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09.01.2021 DROHENDE HAFT FÜR DAS VORENTHALTEN UND VERUNTREUEN VON SOZIALVERSICHERUNGSBEITRÄGEN UND VERTEIDIGUNG
Information § 266a StGB - Das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und die Beihilfe dazu, sind gemäß §§ 266a Abs. 1, 27 StGB strafbar. 

1. Hohe Aufklärungsquote - lange Verfahrensdauer

Der Verstoß gegen die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen kann gravierende Folgen haben. Jährlich gibt es über 15.000 Verfahren. Die Aufklärungsquote liegt - weil es relativ einfach nachzuweisen ist - bei über 75 Prozent.
Andererseits erlebte ich oft, dass es sehr lange dauert, bis Ermittlungen abgeschlossen sind.
Manchmal dauert das Jahre.
Es besteht oft der "Ehrgeiz", möglichst viel und alles auszuermitteln. 
Wenn die Ermittlungsbehörden ihre Ermittlungen auf "Wesentliches" oder "eindeutige" Zeiten und Fälle beschränken würden, gäbe es viel schnellere Verfahren, Anklagen oder Einstellungen.

2. Echtes Sonder- bzw. Pflichtdelikt/ Täter und Beihilfe

Strafbar macht sich nur der Arbeitgeber und ihm gemäß § 266a Abs. 5 StGB gleichgestellte Personen oder gemäß § 14 StGB für diese handelnde Personen.
Denkbar ist aber auch die Strafbarkeit wegen Beihilfe gemäß § 27 StGB.
Es kommen außerhalb des Unternehmens stehende Dritte oder (in erster Linie) Mitarbeiter, die unter der Geschäftsführung stehen und nicht gemäß  § 14 StGB taugliche Täter sind, in Betracht.
In der Praxis erlebt man regelmäßig, dass auch Arbeitnehmer, die Schwarzgeld erhalten haben, stafverfolgt werden.
Beim Arbeitnehmer ist insbesondere zu beachten, dass er im Hinblick auf mögliche strafprozessuale Folgen wegen einer Beihilfe am Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO im Verfahren gegen seinen Arbeitgeber hat. 

3. Möglichkeit und Zumutbarkeit der Zahlung

Das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen stellt ein echtes Unterlassungsdelikt dar.

Der Tatbestand setzt daher voraus, dass die Erfüllung der Handlungspflicht dem Täter möglich und zumutbar ist (BGH 47, 318, 320).

Wenn es dem Arbeitgeber tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist, die fälligen Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, KANN ER NICHT BESTRAFT WERDEN.

An den Nachweis der Unmöglichkeit der Zahlung WERDEN VON DER RECHTSPRECHUNG HOHE ANFORDERUNG ANGESETZT, da der BGH einen gesetzlichen Vorrang der Verbindlichkeit nach § 28 d ff. SBG IV annimmt und somit diese Forderungen gewöhnlich vorrangig bedienten werden müssen.Auch Die Abführung ist  nicht unmöglich, solange dem Arbeitgeber noch irgendwelche Mittel zur Verfügung stehen. Im Falle der absoluten Zahlungsunfähigkeit zum Fälligkeitszeitpunkt ist eine Unmöglichkeit zweifelsfrei gegeben.

4. Ein falscher Verteidigungsansatz

Ist der Einwand der Zahlungsunfähigkeit gegenüber den Ermittlungsbehörden- also beispielsweise bei einer Anhörung als Beschuldigter-  ratsam?

NEIN. DIESER EINWAND BRINGT SIE IN DIE GEFAHR EINES ERMITTLUNGSVERFAHRENS WEGEN INSOLVENZVERSCHLEPPUNG- DAS KANN NOCH SCHLIMMER WERDEN.  

5. Grundsatz für die Verteidigung

Aufgrund der Risiken und Gefahren ist daher dringend abzuraten, dass ein Angeschuldigter ohne Beratung einfach gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft eine Aussage tätigt oder einfach mal etwas schreibt.

ES GILT DER GRUNDSATZ:  ERST AKTENEINSICHT NEHMEN (LASSEN) - DANN BERATEN LASSEN - UND DANACH (vielleicht) SCHRIFTLICH STELLUNG NEHMEN LASSEN.

6. Mögliche Folgen eines Verstoßes gegen § 266a StGB

Welche Folgen kann ein Verstoß gegen 266a StGB für den Geschäftsführer für das verspätete oder Nichtabführen von Beiträgen haben:
  • Strafrechtliche Verurteilung / meistens Tagessätze- in schweren Fällen Haft
In der Strafgerichtspraxis kann man die voraussichtliche Strafe mit der vereinfachten Formel berechnen:
Pro Mitarbeiter pro Monat, in dem verspätet bezahlt wurde, BETRÄGT DIE STRAFE: 5 Tagessätze 
Beispiel: 10 Arbeitnehmer, deren Beiträge für 2 Monate pflichtwidrig und schuldhaft nicht mehr bezahlt wurden: Gesamtstrafe 10 x 2 x 5 =100 Tagessätze.

