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Die Kapitalaufbringung bei der GmbH hat Tücken. Risiken vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der GmbH und Mißbrauchsbekämpfung (MoMiG)
Der Verkauf oder der Kauf von Geschäftsanteilen ist mit erheblichen Risiken und Streitpotential verbunden. Es ist für Nichtjuristen oft unverständlich, dass gerade die Gründungsphase, die oft viele Jahre zurückliegt, von entscheidender Bedeutung ist. Hier müssen Recherchen vorgenommen werden, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Durch das MoMiG wurden die Risiken der verdeckten Sacheinlagen und des Hin-und Herzahlens gemildert. Nachfolgend werden die Risiken nach alter Gesetzeslage und Rechtsprechung dargestellt.
1. Gefahr: Darlehen nach Bargründung
a) Fallbeispiel
Die A-GmbH wird gegründet. Es liegt der Normalfall einer Bargründung vor, das heißt es muss Stammkapital in Höhe von 25.000 Euro erbracht werden, was auch erfolgt. Die A-GmbH gewährt dann allerdings dem Gesellschafter A nach einigen Wochen ein Darlehen.
b) Fragestellung
Wurde das Stammkapital ordnungsgemäß erbracht? Muss im Falle der Insolvenz das Stammkapital und zusätzlich das Darlehen zurückbezahlt werden? Liegt ein strafbares Verhalten vor? Welche Ansprüche hat der Gesellschafter?
c) Lösung
Es ist keine ordnungsgemäße Zahlung der Stammeinlagen erfolgt, weil diese in engem zeitlichen Zusammenhang (Zeitraum bis ca. 6 Monate) an den Gesellschafter zurückgeführt wurden. Der Einlagenanspruch ist nicht durch Erfüllung erloschen und besteht fort, muss daher nochmals erbracht werden, § 19 Abs. 5 GmbHG.
Die Versicherung bei Gründung der Gesellschaft, dass das Stammkapital ordnungsgemäß erbracht wurde und zur endgültgen freien Verfügung des Geschäftsführers steht (§ 8 Abs. 2 GmbHG), war falsch. Es liegt ein Gründungsschwindel vor, der strafbar ist.
Der Darlehensvertrag ist nichtig, weil es ein Scheingeschäft darstellt, vgl. BGH DB 2005, S. 2743. Die Gesellschaft hat daher einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Der Gesellschafter hat zwar einen bereicherungsrechtlichen Rückgewähranspruch wegen Verfehlung des Einlagetilgungszwecks. Eine Aufrechnung des Gesellschafters mit dem Bereicherungsanspruch gegen den Anspruch der Gesellschaft auf Erbringung der Stammeinlage ist allerdings gemäß § 19 Abs. 2 GmbHG ausgeschlossen.
d) Beratungshinweise
Der Sachverhalt ist anders zu beurteilen, wenn das Darlehen nicht in einem engen zeitlichen Zusammenhang gewährt wird. Auch hier bestehen natürlich erhebliche Risiken. Bei einer späteren Zahlung des Gesellschafters auf den vermeintlichen Darlehensrückzahlungsanspruch der Gesellschaft wird der Anspruch auf Leistung der Einlage getilgt, der Inferent erfüllt also wirksam die offene Einlageschuld, BGH GmbHR 2006, S. 43 (anders noch: BGH GmbHR 2003, 231=BGHZ 153, 107).
Vor dem Kauf von Geschäftsanteilen einer GmbH sollte das ein Spezialist an Hand der Belege und Kontoauszüge prüfen, ob eine Rückgewähr der Stammeinlage vorliegen kann.
2. Gefahr: Kauf vom Gesellschafter nach Bargründung der GmbH
a) Fallbeispiel
Die B-GmbH wird gegründet mit einem Stammkapital von 25.000 Euro. 3 Monate nach der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister kauft der Geschäftsführer die Büroausstattung und die Fahrzeuge. Er kauft sie allerdings von der Einzelfirma, die vorher von B betrieben wurde. Die Gesellschaft gerät 2 Jahre später in die Insolvenz.
b) Fragestellung
Ist der Kauf der Gegenstände vom Gesellschafter zu beanstanden? Ist die Stammeinlage ordnungsgemäß erbracht worden? Welche wechselseitigen Ansprüche bestehen?
c) Lösung
Der Kauf des Anlagevermögens vom Gesellschafter erfolgte in engem zeitlichen Zusammenhang zur Bareinlage (Zeitraum bis 6 Monate).
