist nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen nicht mehr kalkulierbar. Bei einem strafbaren Handeln des Vorstands, kann der Aufsichts gleich mit dem "Koffer packen" für die Zeit im Gefängnis. Der Aufsichtsrat der nur Aufsicht üben soll und nicht für das Tagesgeschäft verantwortlich ist, wird aber behandelt wie ein Vorstand.

Ein Vorstand wollte in der Finanzkrise ein neues Geschäftsfeld aufbauen- er wollte mehr in Gold investieren und hat auch innerhalb des Konzerns Eigengeschäfte mit Versicherungen gemacht.  Der Kauf von gebrauchten Lebensversicherungen war mangels Zinsausschüttungen von den Versicherungen nicht mehr attraktiv. Der Vorstand investiert erhebliche Beträge in die neuen Geschäftsfelder. Sowohl beim Gold als auch bei den Eigengeschäften wurden die zu Grunde liegenden Verträge dann allerdings nicht mehr  mit  langfristiger Halteabsicht fortgeführt. In den Jahresabschlüssen und im Lagebericht war dies nicht erkennbar- daher gingen alle von einer normalen Fortsetzung der bis dato erfolgreichen Tätigkeit und auch den zugesagten ZInsausschüttungen aus. 
Was haben die Aufsichtsräte gewusst und was haben sie gemacht? 
Waren Sie Täter oder haben sie Beihilfe geleistet? 
Manchmal ist es sehr schwierig, wenn man versucht, auf den Punkt zu bringen, was strafbar sein könnte bzw was später dem Aufsichtsrat strafrechtlich  vorgehalten werden kann:

Unterlassene Aufsicht des Aufsichtsrats bei der (vermeintlich erkennbaren) Täuschung des Vorstands durch die nicht transparenten Darstellung der Veränderung des Geschäftsmodells im Jahresabschluss X/X/X in Folge des  Neuabschlusses von Goldsparplänen ohne langfristige Halteabsicht?

Man ist schon beim Vorstand korrekterweise oft auf der Unterlassungsebene (Täuschung durch Unterlassen einer Prüfung) und nicht Täuschung durch ein Tun.

Der Aufsichtsrat ist nicht auf der gleichen Handlungsebene wie der Vorstand. Er muss "nur" kontrollieren und wird in Krisensituationen nicht zum "Lenker" und "Leiter"- er wird nie Vorstand. 

Wie und wann kann der Aufsichtsrat das hier tatsächlich vorliegende "Unterlassen" des Vorstands kontrollieren? Ein Unterlassen kann man erst kontrollieren, wenn sich ein Unterlassen, das sich aus verschiedenen Teilakten zusammensetzt, nach außen hin zeigt- für Dritte und für den Aufsichtsrat.

Ob der Vorstand beispielsweise sein "Geschäftsmodell" ändert, ist im Lagebericht des Jahresabschlusses vom Vorstand und im Prüfungsbericht des eingesetzten Wirtschaftsprüfers darzustellen.
Waren die fehlenden Kontguthaben in Milliardenhöhe bei wirecard für die Aufsichtsräte nicht irgendwann erkennbar- mussten und konnten Sie das Guthaben nicht viel früher kontrollieren?
Hätte es sich für den Aufsichtsrat nicht sogar aufdrängen müssen, dass die Darstellung in den Jahresabschlüssen und Prüfungsberichten falsch ist?
Muss aber ein Aufsichtsrat, der kein Wirtschaftsprüfer ist, hinsichtlich der Darstellungen im Jahresabschluss und dem Lagebericht kompetenter sein, als der von der Gesellschaft eingesetzte (erfahrene) Wirtschaftsprüfer? 
Das muss er natürlich nicht sein - erst recht, wenn  es dazu keinerlei gesetzliche Bestimmungen gibt. Was ein Unternehmen oder Unternehmer darf und was nicht, ist oft gar nicht detailliert geregelt. 
In dem Strafurteil im Infinus- Prozess gegen die Manager und Aufsichtsräte heíßt es kurz: 
Es erfolgte eine "Änderung des Geschäftsmodells des Untenehmens", dies hätte der Vorstand in dem Lagebericht im Jahresabschluss darstellen müssen. Durch die fehlende Darstellung sind neue Anleger getäuscht worden.  Der Aufsichtsrat hat daran mitgewirkt, weil er Aufsichtsrat war und das Geschäftsmodell am Anfang gegenüber der Bafin dargestellt hat. 

Der Aufsichtsrat hat bei dieser Darstellung jeden Tag ein konkretes Risiko für etwas bestraft zu werden, weil der Vorstand jeden Tag irgendetwas tun kann, was zum Beispiel später die Änderung des Geschäftsmodells begründet.
Wie soll der Aufsichtsrat dies (genau am Tag der rechtswidrigen Handlung) erkennen und unterbinden? 
Gesetzliche Bestimmungen, was vom Aufsichtsrat gefordert wird, gibt es nicht. 
Das Strafgericht hat im Fall der Infinus- Gruppe die Handlungsebene Vorstand vom Aufsichtsrat und das Tun und Unterlassen des Aufsichtsrats beim vorgeworfenen Betrug im Zusammenhang mit der Änderung des Geschäftsmodells nicht abgegrenzt.
Der Aufsichtsrat wird - entgegen der gesetzlichen Bestimmung- plötzlich wie  der Geschäftsführer/ Vorstand gestellt.  

Eine Aufsicht kann immer nur nach dem erkennbaren Handeln oder Unterlassen des Vorstands erfolgen und nicht synchron.

 
Mit einer solchen Wertung werden künftig unabsehbare Haftungsgefahren für Aufsichtsräte geschaffen - der Aufsichtsrat müsste an sich jeden Tag mit dem Vorstand absprechen, was er vorhat und macht. 

 Dann müsste der Aufsichtsrat -als Aufsichtsrat- jeden Tag tätig sein.
Da kann man den normalen Aufsichtsrat gleich abschaffen und schafft einen "Aufsichtsvorstand"- der in der Führungsetage Leitungsverantwortung hat und auch das Tagesgeschäft und die Strategie überwacht. Täglich.   
FAZIT: 
Aufsicht ist wichtig- aber die Haftung des Aufsichtsrats muss im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen kalkulierbar bleiben.

 So ist es ein unkalkulierbares Risiko, das  sich  auch nicht versichern lässt. 
Der Aufsichtsratsjob ist praktisch mit dieser Entscheidung ein nicht mehr kalkulierbares Risiko. Aufsichtsräten kann man nur empfehlen: 
-D&O Versicherung- auch für strafbares Handeln abschleßen
-Strafrechtsschutz abschließen
-wichtige entlastende Dokumente immer sichern
-regelmäßige Beratungen mit Fachanwalt/ Steuerberater
-tatsächliche kritische Kontrolle des Vorstands und nicht nur "Kaffeetrinken" .
-angemessene Vergütung

ODER: Raus aus diesem Haftungsrisiko- raus aus dem Aufsichtsrat.




Hermann Kulzer MBA
Rechtsanwalt, Fachanwalt

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Verfasser: Hermann Kulzer. Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsstrafverteidiger
 
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