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08.03.2021 < BGH zum Dieselskandal: Audi haftet vorerst nicht. Vorstand muss Manipulation gekannt haben. .
Information

BGH zum VW und Audi- Dieselskandal: Audi haftet vorerst nicht.
BGH entscheidet im März 2021 und legt Hürde für Kläger im Audi-Diesel Skandal höher.

1. BGH im Audi-Fall: 
Im März 2021 hat der 6. Zivilsenat des BGH unter Aktenzeichen VI ZR 505/19 entschieden, dass Audi wegen eines Einbaus manipulierter Dieselmotoren EA 189 nur dann Schadensersatz zahlen muss, wenn das früherer Management von der Manipulatioln wusste. Allein die Stellung als Tochtergesellschaft im VW Konzern genüge nicht für die Annahme. Das verbraucherfreundliche Vorurteil des OLG Naumburg wurde vom BGH aufgehoben. Der Rechtsstreit wurde zurückverwiesen, um diesen Punkt jetzt zu prüfen.

2. Strafprozess im Audi-Fall
Im Strafprozess müssen sich die Audi-Manager seit einem halben Jahr verantworten. Es wurden 181 Verhandlungstage bis Ende 2022 angesetzt. Quelle: Frankfurter Allgemeines Zeitung vom 9.3.2021, S. 22.
In Deutschland gibt es kein Unternehmensstrafrecht - das heißt: nicht VW hat sich unter Umständen strafbar gemacht, sondern der Vorstand. Daher musss dem Vorstand Kenntnis von den Manipulationen nachgewiesen werden.

Das ist- weil das bestritten wird- den Angeklagten nachzuweisen.

3. BGH im VW Diesel Skandal: 
VW hat laut einer Entscheidung des BGH die Kunden von Dieselfahrzeugen mit einer Abgasabschalteinrichtung sittenwidrig und vorsätzlich geschädigt, BGH, 25.05.2020, VI ZR 252/19.

Leitsatz: Den Käufern von Dieselfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung stehen aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller zu. Die Käufer können Erstattung der für die Fahrzeuge bezahlten Kaufpreise verlangen, müssen sich aber die gezogenen Nutzungsvorteile anrechnen lassen.

Andere Käufer gingen den Weg über den Anscbluss an die Musterfeststellungsklage. Beide Wege führten daher zu einer Entschädigung.

Jedenfalls ist VW durch die Täuschung ihrer Kunden auf Grund der erforderlichen Entschädigungszahlungen an ihre Kunden ein Millardenschaden entstanden, der die Vorteile von VW vielleicht aufwiegen dürfte. Der Rufschaden kann aber nicht beziffert werden. Viele Kunden werden sich nach dem Dieselskandal von der Marke abwenden, weil Sie bitter enttäuscht wurden.

4. Einigung mit zahlreichen Käufern
Volkswagen und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) hatten sich Ende Februar 2020 im "größten Industriebetrug der deutschen Nachkriegsgeschichte" auf einen Vergleich für die Käufer von abgasmanipulierten Dieselautos geeinigt. Die Käufer erhielten ein Angebot für eine Entschädigung, die - je nach Modell und Alter des Fahrzeugs- zwischen 1350 und 6157 Euro lag. In Summe bezahlt(e)VW 830 Millionen Euro.
Angesichts von 10,7 Millionen verkauften Fahrzeugen in 2019  und eines Umsatzes des VW-Konzerns in 2019 von 253 Milliarden Euro (Gewinn:19 Milliarden Euro) war/ist das eine scheinbar niedrige Zahl. 
Durchschnittlich erhielten die Käufer 15 Prozent Entschädigung auf den bezahlten Neupreis, wenn sie das Fahrzeug noch besaßen und das Fahrzeug vor 2016 gekauft haben. 260 000 Kunden waren betroffen.