Es liegt keine ordnungsgemäße Erbringung des Stammkapitals und eine Umgehung des § 19 Abs. 5 GmbHG vor (sog. verbotenes Hin- und Herzahlen oder verschleierte [ verdeckte] Sacheinlage). Definition der verdeckten Sacheinlage: der Tatbestand einer verdeckten Sacheinlage ist dadurch gekennzeichnet, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die Sacheinlage dadurch umgangen werden, dass die Gesellschaft zwar eine Bareinlage vereinbart, der Gesellschaft im Ergebnis tatsächlich aber ein anderer Gegenstand als eine Bareinlage zugeführt werden soll. Vgl. Rohwedder GmbHG-Kommentar 4. Auflage, § 19 Rdnr. 121.
Der Gesellschafter muss die Stammeinlage nochmals erbringen; die Verjährung richtet sich nach § 19 VI GmbHG und beträgt 10 Jahre.
Eine Aufrechnungsmöglichkeit scheitert wegen § 19 GmbHG.
Der Kaufvertrag und die zu ihrer Ausführung geschlossenen dinglichen Verfügungsgeschäfte sind entsprechend § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG nichtig (BGH GmbHR 2003, S. 1051). Der Insolvenzverwalter muss daher, wenn der Gegenstand noch vorhanden ist, diesen an den Gesellschafter herausgeben und Nutzungsersatz leisten. Insoweit besteht also ein Aussonderungsanspruch des Inferenten (Einleger). Anders verhält es sich, wenn der Gegenstand nicht mehr vorhanden ist. Dann hat der Inferent zwar auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, diese Ansprüche müssen aber beim Insolvenzverwalter angemeldet werden und er erhält im besten Fall eine Quote.
d) Beratungshinweis
1. Eine Ausnahme von den Grundsätzen zur Vermutung einer verdeckten Sacheinlage gilt bei Vorliegen eines normalen (alltäglichen) Umsatzgeschäftes. Vgl. BGHZ 153, 107 = NJW 2003, 825 Rohwedder / Schmidt Leithoff GmbHG-Kommentar, 4. Auflage, § 19, Rdnr. 126. Die für "normale" Umsatzgeschäfte des täglichen Geschäftsverkehrs geltenden Besonderheiten beruhen darauf, dass die Geschäfte unter dem Aspekt der Lehre der verdeckten Sacheinlage unverdächtig erscheinen, weil sie auch mit jedem beliebigen Dritten hätten abgeschlossen werden können und deshalb die Vermutung für das Bestehen einer Abrede über die Erbringung eines anderen Gegenstandes statt der geschuldeten Geldeinlage nicht tragen können. Vgl. Rohwedder s.o. § 119, Rdnr. 126.
2. Im Gründungsstadium der GmbH kann der Kauf eines Unternehmens oder von Gegenständen, mit denen der vorherige Unternehmenszweck (z.B. der Einzelfirma) maßgeblich herbeigeführt wurde, zu einer Haftung nach § 25 HGB führen, vgl. BGH DB 2004, 1204. Ob eine solche Gefahr vorhanden ist, bedarf einer vertieften Prüfung. Ein Ausschluss der Haftung ist durch geeignete Maßnahmen möglich.
3. Gefahr: Geschäftsvorfälle vor Eintragung der GmbH im Handelsregister
a) Fallbeispiel
Die AB-GmbH wird am 1.1.00 errichtet im Wege der Bargründung. Die Einlagen werden erbracht. Die Gesellschaft wird am 2.1.00 beim Amtsgericht/Handelsregister angemeldet. Die Eintragung der Gesellschaft erfolgt nach 14 Tagen, am 16.1.00. Zwischen Anmeldung und Eintragung bezahlt der Geschäftsführer die Leasingrate für den PKW und die Miete für das Büro.
b) Fragestellung
Waren die Verfügungen korrekt? Durfte der Geschäftsführer bereits Zahlungen leisten?
c) Lösung
Die Versicherung der Gesellschafter, dass die Einlagen ordnungsgemäß erbracht wurden und dem Geschäftsführer frei zur Verfügung stehen, ist falsch.
