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Strafklageverbrauch bei Insolvenzverschleppung

Strafklageverbrauch bei Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung

Der Tatbestand der Insolvenzverschleppung verfolgt als abstraktes Gefährdungsdelikt die Intention, die Interessen der gegenwärtigen und vor allem auch der potenziellen künftigen Gläubiger der Gesellschaft zu wahren. Eine entsprechende rechtskräftige Verurteilung führt daher trotz Fortführung eines Unternehmens jedenfalls dann nicht zu einem Strafklageverbrauch, wenn der Täter einen neuen Entschluss zur Unternehmensfortführung gefasst hat.

OLG Hamm 5. Strafsenat | III-5 RVs 88/12, 5 RVs 88/12 Beschluss vom 4. 12. 2012 - III-5 RVs 88/12, wistra 2014, 156 = ZInsO 2014, 897 

Weitere Entscheidungen zum Strafklageverbrauch bei Insolvenzver-schleppung:

OLG München, Beschl. v. 14.06.2012 – 3 Ws 493/12 ZINsO 2013, 736 - 737  m. Anm. Weyand

Eine rechtskräftige Bestrafung wegen Insolvenzverschleppung führt zu einem umfassenden Strafklageverbrauch. Auch wenn der Verurteilte dieselbe juristische Person danach weiter als Organ verantwortlich führt, ist eine erneute Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 15a InsO nur möglich, wenn neue tatrelevante Umstände hinzutreten.

04.12.2012 Beschreibung:
Beschluss | Insolvenzverschleppung: Unterlassener Insolvenzantrag und Strafklageverbrauch | § 15a Abs 4 InsO

Strafklageverbrauch nach rechtskräftiger Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung?


Weitere Beiträge zur Problematik:
Bittman, NZWiSt 2013, 270;
Ebner
, NZWiSt 2013, 356;   
Kring
, wistra 2013, 257;
Weyand, ZInsO 2013, 737.

Eine Entscheidung mit Begründung:

LG Heidelberg - 12.05.2009 – Az.: 9 Ns 22 Js 2024/09

 

Leisatz:
Der rechtskräftige Einstellungsbeschluss nach § 47 II OWiG verbraucht die Strafklage. Diese Wirkung tritt dann nicht ein, wenn neue Tatsachen den Verdacht eines Verbrechens begründen. Offen bleibt, ob dies auch gilt, wenn nur der Verdacht eines Vergehens besteht (Rn.17) (Rn.20) (Rn.21) (Rn.22) (Rn.23).

Tenor
Das Verfahren wird wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt.Die Staatskasse trägt die Verfahrenskosten einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Gründe
I. 1. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft, der am 11. Februar 2009 beim Amtsgericht einging, erließ das Amtsgericht Heidelberg am 17. Februar 2009 gegen den Angeklagten einen Strafbefehl, in dem ihm folgende - rechtlich als Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen gemäß §§ 185, 52 StGB gewürdigte - Tat zur Last liegt:

Am 19.11.2008 gegen 0.20 Uhr beleidigten Sie in Heidelberg, A-str./B-Str. PHM X und POM Y, indem Sie den Polizeibeamten den sogenannten „Stinkefinger“ zeigten, um Ihre Missachtung auszudrücken. Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.

Nachdem der Angeklagte gegen den ihm am 20.02.2009 zugestellten Strafbefehl mit Schreiben vom 25.02.2009 am 02.03.2009 und damit fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, wurde er durch Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 19. März 2009 wegen Beleidigung zu der Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20,- € verurteilt.

Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte fristgerecht Berufung mit dem Ziel des Freispruchs ein.

1. Auf die zulässige Berufung ist das Verfahren gemäß § 206 a I StPO, der in jeder Lage des Verfahrens und daher auch im Berufungsverfahren zu beachten ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 206 a, Rn. 6; Ruß in KK StPO, 4. Auflage, § 327, Rn 3 jew. mit weiteren Nachweisen), einzustellen.
Die auch im Berufungsverfahrens von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt nämlich, dass dem vorliegenden Verfahren die anderweitige Rechtshängigkeit eines früheren Verfahrens entgegen steht, dem dieselbe Tat zugrunde liegt. Dies lässt eine wesentliche Prozessvoraussetzung entfallen.