Prozessual gab es folgende Besonderheit: 

  • 1. Der Vergleich zwischen dem Bundesverband und VW war für die Musterkläger nicht bindend.
  • 2. VW machte den Musterklägern das vereinbarte Entschädigungsangebot (wie oben ausgeführt).
  • 3. Der Bundesverband sollte dann seine Klage zurückziehen.
  • 4. Die Kläger sind dann nicht an den Vergleich gebunden, sondern können frei entscheiden, ob sie das Angebot annehmen oder nicht. 
  • 5. Wenn man das Angebot nicht annahm, konnte man individuell seinen Schaden einklagen, soweit die Ansprüche noch nicht verjährt waren. 
  • 6. Für viele war es eine schwere Entscheidung, da eine Entscheidung der Bundesgerichtshofs (BGH) erwartet wurde. In diesem Fall ging es um die Frage, ob bei der Berechnung der Entschädigung eine sogenannte Nutzungspauschale abgezogen werden darf. Nach der Auffassung von VW wird die Entschädigung um so kleiner, je länger die manipulierten Fahrzeuge von ihren Besitzern gefahren wurden.Nach der gegenteiligen Auffassung ist der Abzug nicht zulässig und VW sollte nicht von den langen Verfahrensdauern profitieren. 
  • 7. Das Vergleichsangebot von VW musste bis Mitte April angenommen werden- die betroffenen Kunden hatten daher die Wahl der Qual:
    - Sicheres schnelles, kleineres Geld oder
    - Weiterklagen und die Aussicht auf mehr Geld- wenn der BGH kundenfreundlich entscheidet.

Eine dritte Option bot ein Prozessfinanzierer an, der die Ansprüche der Kunden kaufen wollte zum Preis des VW-Vergleichsangebots, mit der Chance im weitergeführten Prozess noch mehr zu erzielen, was mit einer bestimmten Quote geteilt werden sollte.

5. Zur Geschichte:
Tausende von Kunden haben Kaufverträge über Diesel-Kraftfahrzeuge abgeschlossen, bei denen die Abgaswerte manipuliert wurden durch eine Software mit Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand.
Mit der Softeware waren allein in Deutschland 2,4 Millionen Diesel der Marken Volkswagen, Audi, Skoda und Seat ausgerüstet, vgl. der Tagesspiegel vom 19.12.2019 S. 19. Davon haben ca. 700 000 Kunden rechtliche Schritte eingeleitet (eigene Klagen oder Anschluss an Sammelklagen eines Prozessfinanzierers oder Musterfeststellungsklagen des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen). 
Keiner der großen Hersteller hat sofort Manipulationen eingeräumt - sondern diese lange geleugnet. Es gab dann updates der Software und angeblich waren alle (bestrittenen) Mängel behoben.

6. Zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen:
Zum 31.12.2019 verjährten nach h.M. Ansprüche der Dieseleigentümer auf Entschädigung wegen der "Schummelsofteware", die z.B. VW in die Motoren des Typs EA 189 eingebaut haben. 
Den Stein hat die US-Umweltbehörde EPA ins Rollen gebracht; die warf VW vor, dass über Jahre hinweg die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen gezielt verfälscht worden sein sollen. VW hat am 20.09.2015 gegenüber der US- Behörde die Vorwürfe eingeräumt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts München haben Kunden seit Herbst 2015 durch Medienberichte Kenntnis von der Schummelsofteware. 45 000 Klagen, die in 2019 eingereicht worden sind, sollen daher verjährt sein. Die Hersteller berufen sich bei solchen Klagen auf die Einrede der Verjährung. 
Nach anderer Auffassung ist keine Verjährung eingetreten. Sie halten das Datum des Rückrufs für entscheidend. Mit dem Rückruf begann z.B. VW im Januar 2016.

