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27.11.2023 Aufsichtsrat: Muss der Aufsichtsrat bei Pflichtverletzungen des Vorstands klagen lassen? Wann haftet der Aufsichtsrat?
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Die Haftung des Aufsichtsrats ist ein wichtiges Thema im Gesellschaftsrecht, das immer wieder zu Diskussionen und Rechtsstreitigkeiten führt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in den letzten Jahren einige Grundsätze zur Pflichtenbindung und Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats entwickelt, die sowohl für Aktiengesellschaften als auch für GmbHs von Bedeutung sind.

Eine der wichtigsten Entscheidungen des BGH ist die sogenannte ARAG/Garmenbeck-Entscheidung aus dem Jahr 1997¹, in der der BGH erstmals eine Verfolgungsentscheidungspflicht des Aufsichtsrats bei möglichen Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern anerkannt hat. 

Der BGH hat dabei ein zweistufiges Prüfprogramm aufgestellt, das der Aufsichtsrat anwenden muss, um zu entscheiden, ob er einen Anspruch geltend machen muss oder nicht. 

Auf der ersten Stufe muss der Aufsichtsrat prüfen, ob ein Anspruch besteht, ob er verschuldet ist, ob ein Schaden entstanden ist, ob er beitreibbar ist und wie hoch das Prozessrisiko ist. 

Auf der zweiten Stufe muss der Aufsichtsrat abwägen, ob die Verfolgung des Anspruchs im Interesse der Gesellschaft liegt oder nicht. Dabei muss er auch die Einwilligung des Alleinaktionärs oder der Hauptversammlung berücksichtigen. Der BGH hat betont, dass der Aufsichtsrat kein Ermessen hat, ob er gegen Vorstände vorgehen will oder nicht, sondern eine rechtliche Pflicht, die er nur unter engen Voraussetzungen vernachlässigen darf.

Die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung hat in der Literatur viel Zustimmung, aber auch Kritik erfahren. Einige Autoren haben die Haftung des Aufsichtsrats für zu weitgehend gehalten und eine Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz oder eine Deckelung der Haftungshöhe gefordert. Andere haben die Existenz der in Anspruch genommenen Organe schützen wollen, da die Schäden oft das Vermögen der Organe übersteigen. Zudem wurde diskutiert, welche Erwägungen der Aufsichtsrat in seine Abwägung einbeziehen darf und welche verhaltenssteuernden Aspekte eine Rolle spielen, insbesondere die Existenz einer D&O-Versicherung.

Die Rechtslage hat sich durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) aus dem Jahr 2005 nicht wesentlich geändert. Das UMAG hat zwar einige Änderungen im Aktiengesetz vorgenommen, die die Haftung des Aufsichtsrats betreffen, aber keine grundlegenden Abweichungen von der ARAG/Garmenbeck-Doktrin vorgenommen. So hat das UMAG in § 148 Abs. 1 Satz 2 AktG eine Regelung eingeführt, die besagt, dass der Aufsichtsrat einen Schadensersatzanspruch gegen ein Vorstandsmitglied nur mit Zustimmung der Hauptversammlung geltend machen kann, wenn das Vorstandsmitglied auf Verlangen der Hauptversammlung bestellt worden ist. Diese Regelung soll verhindern, dass der Aufsichtsrat unter dem Druck einer Minderheit handelt, die das Vorstandsmitglied absetzen will. Allerdings gilt diese Regelung nur für die Geltendmachung des Anspruchs, nicht für die Prüfung des Anspruchs. Der Aufsichtsrat muss also nach wie vor seine Verfolgungsentscheidungspflicht erfüllen und den Anspruch prüfen, bevor er die Zustimmung der Hauptversammlung einholt. Zudem kann die Regelung durch die Satzung abbedungen werden.

Eine weitere Änderung durch das UMAG ist die Einführung des § 116 Satz 1 AktG, der bestimmt, dass die Vorschriften über die Haftung des Vorstands auch für die Haftung des Aufsichtsrats gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Haftung des Aufsichtsrats grundsätzlich den gleichen Maßstäben unterliegt wie die Haftung des Vorstands. Dies bedeutet aber nicht, dass der Aufsichtsrat für die gleichen Pflichtverletzungen haftet wie der Vorstand, sondern nur, dass die allgemeinen Voraussetzungen der Haftung, wie Verschulden, Schaden und Kausalität, gleich sind. Die konkreten Pflichten des Aufsichtsrats ergeben sich aus seiner spezifischen Funktion als Überwachungsorgan, die sich von der Geschäftsführungsfunktion des Vorstands unterscheidet.

