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13.12.2019 Lohnsteuerfallen und Haftung des Geschäftsführers für Lohnsteuern
Information

Lohnsteuerfallen

I. Haftung des Geschäftsführers nach Insolvenzanfechtung

Die M-GmbH geriet in die Krise. 
Der Geschäftsführer (Gfü) hat fristgemäß die Lohnsteuer beim Finanzamt angemeldet.  
Die Steuerschuld beglich der Gfü verspätet an den Vollziehungsbeamten des Finanzamtes.

Die Finanzamt beantragte auf Grund neuer Forderungen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, das zwei Monate später eröffnet wurde. 

Der Insolvenzverwalter erklärte gegenüber dem Finanzamt bezüglich der Zahlungen für den Zeitraum April bis Juni die Insolvenzanfechtung gemäß § 131 Abs.1 InsO.  Wegen der verspäteten Zahlung war die Anfechtung gegenüber dem Finanzamt erleichtert wegen einer sogenannten inkongruenten Deckung.

Das Finanzamt erstattete den Betrag an die Insolvenzmasse.

Den Geschäftsführer nahm das Finanzamt nach § 69 AO für die angefochtenen- jetzt wieder  offenen Steuerforderung in Haftung. 

Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied, dass der  Geschäftsführer grundsätzlich zur Einbehaltung und fristgerechten Abführung der Lohnsteuerabzugsbeträge verpflichtet ist.

Er habe zwar die Lohnsteueranmeldungen fristgemäß abgegeben, die Beiträge aber nicht bei Fälligkeit abgeführt. Dies stelle eine Pflichtverletzung dar, BFH, Urteil vom 11. 11. 2008; Az. VII R 19/08.

Durch diese Pflichtverletzung sei dem Finanzamt ein Schaden entstanden.

Folgen für die Praxis

Wer kurz vor der Insolvenz die fälligen Steuern verspätet begleicht, läuft Gefahr, dass der Insolvenzverwalter die Zahlungen an  das Finanzamt anficht und  das Finanzamt den Geschäftsführer persönlich in Haftung nimmt, weil die Steuern (wieder) offen sind.

Gerade in der Krise, muss der Geschäftsführer daher darauf achten, die Steuern bei Fälligkeit zu begleichen.

Zahlungen und Nichtzahlungen in der Krise bieten daher besondere Haftungsprobleme für den Geschäftsführer. Man sollte die Risiken kennen und nicht in mögliche Haftungsfallen geraten.

Ohne qualifizierte Rechtsberatung ist dies schwer möglich.

II. Wesentliche Pflicht des Geschäftsführers und die Haftung

1. Prüfpflicht des Geschäftsführers

Der Geschäftsführer  muss immer prüfen, ob seine Gesellschaft zahlungsfähig ist- das heißt ob die fälligen Verbindlichkeiten auch bezahlt werden können.

Er kann bei Liquiditätsstockung versuchen, neue liquide Mittel zu beschaffen- sei es durch Aufnahme von Darlehn oder durch das Verkaufen von Anlage- oder Umlaufvermögen.

Er kann sich um die Stundung der Forderungen bei den Gläubigern bemühen.

Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs hat der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft (GmbH, GmbH & CoKG, AG) 3 Wochen Zeit die Zahlungskrise zu beseitigen.

Wenn dies scheitert, liegt Zahlungsunfähigkeit vor und der Geschäftsführer muss einen Insolvenzantrag stellen.

Wenn er den Antrag gestellt hat, ist der Geschäftsführer nicht von seinen Pflichten zur Zahlung der SV-Beiträge und der Lohnsteuer entbunden.

2. Haftung bei vorläufiger Insolvenzverwaltung

Nehmen wir an, der Geschäftsführer erkennt einen Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung, drohende Zahlungsunfähigkeit) und bereitet den Insolvenzantrag vor.

Die Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer sind fällig.

Der Geschäftsführer reicht den Insolvenzantrag ein- es wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt.

Der Geschäftsführer darf nach dem Beschluss des Insolvenzgerichts - wie üblich in solchen Fällen- nicht mehr über das Gesellschaftsvermögen verfügen ohne Zustimmung des vorläufigen Verwalters.

Die entscheidenden Fragen im Zusammenhang mit Lohnsteuer und den SV-Beiträgen:

Darf der Geschäftsführer vor dem Insolvenzantrag noch die Zahlungen an die Sozialkassen und das Finanzamt leisten oder muss er die Mittel zurückhalten?

Haftet der Geschäftsführer persönlich, wenn die Lohnsteuern nicht bezahlt werden- wenn ja, gibt es Möglichkeiten der Haftung für nicht bezahlte Lohnsteuern zu entgehen?

3. Haftung gegenüber dem Finanzamt

Gemäß § 191 Abs.1 AO kann derjenige durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet.

Nach § 69 AO in Verbindung mit §§ 34, 35 Abgabenordnung (AO) haften die gesetzlichen Vertreter - also bei der GmbH die Geschäftsführer - soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fährlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge (§ 69 Satz 2 AO).

Der Geschäftsführer muss die steuerlichen Pflichten erfüllen (§ 34 Abs.1 AO).

Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Maße verletzt.

Vom Geschäftsführer einer GmbH wird die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 43 Abs.1 GmbHG) abverlangt.

Die Nichtentrichtung fälliger Steuern stellt regelmäßig eine grobe Fahrlässigkeit dar.