7. Rechtliches zu den Ansprüchen
7.1. Nichtigkeit des Kaufvertrages gemäß § 134 BGB
Die Nichtigkeit eines Vertrages gemäß § 134 BGB setzt einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot voraus. Als Verbotsgesetz kommt § 27 Abs.1 S.1 EG- FGV (FahrzeuggenehmigungsVerordnung vom 3.2.2011) in Betracht.
Problem: Übereinstimmung des verkauften von dem genehmigten Fahrzeug.
Aktuelle herrschende Auffassung: Kaufvertrag über abgasmanipuliertes KFZ ist nicht wegen Verstoßes gegen § 134 BGB nichtig.

7.2. Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln
Der Käufer macht regelmäßig bei Mängel erst seine seine Gewährleistungsansprüche geltend bevor er sich auf Nichtigkeit des Vertrages beruft.
7.2.1. Sachmangel
Ein Fahrzeug mit einer Software, die zur Abgasmanipulation dient, ist mangelhaft.
Es liegt ein Sachmangel gemäß § 434 BGB vor, vgl BGH NJW 20019, 1133 ff.
7. 2.2. Nacherfüllung
Der Käufer hat auf der ersten Stufe seiner Gewährleistungsansprüche einen Nacherfüllungsanspruch. Der Verkäufer hat das Recht zur 2. Andienung.
Der Käufer kann also das Fahrzeug nicht einfach von dritter Seite reparieren lassen.
Es ist derzeit völlig umstritten, ob durch das Aufspielen des Softeware- Upatdates eine Nachbesserung bewirkt werden kann. Hierzu liegt keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.
Was passiert, wenn das alte Modell gar nicht mehr gebaut wird?
Nachfolgemodelle haben oft einen großen Änderungsumfang und kosten auch mehr.
Von zahlreichen Gerichten wird aber eine Nachlieferung auch bei einem Modellwechsel  in Betracht gezogen.
Die Besonderheit bei der Nachlieferung beim Verbrauchsgüterkauf:
Der Verkäufer hat keinen Anspruch auf Wertersatz für vom Käufer zwischenzeitlich gezogene Nutzungen, § 475 BGB.

7.2.3  Minderung
Die Minderung kommt in Betracht bei fehlgeschlagener Nacherfüllung, wenn man keinen Rücktritt vom Vertrag erklären möchte. Die Höhe der Minderung ist in § 441 Abs.3 BGB geregelt.
Beim Dieselskandal stehen Minderungsquoten von 10 bis 20 Prozent im Raum.

7.2.4. Rücktritt
Wenn die Nachbesserung oder die Nachlieferung fehlschlägt, kann der Käufer von dem Kaufvertrag zurücktreten.Vor dem Rücktritt ist eine angemessene Fristsetzung erforderlich, vgl. § 326 BGB.
In der Praxis ist eine Frist von 6 bis 12 Monaten angemessen. vgl. OLG München BeckRS 2017, 105163.

8. Deliktische Ansprüche gegen die Hersteller
Bei einer deliktischen Haftung handelt es sich um strafrechtlich begründete Ansprüche, bei denen vom Management gegen Strafrechtsnormen verstoßen wurde und die Pflichtverletzungen zivilrechtlich zu Schaden beim Kunden geführt hat.

8.1. Vorsätzlich sittenwidrige Schädigung
§ 826 BGB regelt Ansprüche des Geschädigten bei einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung.
Hier liegen unterschiedliche Urteile von Oberlandesgerichte vor, z.B. OLG Köln Beck RS 2018, 36568 und OLG Braunschweig DAR 2019, S. 261.Beim Oberlandesgericht Braunschweig läuft das Musterfeststellungsverfahren gemäß § 606 ff ZPO mit über 450.000 Beteiligten.

8.2. Zurechnung der Haftung
Die besondere Problematik für den Anspruch aus § 826 BGB liegt  bei der Zurechnung der Haftung gemäß  § 31 BGB.  Der Hersteller haftet nur für Schäden, die der Vorstand oder ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter einem Kunden zugefügt hat.
Die Darlegungs- und Beweislast liegt hier primär beim geschädigten Käufer.

