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20.03.2010 Wann ist eine GmbH/ AG insolvent? Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit
Information Wann ist ein Unternehmen insolvent? Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit bei Unternehmen

1. Was bedeutet zahlungsunfähig bzw. Zahlungsunfähigkeit?
Nach der Legaldefinition in § 17 InsO ist ein Schuldner/Unternehmen zahlungsunfähig, wenn er/es nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt Zahlungsunfähigkeit in der Regel dann vor, wenn der Schuldner/in nicht in der Lage ist, seine/ ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen innerhalb von drei Wochen zu auszugleichen. Zielstellung der Insolvenzordnung ist es, das Insolvenzverfahren möglichst frühzeitig einzuleiten, um die Sanierungschancen und die Gläubigerbefriedigung innerhalb eines Insolvenzverfahrens unter Aufsicht des Insolvenzgerichts zu erhöhen.

2. Wie grenzt man Zahlungsunfähigkeit von Zahlungsstockung ab?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seiner Entscheidung vom 24.05.2005 klargestellt, dass eine geringfügige Zahlungsstockung noch keine Zahlungsunfähigkeit bedeutet. Beträgt die Deckungslücke 10% der fälligen Gesamtverbindlichkeiten oder mehr, ist nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird. Beträgt die Deckungslücke weniger als 10%, ist regelmäßig zunächst von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10% erreichen wird. Diese 10%-Grenze stellt eine widerlegbare Beweislastregel und keine Entscheidungsregel für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit dar.

3. Was sind die rechtlichen Konsequenzen der Zahlungsunfähigkeit?
 ie Zahlungsunfähigkeit ist gemäß § 17 I Insolvenzordnung ein allgemeiner Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren, ein sogenannter Insolvenzantragsgrund. Für Geschäftsführer/ Vorstände von Kapitalgesellschaften besteht bei Vorliegen des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit die Pflicht einen Insolvenzantrag zu stellen. ( Beachte: auch die Überschuldung ist ein Insolvenzgrund). Der Insolvenzantrag ist spätestens innerhalb von drei Wochen zu stellen. Die Dreiwochenfrist darf nur dann ausgeschöpft werden, wenn die Beseitigung des Zahlungsunfähigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfolgreich abgeschlossen werden kann. Der Geschäftsführer/Vorstand der verpasst, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen, risikiert strafrechtliche und persönliche zivilrechtliche Inanspruchnahmen. Strafrechtlich spricht manbei verspäteter Insolvenzantragsstellung von Insolvenzverschleppung. Der Geschäftsführer, der wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung verurteilt wird, darf 5 Jahre nicht mehr Geschäftsführer/Vorstand sein. Zivilrechtlich haftet der verschleppende Geschäftsführer/Vorstand auch für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit persönlich.

4. Was sind die organisatorischen Pflichten des Geschäftsführers/Vorstands?
In Phasen der Krise haben die Verantwortlichen des Unternehmens die Zahlungsfähigkeit laufend zu überprüfen durch einen vollständigen und aussagekräftigen Finanzstatus sowie einen rollierenden Liquiditätsplan (Finanzplan). Der Geschäftsführer/Vorstand muss immer einen Überblick über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens haben und muss bei Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit rechtzeitig den Insolvenzantrag stellen. Im Insolvenzfall hat der Geschäftsführer die Beweislast, dass er die Einleitung des Insolvenzverfahrens nicht schuldhaft verschleppt hat. Eine für Dritte nachvollziehbare Dokumentation ist daher unablässig. Weil die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit auch auf Annahmen und Einschätzungen beruht (Zahlungseingänge, Chancen zur Beseitigung der Insolvenzgründe) sollte die Geschäftsleitung regelmäßig einen unabhängigen sachverständigen Dritten hinzuziehen.

5. Prüfungsschritte zur Beurteilung der Zahlungsfähigkeit/Zahlungsunfähigkeit

1.Schritt: Erstellung eines Finanzstatus / Erfassung der relevanten Werte Frage 1: Welche fälligen Verbindlichkeiten bestehen und welche liquiden Mittel sind vorhanden? Es muss ein Finanzstatus erstellt werden. Dazu erfolgt aus dem Rechnungswesen eine inventarmäßige Erfassung aller verfügbaren liquiden Finanzmittel. Auf der Passivseite werden alle fälligen Verbindlichkeiten erfasst.

2. Schritt: Berechnung Liquiditätslücke Frage 2: Wie hoch ist die Lücke der nicht durch liquide Finanzmittel gedeckten fälligen Verbindlichkeiten? Die liquiden Finanzmittel werden von den fälligen Verbindlichkeiten abgezogen. Die Differenz nennt sich Deckungs- oder Liquiditätslücke, d.h. die liquiden Mittel reichen nicht aus um die fälligen Verbindlichkeiten zu befriedigen. Bestand der fälligen Verbindlichkeiten in Euro abzüglich Bestand liquide Mittel in Euro ergibt Deckungslücke (-) in Euro, Im Verhältnis zu den fällligen Gesamtverbindlichkeiten ergibt sich die Deckungslücke in Prozent . Ab 10 % besteht die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit.

