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17.05.2022 Keine Restschuldbefreiung für Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung im Insolvenverfahren
Information

Forderungen aus unerlaubter Handlung werden - wenn sie so im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden - nicht von der Restschuldbefreiung umfasst.

Es bleiben für einen Schuldner einer solchen Forderung nur zwei Wege: 

  • Vergleich und Einigung mit dem Gläubiger oder 
  • Regelung im Insolvenzplanverfahren.

Bei beiden Wegen können wir Hilfestellung leisten.


Bei der Zwangsvollstreckung eines Titels aus vorsätzlich unerlaubter Handlung kann der Inhaber des Titels auch unterhalb die Pfändungsgrenze pfänden.
Gesichert ist nur das Existenzminimum. 


I. Was regelt § 302 InsO? 

§ 302 InsO  regelt, welche Forderungen  von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden- diese Forderungen bleiben also bestehen, wenn sie im Insolvenzverfahren richtig geltend gemacht wurden.

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt (meine Gliederung weicht vom Gesetz ab): 

1. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, 

2. aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder 

3. aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 379, 373  oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach §174 Absatz 2 anzumelden;

4.  Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;

II. Was bedeutet dies (Kurzkommentar)?

zu 1: Nur Verbindlichkeiten des Schuldners aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen im Sinne der §§ 823 ff BGB werden nach Nr. 1, 1. Alternative von der Restschuldbefreiung nicht erfasst.
Neben der Verletzung absoluter Rechte gemäß § 823 Abs.1 BGB kommt dabei den Schutzgesetzen im Sinne des § 823 Abs.2 BGB hohe Bedeutung zu, insbesondere Betrug gemäß 263 StGB sowie Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB, wobei auch die vorsätzliche Nichtabführung von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung erfasst ist, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht § 302 Rdnr. 2.
Fehlt es dem verwirklichten Delikt an einer Schädigungstendenz zulasten des Geschädigten, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Täter mit Schädigungsvorsatz handelte, BGH ZInsO 2007, 815.
Umfasst sind nur Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung- grobe Fahrlässigkeit reicht nicht aus- jedoch genügt bedingter Vorsatz.
Die Schadensfolge muss bei einem Verstoß nach § 826 BGB vom Vorsatz umfasst sein, Hamburger Kommentar § 302 Rdnr. 

zu 4: auch Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder

III. Anmeldung der Forderung: Wie erfolgt das?

Nach § 302 InsO ist eine Forderung aus unerlaubter Handlung von der Restschuldbefreiung nur dann ausgenommen, wenn der Gläubiger sie im Verfahren besonders angemeldet hat. Hieraus folgt:
Der Gläubiger muss am Verfahren teilgenommen haben. 

IV. Bestreiten der Forderung: Wer macht das?

Der Gemeinschuldner muss der Forderung aus  vorsätzlich unerlaubter Handlung widersprechen. Widerspricht er nicht, wird die Forderung nicht von der Restschuldbefreiung erfasst.
Legt der Schuldner Widerspruch gegen die Anmeldung einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ein, kann der Insolvenzgläubiger Klage auf Feststellung dieses Rechtsgrundes erheben (BGH, Urt. v. 18. Januar 2007 – IX ZR 176/05, ZIP 2007, 541 f.) 

Der Insolvenzverwalter darf die Anmeldung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht bestreiten, da von dieser Anmeldung die Insolvenzmasse nicht tangiert wird (AG Dresden, Urteil v. 10.12.2004, Az. 106 C 4177/04; Müko Stephan (2002) § 302 InsO, Rn. 15; Kehe/Meyer/Schmerbach, ZInsO 2002, 660,663; Brückl, ZInsO 2005, 17 f. und 19 f; vgl schon Jäger/Weber, 8.Auflage 1973, § 141 KO, Anm. 6

V. Ist ein Nachschieben des Zusatzes " Forderung" aus vorsätzlich unerlaubter Handlung möglich?

Zu der Frage, wie verfahren werden muss, wenn ein Gläubiger seine Forderung nur ohne den Zusatz angemeldet hat, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners beruhe, und der Gläubiger alsdann noch die Begründung nachschiebt, die Forderung sei auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung weiterhin zu befriedigen, weil es sich um eine deliktische Forderung handele, hat das AG Hamburg in einem Beschl. v. 29.12.2004 entschieden, dass der Gläubiger durch das Unterlassen der Anmeldung als Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht daran gehindert ist, diesen Gesichtspunkt später noch nachzuschieben. Auch wenn die Forderung zunächst ohne eine entsprechenden Hinweis angemeldet werde, könne bei einer späteren nachträglichen Anmeldung der Hinweis des Insolvenzgerichts nach §§ 174 Abs. 2, 175 InsO noch erteilt werden und es könne in einem nachträglichen Prüfungstermin entschieden werden, ob die Anmeldung auch mit dem Zusatz gerechtfertigt ist.

AG Hamburg, Beschl. v. 29.12.2004 in ZInsO 2005, 107 ff. 15 Jahre später entschied einen ähnlichen Fall der Bundesgerichtshof: BGH Urteil vom 19.12.2019, XI ZB 83/18: 
mit dieser Entscheidung hat der BGH zur Frage der rechtzeitigen Anmeldung eines Forderungsattributes der unerlaubten Handlung entschieden.

Diese muss wie die Forderung selbst ebenfalls bis spätestens zum Schlusstermin angemeldet sein. Eine Nachmeldung danach scheidet aus.