8.3. Rechtsfolge
Rechtsfolge wäre die Erstattung des bezahlten Kaufpreises, wobei im Wege der Vorteilsausgleichung das Fahrzeug an den Hersteller herauszugeben ist. Einen Wertersatz schuldet der geschädigte Kunde bei diesem Anspruch nicht, weil § 346 BGB, der den Wertersatz regelt, nicht gilt.

8.4. Zinsanspruch
Der Käufer eines VW-Fahrzeugs, in dem ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 verbaut ist, hat einen Anspruch gegen Volkswagen aus vorsätzlich sittenwidriger Schädigung. Der Käufer hat zudem einen weitergehenden Zinsanspruch, OLG Koblenz v. 16.9.2019 – 12 U 61/19.

9. Besonderheit Handelskauf (beide Parteien sind Kaufleute)
9.1 Untersuchungsobliegenheit
Die Abgassofteware konnte bei Auslieferung an einen gewerblichen Kunden oder Kaufmann oder GmbH nicht entdeckt werden. VW kann daher nicht einwenden, man habe gegen die Untersuchungsobliegenheit verstoßen.

9.2. Rügeobliegenheit
Die Rügeobliegenheit hat bei den abgasmanipulierten Dieselfahrzeugen eine Bedeutung.
In den Medien wurde schon seit länger Zeit von Manipulationen berichtet.
Konnte daher der Käufer nicht schon lange den Mangel rügen und ist möglicherweise wegen die Fristablaufs gar keine Rüge mehr möglich?
Helfen könnte aber in solchen kritischen Fällen der Arglisteinwand gemäß § 377 Abs.5 HGB.
Der Händler war und ist angehalten zum Kunden Kontakt aufzunehmen und ihn zu informieren

10. Hinweisbeschluss des BGH deutete bereits auf Sachmangel hin
Der Bundesgerichtshof hatte lange keine Urteil zum Dieselskandal gefällt. Immer kurz vor einer Entscheidung, nahm VW das Rechtsmittel gegen das für die Kläger positive Urteil zurück und der BGH konnte kein letztinstanzliches Urteil fällen. Der BGH hat dies allerdings nicht besonders fair erachtet und daher einen Hinweisbeschluss erteilt für ähnliche Fälle.
Der Bundesgerichtshof hatte in Sachen VW-Skandal folgenden Hinweisbeschluss vom 8. Januar 2019 erteilt.

In diesem Beschluss hat der Senat seine Rechtsauffassung mitgeteilt, dass bei einem Fahrzeug, welches bei Übergabe an den Käufer mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen sein dürfte (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).
Er begründet es damit, dass die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde bestünde und es damit an der Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung (Nutzung im Straßenverkehr) fehlen dürfte.

Die vom Käufer gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB geforderte Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs sei nicht unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), weil der Kläger ein Fahrzeug der ersten Generation der betreffenden Serie (hier: VW Tiguan 2.0 TDI) erworben habe, diese aber nicht mehr hergestellt werde und ein solches Modell auch nicht mehr beschafft werden könne. Denn im Hinblick auf den Inhalt der vom Verkäufer vertraglich übernommenen Beschaffungspflicht dürfte - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - ein mit einem nachträglichen Modellwechsel einhergehender mehr oder weniger großer Änderungsumfang für die Interessenlage des Verkäufers in der Regel ohne Belang sein. Vielmehr dürfte es - nicht anders als sei das betreffende Modell noch lieferbar - im Wesentlichen auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten ankommen. Dies führt jedoch nicht zur Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB; vielmehr kann der Verkäufer eine Ersatzlieferung gegebenenfalls unter den im Einzelfall festzustellenden Voraussetzungen des § 439 Abs. 4 BGB verweigern, sofern die Ersatzlieferung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.


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Hermann Kulzer MBA
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Wirtschaftsstrafrechtler
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Verfasser: Hermann Kulzer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsmediator
 
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