Es besteht ein Eintragungshindernis der Gesellschaft im Handelsregister.
Die Zahlung der Miete und der Leasingrate ist unzulässig.
Durch diese Zahlungen entsteht eine Unterbilanz, die ausgeglichen werden muss.
Der Anspruch aus Unterbilanzhaftung unterliegt denselben strengen Regeln der Kapitalaufbringung wie die ursprüngliche Einlageschuld. Vgl. BGH GmbHR 2006, 482.
Auch bei der Unterbilanzhaftung ist ein automatisches Erlöschen des Anspruchs durch faktische Zweckerreichung infolge anderweitiger Auffüllung des Haftungsfonds ausgeschlossen.
4. Gefahr: Verwendung einer Vorratsgesellschaft
a) Fallbeispiel
Eine Gesellschaft bietet Vorratsgesellschaften für eine schnelle Verfügbarkeit einer Gesellschaft mit Haftungsbeschränkung an. Die Vorratsgesellschaft 1 wurde im Wege der Bargründung gegründet. Die Stammeinlage wurde voll erbracht. Nach der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister wurde allerdings die Einlage als Darlehn an den Gesellschafter ausbezahlt, der damit die Vorratsgesellschaft 2 gründet. 3 Monate später werden die Geschäftsanteile an der Vorratsgesellschaft 1 verkauft. Vor dem Abschluss des Kaufvertrages wird das Darlehn an die Gesellschaft zurückbezahlt. Nach dem Verkauf wird ein neuer Geschäftsführer bestellt, eine Änderung der Firma vorgenommen und dies nach Anmeldung einen Monat später im Handelsregister eingetragen. Ein Jahr später gerät die GmbH in die Insolvenz.
b) Fragestellung
Welche Ansprüche hat der Insolvenzverwalter? War die Verwendung der Vorratsgesellschaft kontraproduktiv, weil jetzt wesentlich höhere Risiken bestehen als bei der Normalgründung?
c) Lösung
Die Eintragung der Änderung der Firma wird behandelt wie eine wirtschaftliche Neugründung einer Gesellschaft. Es ist eine Offenlegung beim Handelsregister erforderlich, da es sich um eine wirtschaftliche Neugründung handelt bzw. da die Vorratsgesellschaft jetzt erst wirtschaftlich tätig wird.
Es ist eine erneute Ausstattung des zwischenzeitlich inaktiven und damit unternehmenslos gewordenen GmbH-Mantels erforderlich.
Es muss durch sämtliche Geschäftsführer versichert werden, dass das satzungsmäßige Stammkapital (weiterhin) unversehrt zur freien Verfügung des Geschäftsführers vorhanden ist, § 8 Abs. 2 GmbHG.
Ohne diese Versicherung wird die Gesellschaft behandelt wie eine Vorgesellschaft - also wie vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister.
Die Gesellschafter haften für den nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag. Es besteht eine Differenzhaftung (Vorbelastungshaftung), die vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann.
Die Differenzhaftung knüpft an den Zeitpunkt der notwendigen Offenlegung der Ausstattung des Unternehmensträgers mit einem Unternehmen gegenüber dem Registergericht an.
d) Berater- und Literaturhinweise
Bei Verwendung einer Vorratsgesellschaft und deren Wiederingangsetzung findet praktisch eine doppelte Kapitalaufbringung statt:
1. bei der Ersteintragung der Vorrats-GmbH 2. bei erstmaligem Ausstatten der GmbH mit einem Unternehmen
Zur Haftungsvermeidung sollte bis zur Offenlegung durch Anmeldung der einzutragenden Veränderungen gewartet werden. OLG Celle GmbHR 2005, 1496 ff. BGH, GmbHR 2003, 1125 ff. GmbHR 2004, 50 ff. |
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