Die Rechtsprechung des BGH hat die Grundsätze der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung in der Folgezeit weiterentwickelt und konkretisiert. So hat der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2009² die Haftung des Aufsichtsrats für die Verletzung seiner Überwachungspflicht bejaht, wenn er es unterlässt, die Einhaltung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften durch den Vorstand zu kontrollieren. Der BGH hat dabei betont, dass der Aufsichtsrat nicht nur eine reaktive, sondern auch eine proaktive Überwachungspflicht hat, die ihn verpflichtet, sich regelmäßig und umfassend über die Geschäftslage der Gesellschaft zu informieren und gegebenenfalls einzugreifen. Der BGH hat auch klargestellt, dass der Aufsichtsrat nicht nur für die Schädigung des Gesellschaftsvermögens, sondern auch für die Verminderung der Insolvenzmasse haftet, wenn er durch seine Pflichtverletzung die Insolvenz der Gesellschaft verursacht oder verschlimmert hat.

In einer weiteren Entscheidung aus dem Jahr 2010³ hat der BGH die Haftung der Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH bejaht, wenn sie regelwidrige Zahlungen an die Gesellschafter genehmigt oder geduldet haben. Der BGH hat dabei die Anwendung der Vorschriften über die Haftung des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft auf den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH bestätigt, soweit die Satzung nichts anderes vorsieht. Der BGH hat auch darauf hingewiesen, dass die Haftung des Aufsichtsrats nicht davon abhängt, ob er eine Vergütung erhält oder nicht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Haftung des Aufsichtsrats nach der Rechtsprechung des BGH weitreichend ist und hohe Anforderungen an die Pflichtenbindung und Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats stellt. 

Der Aufsichtsrat muss seine Überwachungs- und Verfolgungsentscheidungspflicht ernst nehmen und sich regelmäßig und umfassend über die Geschäftslage der Gesellschaft informieren. Er muss mögliche Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder prüfen und verfolgen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft liegt. 

Er muss die Einhaltung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften durch den Vorstand kontrollieren und verhindern, dass die Gesellschaft oder die Insolvenzmasse geschädigt wird. 

Er haftet für seine Pflichtverletzungen sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber den Gläubigern. Die Haftung des Aufsichtsrats gilt sowohl für Aktiengesellschaften als auch für GmbHs, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt. Die Rechtslage hat sich durch das UMAG nicht wesentlich geändert, sondern nur in einigen Punkten modifiziert.

Der Aufsichtsrat sollte daher stets seine Pflichten im Blick haben und kann sich (auf Kosten der Gesellschaft) von einem Fachanwalt rechtlich beraten lassen.

¹: [BGH, 10.07.1997 - II ZR 175/95](^1^)

²: [BGH, 16.03.2009 - II ZR 280/07](^2^)

³: [BGH, 20.09.2010 - II ZR 78/09](^5^)

(1) BGH, 10.07.2018 - II ZR 24/17 - dejure.org. https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BGH&Datum=10.07.2018&Aktenzeichen=II%20ZR%2024/17.

(3) Zur Haftung vor Vorständen und Aufsichtsräten - aktuelle Rechtslage. https://www.anwalt.de

(4) BGH, 10.07.2018 - II ZR 24/17 - dejure.org. https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BGH&Datum=10.07.2018&Aktenzeichen=II%20ZR%2024/17.

(6) BGH, 20.09.2010 - II ZR 78/09 - dejure.org. https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BGH&Datum=20.09.2010&Aktenzeichen=II%20ZR%2078/09.

 

Ich stehe Ihnen gerne für Fragen/Beratungen zur Verfügung.

 

Hermann Kulzer, MBA,
Fachanwalt für Insolvenzrecht,
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Wirtschaftsmediator (DIU)

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt Wirtschaftsmediator (DIU), Sanierungsmoderator
 
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