3. Schritt: Erstellung Finanzplan/ Ermittlung der Über bzw- Unterdeckung Frage 3: Kann die Liquiditätslücke im Normalverlauf innerhalb von drei Wochen beseitigt werden? Besteht eine Liquiditätslücke muss ein Finanzplan erstellt werden, zunächst für drei Wochen. Darstellung der Ein- und Auszahlungen innerhalb der nächsten drei Wochen unter Berücksichtigung des Zahlungsmittelbestands im Beurteilungszeitpunkt. Ermittlung der Über- bzw. Unterdeckung.

4. Schritt: Darstellung der Ausgleichsmaßnahmen / Ermittlung des Zahlungsmittelbestands unter Berücksichtigung von Ausgleichsmaßnahmen Frage 4: Mit welchen Ausgleichsmaßnahmen kann eine Zahlungsunfähigkeit innerhalb der Dreiwochenfrist beseitigt werden? Kann die Zahlungsunfähigkeit kalkulatorisch nicht innerhalb der Drei-Wochenfrist ausgeglichen werden, müssen Ausgleichsmaßnahmen zur Liquiditätssicherung geprüft und dargestellt werden: Erhöhung der Liquidität durch Kreditaufnahme Erhöhung der Liquidität durch Eigenkapitalerhöhung Erhöhung der Liquidität durch Mezzaninekapital ua. Reduzierung der fälligen Verbindlichkeiten durch Stundung von Forderungen Reduzierung der fälligen Verbindlichkeiten durch Verzicht auf Forderungen.

5. Schritt: Fortschreibung des Finanzplans Frage 5: Kann die Zahlungsunfähigkeit ausnahmsweise nach Ablauf der Dreiwochenfrist sicher ausgeglichen werden? Wenn die Planung für den Dreiwochenzeitraum die Deckungslücke schließt, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor. Es besteht aber die fortlaufende Überprüfungspflicht über den Eintritt der Planung und Korrektur der Ansätze bei Veränderungen. Wenn nach dem Dreiwochenzeitraum eine Deckungslücke von mehr als 10 % der Gesamtverbindlichkeiten verbleibt, ist die Fortschreibung des Finanzplans erforderlich. Die Deckungslücke muss innerhalb „überschaubarer Zeit“ geschlossen werden können. Dieser Zeitraum kann bis zu drei Monate betragen, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke in dieser Zeit vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern gegen ihren Willen ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Wenn die Deckungslücke weniger als 10 % der Gesamtverbindlichkeiten beträgt, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn nicht die Deckungslücke demnächst 10 % oder mehr beträgt oder die Deckungslücke im Planungszeitraum nicht vollständig beseitigt werden kann.

6. Was muss das Strafgericht bei Zahlungsunfähigkeit prüfen?
Das Gericht darf sich nicht auf die Mitteilung der Summen aus dem Liquditätsstatus beschränken, sondern muss alle relevanten kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten und die zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel (also die flüssigen Mittel und kurzfristig einziehbaren Forderungen sowie gegebenenfalls die kurzfristig liquidierbaren Vermögensgegenstände) darstellen(vgl. § 17 Abs. 2 InsO und BGH wistra 2007, 312; 2001, 306, 307; Müller-Gugenberger/Bieneck aaO § 76 Rdn. 57 ff.). Lückenhafte Feststellungen des erstinstanzlichen Strafgerichts z.B. zu „Stillhalteabkommen“ führen zu einer Aufhebung des Urteils, weil sie keine Nachprüfung zulassen, ob die Verbindlichkeiten im Liquiditätsstatus berücksichtigt werden müssen oder nicht. Die Feststellungen des Gerichts müssen genaue Zeitpunkte etwaiger Fristen und Stundungen enthalten. Müller-Gugenberger/Bieneck § 76 Rdn. 57, 62; BGH wistra 2007, 312).

7. Auszug eines Urteils
Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO (vgl. dazu BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit 2) ist hier ausreichend - auch mit Blick auf das Geständnis des sachkundigen Angeklagten - durch die vom Landgericht angeführten "wirtschaftskriminalistischen Beweisanzeichen" (vgl. dazu BGH wistra 2003, 232 m.N.; zum Inhalt eines Liquiditätsstatus BGH wistra 2001, 306, 307; Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht 4. Aufl. § 76 Rdn. 57 ff.) für den Zeitraum ab Ende Juli 2001 belegt. Es ist nicht von einer bloßen Zahlungsstockung im Zeitraum Juli/August 2001 auszugehen. Denn dem Gesamtgeschehensablauf (insbesondere UA S. 25) ist zu entnehmen, dass die geleisteten Baukostenvorschüsse alsbald verbraucht waren und die Zahlungsfähigkeit nicht dauerhaft wiederherstellen konnten. Bereits ab Oktober 2001 bezahlte die R. wiederum nicht die Subunternehmer, die daraufhin erneut die Baustelle verließen.

8. Hinweise
Die Prüfung der Zahlungsfähigkeit/Zahlungsunfähigkeit ist eine Aufgabe, die viel Sorgfalt und die Offenlegung aller wesentlicher Daten bedürfen. Dritte können Hilfestellung leisten bei der Ermittlung der Grundlagen zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit und bei der Erstellung des Finanzstatus und des Finanzplans. Prüfungsstandards bestehen und müssen eingehalten werden. Vorstehende Auskünfte haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und permanente Aktualisierung. Sie ersetzen in keinsterweise die persönliche Beratung z.B. durch Wirtschaftsprüfer oder Fachanwälte für Insolvenzrecht, die in Krisensituationen zwingend erforderlich ist.

Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Rechtsanwalt
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht
 
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