Sind die vorhanden liquiden Mittel nicht ausreichend, die Löhne und die Steuern zu 100 Prozent zu bezahlen, darf der Geschäftsführer die Löhne und die darauf anfallende Lohnsteuer notfalls nur unter anteiliger Kürzung bezahlen, vgl. BFH Urteil vom 9.1.1990, BFH/NV S. 412.
Wenn nach Insolvenzantrag ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt wurde, glauben viele Geschäftsführer, dass ab jetzt die Verantwortung auf den vorläufigen Verwalter übergeht und sie keine Zahlungen mehr leisten müssen.

Sie glauben, dass nach der Einsetzung des vorläufigen Verwalters eine persönliche Haftung für die Steuern nicht mehr möglich ist. Das ist leider falsch gedacht.

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass der Geschäftsführer zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflicht nicht durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt gehindert ist.

Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters steht der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers der in Insolvenz geratenen GmbH nicht entgegen (Senatsurteil vom 16. Mai 2017 VII R 25/16, BFHE 257, 515, BStB II 2017, 934).

Denn im Fall der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO) verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim gesetzlichen Vertreter der GmbH (MünchKommInsO/Haarmeyer, 3. Aufl., § 22 Rz 133, 184).

Der vorläufige Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ist kein Vermögens-verwalter i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 AO.

Der GmbH-Geschäftsführer wird durch den vorläufigen Insolvenzverwalter aus seiner Pflichtenstellung also nicht verdrängt.

Ein Dilemma. Was soll/kann man hier tun?

Die Beratung durch einen Fachanwalt wäre dringend ratsam.Er kann Wege aufzeigen und deren Folgen und dann den Weg vorschlagen, der weder strafbar ist, noch zu einer persönlichen Haftung führt.Dies kann man aber nur präventiv machen und nicht wenn das "Kind schon in den Brunnen gefallen ist". Dann gibt es nur noch Schadensbegrenzung.

4. Haftung gegenüber dem Insolvenzverwalter und strafrechtliche Verantwortlichkeit

Der Geschäftsführer erfüllt mit der Nichtabführung der laufenden Steuer den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit und macht sich persönlich ersatzpflichtig.

Es besteht der Interessenkonflikt zwischen der Befolgung der Massesicherungspflicht gemäß § 64 S.1 GmbHG und der Erfüllung der steuerlichen Abführungspflicht.

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 25. 1. 2011 - II ZR 196/ 09 die Klage des Insolvenzverwalters gegen den Geschäftsführer auf Ersatz gemäß § 64 S.1 GmbHG abgewiesen, soweit sie auf Ersatz der Zahlung an das Finanzamt gerichtet war. Die Zahlung war mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftleiters vereinbar im Sinne des § 64 Satz 2 GmbHG.

 Wenn der Geschäftsführer einer GmbH - auch nach Eintritt der Insolvenzreife - fällige Umsatzsteuer und Umsatzsteuervorauszahlungen, ebenso wie einbehaltene Lohnsteuer, nicht an das Finanzamt abführt, begeht er eine mit einer Geldbuße bedrohte Ordnungswidrigkeit nach § 26b UStG oder § 380 AO i. V. m. § 41a Abs.1 Satz1 Nr 2., § 38 Abs.3 Satz 1 EStG und setzt sich außerdem der persönlichen Haftung gemäß §§ 69, 34 Abs. 1 AO aus (vgl. BFH, Urteil vom 27. Februar 2007 - VII R 67/05, ZIP 2007, 1604 Rn. 16 ff. ua.)

Die dadurch bewirkte Pflichtenkollision bewirkt, dass die Zahlung von Umsatz- oder Lohnsteuer als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar anzusehen ist (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 11f.; Urteil vom 29. September 2008 - II ZR 162/07, ZIP 2008, 2220 Rn.16. 

Dies bezieht sich nicht nur auf laufende, erst nach Eintritt der Insolvenzreife fällig werdende Steuerforderungen, sondern auch auf Steuerrückstände.

Zwar erfüllt der Geschäftsführer schon mit der Nichtabführung der laufenden Steuer den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit und macht sich persönlich ersatzpflichtig.

Dennoch besteht der Interessenkonflikt zwischen der Befolgung der Massesicherungspflicht aus § 64 S.11 GmbHG und der Erfüllung der steuerlichen Abführungspflicht fort.

Zum einen ist die freiwillige Nachzahlung der Steuer ein Umstand, der bei der Verhängung und Bemessung der Geldbuße zugunsten des Geschäftsführers zu berücksichtigen ist.

Zum anderen entfällt mit der Nachzahlung auch die persönliche Haftung des Geschäftsführers.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann es dem Geschäftsführer nicht zugemutet werden, wegen des Zahlungsverbots auf die Möglichkeit zu verzichten, die Voraussetzungen für eine Einstellung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens oder jedenfalls für die Verhängung einer geringeren Geldbuße zu schaffen und sich von der persönlichen Haftung für die Steuerschuld zu befreien.

Die Nichtabführung der Steuer ist ein Dauerdelikt, das bei Fälligkeit zwar vollendet, aber erst bei Erlöschen der Abführungspflicht beendet ist (vgl. KG, Beschluss vom 22. September 1997 - 2 Ss 250/ 97, juris Rn. 15; Göhler/ Gürtler, OWiG, 15. Aufl., Rn. 17 vor § 19).

Daher geht es bei der nachträglichen Abführung der Steuer nicht nur um Schadenswiedergutmachung, sondern um die Erfüllung der mit einer Geldbuße bewehrten Pflicht.

 

Wie soll man sich nach den Darstellungen unter I. und II. jetzt richtig verhalten?

Entweder droht das Strafrecht, oder es drohen Ansprüche des Insolvenzverwalters oder es drohen Ansprüche des Finanzamtes und der Krankenkassen.

Wir stehen Ihnen für eine qualifizierte Hilfe gerne zur Verfügung.


Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht
 
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