VI. Was passiert, wenn der Schuldner Forderungen aus unerlaubter Handlung verschweigt?

Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass dann, wenn der Schuldner einen Anspruch bewusst zwecks Erreichung der Restschuldbefreiung verschweigt, eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 826 BGB vorliegen kann, die eine eigenständige neue Schadensersatz-forderung des Gläubigers begründet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2008 - IX ZB 16/08, ZinsO 2009, 52; vom 6. November 2008 - IX ZB 34/08, NZI 2009, 66 Rn. 11; Urteil vom 16. Dezember 2010 - IX ZR 24/10, WM 2011, 271 Rn. 26; Beschluss vom 20. November 2014 - IX ZB 56/13, NZI 2015, 132 Rn. 9, 11;

VII. Hat der Schuldner Ruhe, wenn die Strafe aus dem Bundeszentralregister gelöscht ist?

Dazu entschied der BGH im Urteil vom 1. Oktober 2020 – IX ZR 199/19:

Eine Verbindlichkeit aus einem Steuerschuldverhältnis ist auch dann von der Restschuldbefreiung ausgenommen, wenn die Eintragung über die Verurteilung wegen einer Steuerstraftat, welche im Zusammenhang mit dem Steuerschuldverhältnis steht, im Bundeszentralregister getilgt worden oder zu tilgen ist.

 
VIII. Was ist mit Forderungen aus einer Steuerhinterziehung?

Dazu entschied der Bundesfinanzhof: Urteil vom 19.08.2008 VII R/07 

1. Eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ist keine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung i.S. des § 302 Nr. 1 InsO.

2. § 370AO ist kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB.

IX. Ein Kuriosum: SCHADEN AUF DER TRUNKENHEITSFAHRT

Die Schadensersatzverbindlichkeiten desjenigen, der vorsätzlich im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet hat, sind von der Restschuldbefreiung nicht ausgenommen, vgl. BGH, Urteil vom 21. 6. 2007 – IX ZR 29/06;

Warum?
Es genügt nicht, dass eine vorsätzliche Handlung adäquat kausal zu einem Schaden geführt hat; vielmehr muss die Schadensfolge vom Vorsatz umfasst sein. Das ist bei der "Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination" des § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Nr. 1 StGB nicht der Fall.

Ansprüche aus Gefährdungshaftung werden von § 302 Nr. 1 InsO nicht erfasst (MünchKomm-InsO § 302 Rn. 7; Uhlenbruck § 302 Rn. 3). Das ist auch bei der rechtsähnlichen Vorschrift des §850 f Abs. 2 ZPO nicht anders.

X. Zwangsvollstreckung aus dem Tabellenauszug bei einer unerlaubten Handlung unterhalb die Pfändungsgrenze?

Dazu BGH Beschluss vom 11.03.2020 VII ZB 38/19: 

Durch die Vorlage eines vollstreckbaren Auszugs aus der Insolvenztabelle kann der Gläubiger den Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung für das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs.2 ZPO führen, wenn sich daraus ergibt, dass eine solche Forderung zur Tabelle festgestellt und vom Schuldner nicht bestritten worden ist (Anschluss an BGH, Beschluss vom  04.09.2019 - VII ZB 91/17, NJW 2019, 3237).

XI. Vollstreckungsprivileg nach BGH Beschluss vom 4.9.2019 VII 91/17 

§ 850 f Abs.2 ZPO erweitert den Zugriff des Gläubigers auf das Arbeitseinkommen des Schuldners, wenn er wegen eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vollstreckt. Der Gläubiger kann gegen den Schuldner bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit vollstrecken; der Schuldner muss auch mit den Teilen seines Arbeitseinkommens einstehen, das ihm sonst nach der Vorschrift des § 850 c ZPO belassen werden muss. 
Der Antrag auf Herabsetzung des unpfändbaren Betrages muss vom Gläubiger gestellt werden. Das Vollstreckungsgericht entscheidet dann nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen (BGH, 5.4.2005 VII ZB 17/05 Rn. 6; NJW 2005, 1663).

Die materiell-rechtliche Beurteilung, ob ein Anspruch aus vorsätzlich unerlaubter Handlung vorliegt, obliegt dem Prozessgericht.
Das Vollstreckungsgericht/Organ prüft dagegen nicht ob ein Anspruch aus vorsätzlich unerlaubter Handlung vorliegt oder nicht, sondern "nur", ob die formellen Voraussetzungen für die zwangsweise Durchsetzung des Anspruchs vorliegen. 
Auf Grund der Unterschiedliche des Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahrens, muss der Gläubiger, der sich auf eine vorsätzlich unerlaubte Handlung und das Vollstreckungsprivileg gemäß § 850f Abs.2 ZPO  beruft, dem Vollstreckungsgericht daher einen Titel vorzulegen, aus dem sich - gegebenenfalls im Wege der Auslegung - der deliktische Schuldgrund und der von  850f Agbs.2 ZPO vorausgesetzte Grad des Verschuldens ergeben.

Wenn sich dies aus dem Titel nicht ergibt, kann der Gläubiger im Wege der Klage nachträglich feststellen lassen, dass der Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührt, BGH, 5.4.2005 Rdnr. 7 f, a.a. O.

 

Sie haben Fragen oder brauchen rechtliche Unterstützung?

 

Kontakt: 


Hermann Kulzer MBA, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Wirtschaftsmediator (DIU) 

kulzer@pkl.com 

0351 8110233 

 

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Verfasser: Hermann Kulzer, MBA, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Rechtsanwalt
 
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