Bei schweren Verstößen gelten dieselben Grundsätze wie bei der Steuerhinterziehung

Beispiel: Das Landgericht Landshut hatte einen Angeklagten, der ein Bauunternehmen als Sub-unternehmer betrieb, mit Urteil vom 21. April 2008 unter anderem wegen Steuerhinterziehung und Beitragshinterziehung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten ohne Bewährung verurteilt. Dagegen hatte der Angeklagte Revision eingelegt und die Strafzumessung gerügt. 

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte seine Arbeitnehmer "schwarz" beschäftigte und demzufolge weder Lohnsteuern noch Sozialabgaben abführte. Der dadurch bewirkte Steuerschaden und die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge betrugen jeweils insgesamt fast 1 Mio Euro.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Angeklagten verworfen und grundsätzliche Ausführungen zur Höhe gemacht: 

Der Schaden bestimmt maßgeblich die Höhe der Strafe. Dabei kommt der gesetzlichen Vorgabe des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO indizielle Bedeutung zu, wonach bei einer Hinterziehung in "großem Ausmaß" in der Regel nur eine Freiheitsstrafe, und zwar von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, angedroht ist. Der BGH hat ausgeführt, dass ein großes Ausmaß – wie bereits zum gleichen Merkmal bei Betrug entschieden – dann vorliegt, wenn der (Steuer)Schaden über 50.000 Euro liegt. Das bedeutet, dass jedenfalls bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein wird.
Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht. Bei einem Millionenbetrag wird auch eine Erledigung im Strafbefehlsverfahren regelmäßig nicht geeignet erscheinen, da hier nur eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, verhängt werden kann. 

Die Berechnung der Höhe der Beitragshinterziehung nach § 266a StGB bei Schwarzarbeit richtet sich nach dergesetzlichen Vorgabe in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Danach gilt die Zahlung des Schwarzlohns nicht mehr für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge als Bruttolohnabrede, sondern als Nettolohnabrede, mit der Folge, dass das ausbezahlte Arbeitsentgelt zu einem Bruttolohn hochzurechnen ist. Das führt zu der Konsequenz, dass der Hinterziehungsbetrag höher ausfällt als bei Annahme einer Bruttolohnabrede. 

  • Eintragung ins Zentralregister
  • Eintragung ins Gewerberegister
Eine rechtskräftige Verurteilung wird nicht nur ins BZR eingetragen, sondern - soweit das Strafmaß 90 Tagessätze bzw. drei Monate Freiheitsstrafe übersteigt - auch ins Gewerbezentralregister (§ 149 Abs. 2 Nr. 4 GewO); sie kann daher auch für die Frage der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit eine Bedeutung erlangen.
  • Berufsverbot
Zudem ist ein Berufsverbot gemäß § 70 StGB möglich.
  • Ausschlussgrund als Geschäftsführer
ES ist zu beachten, dass bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von (mindestens) einem Jahr ein Ausschlussgrund im Sinne von § 6 Abs. 2 GmbHG bzw. § 76 Abs. 3 AktG vorliegt, welcher für die Dauer von fünf Jahren eine Tätigkeit des Verurteilten als Geschäftsführer ausschließt. § 28p SGB IV sieht eine Betriebsprüfung min. alle 4 Jahre vor.
  • Zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers
§ 266a Abs. 1 u. 2 StGB ist ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.
Die Haftung des Geschäftsführers besteht in Höhe der nicht abgeführten Beiträge, einschließlich der Zinsen gegenüber der Einzugsstelle.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Geschäfsführer zwar grundsätzlich für vorenthaltene Zahlungen veantwortlich ist, aber nur dann, wenn der Sozialversicherungsträger ihm die Vorsätzlichkeit des Handelns nachweisen kann. 
Die Beweislast liegt bei den Krankenkassen und den Rentenversicherungen.

Werden daher Beiträge aufgrund einer wirtschaftlichen oder administrativ nicht vom Geschäftsführer zu verantwortenden Situation nicht gezahlt, dann müssen die Versicherungsträger dem vermeintlich Verantwortlichen den groben Vorsatz nicht nur unterstellen, sondern auch nachweisen.
  • Keine Restschuldbefreiung
Im Falle einer persönlichen Insolvenz werden auf Antrag des jeweiligen Gläubigers Forderungen aus vorsätzlich unerlaubten Handlungen nicht von der Restschuldbefreiung umfasst.

7. TIPPS UM STRAFE ZU VERMEIDEN: 
  • Keine Schwarzgeldvereinbarungen- und zahlungen
  • Liquiditätsplanung:
    Immer als Geschäftsführer die Liquidität prüfen
  • Der einfachste Weg bei Zahlungsstockung:
    schriftliche Stundungen mit den Gläubigern (Krankenkassen) vereinbaren
  • Keine Zahlungen von Arbeitsentgelt, ohne gleichzeitig SV Beiträge zu bezahlen., notfalls anteilig
  • Keine Einlassung und Auskünfte bei Ermittlungen ohne Anwalt
  • Ein guter Anwalt an der Seite

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Verfasser: Hermann Kulzer, MBA, Fachanwalt, Strafverteidiger bei Insolvenz- und Wirtschaftsstraftaten.
 
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