Gegenstand des Bußgeldverfahrens beim Amtsgericht Heidelberg und des vorliegenden Strafverfahrens ist dieselbe Tat.
Denn das gesamte dem Angeklagten angelastete Verhalten - Kontrolle durch die Polizei, Nichtmitführen von Personaldokumenten, Belehrung und Anzeige einschließlich der Bekanntmachung der Einleitung des Bußgeldverfahrens, anschließende (vom Angeklagten bestrittene) Beleidigung - bildet nach natürlicher Auffassung einen einheitlichen Lebensvorgang, bei dem die einzelnen Handlungsteile so eng miteinander verknüpft sind, dass ihre getrennte Aburteilung in mehreren erstinstanzlichen Verfahren zu einer unnatürlichen Aufspaltung des Vorgangs führen würde (BGHSt 23, 141; 32, 215; OLG Karlsruhe Justiz 1987, 508). Das vorliegende Geschehen konzentrierte sich örtlich auf engstem Raum und ereignete sich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang. Auslöser der dem Angeklagten vorgeworfenen Beleidigung war allein die Kontrolle, die in die Einleitung des Bußgeldverfahrens mündete; die - angebliche - Beleidigung lässt sich mithin auch motivisch nicht von dem den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit begründenden Verhalten des Angeklagten trennen. Dass die Kontrolle gerade beendet war und die Beamten im Begriff waren, den Tatort in ihrem Fahrzeug zu verlassen, ändert daran nichts, zumal der Tatbestand der dem Angeklagten zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit auch jetzt noch erfüllt wurde.
Es liegt daher ein einheitliches Geschehen und mithin eine Tat Sinne von § 264 StPO vor.

Damit ist dieselbe Tat sowohl Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens als auch des Bußgeldverfahrens beim Amtsgericht Heidelberg. Dies begründet für das vorliegende Verfahren das Verfahrenshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit.
Das Bußgeldverfahren beim Amtsgericht, das dieselbe Tat zum Gegenstand hat, wurde früher, nämlich im Januar 2009 rechtshängig, während das Strafverfahren erst im Februar 2009 rechtshängig wurde. Die Rechtshängigkeit endet erst mit Eintritt der Rechtskraft, also mit der Unanfechtbarkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung. Das Bußgeldverfahren wurde aber bislang nicht rechtskräftig abgeschlossen, ist also noch rechtshängig.

Zwar sind Einstellungsbeschlüsse nach § 47 II S. 3 OWiG an sich unanfechtbar. Dies gilt indessen nach einhelliger Rechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe a. a. O. m. w. N.; BGH StV 2002, 294; OLG Karlsruhe Justiz 2000, 403) dann nicht, wenn eine unverzichtbare Verfahrensvoraussetzung für eine Einstellung fehlt. Im Falle des § 47 II OWiG bedeutet dies u.a., dass das Verfahren nur dann nach dieser Bestimmung eingestellt werden kann, wenn dem verfahrensgegenständlichen Tatgeschehen ausschließlich Ordnungswidrigkeiten zugrunde liegen. Umfasst dieses jedoch auch eine Straftat, scheidet § 47 II OWiG von vornherein aus. Wird das Verfahren gleichwohl nach dieser Bestimmung eingestellt, steht der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit der einfachen, also unbefristeten Beschwerde nach § 304 StPO zu, die zur Fortsetzung des Verfahrens zwingt und mithin die Rechtshängigkeit des Bußgeldverfahrens nicht beendet (vgl. OLG Karlsruhe Justiz 1987, 508).

Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies:

Da das dem Angeklagten zur Last gelegte Geschehen nicht nur den Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit, sondern auch den einer Beleidigung, also einer Straftat, umfasst, wäre der zuständige Richter beim Amtsgericht gehalten gewesen, nach § 81 OWiG zu verfahren und das Bußgeldverfahren in ein Strafverfahren überzuleiten. Hierzu wäre er ohne weitere Beweiserhebungen auch deshalb verpflichtet gewesen, weil sich bereits aus den ihm vorgelegten Akten der Verdacht der Beleidigung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ergab. Bei dieser Sachlage erweist sich die Einstellungsentscheidung als in jeder Hinsicht gesetzwidrig, da die engen Voraussetzungen von § 47 II OWiG nicht erfüllt waren. Dies berechtigt die Staatsanwaltschaft zur Einlegung der unbefristeten Beschwerde, auf die sie bislang nicht verzichtete. Deshalb ist das Bußgeldverfahren mangels rechtskräftigen Abschlusses nach wie vor beim Amtsgericht Heidelberg rechtshängig.

Dies begründet für das vorliegende Verfahren ein nicht zu beseitigendes Verfahrenshindernis. Deshalb muss das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung gemäß § 206 a StPO durch Beschluss eingestellt werden.

In der genannten Entscheidung führte der BGH aus, eine gerichtliche Entscheidung nach § 153 II StPO führe zu einem beschränkten Strafklageverbrauch. Eine derartige Beschränkung erfordere schon der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 III GG ergebende Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Diese Verfassungsnorm schütze grundsätzlich das Vertrauen darauf, dass die mit abgeschlossenen Tatbeständen verknüpften gesetzlichen Rechtsfolgen anerkannt bleiben. Damit wäre es - auch jenseits von Art. 103 III GG - unvereinbar, wenn ein Sachverhalt, der richterlicher Würdigung unterzogen wurde, jederzeit in einem erneuten Verfahren wiederum zum Gegenstand richterlicher Entscheidung gemacht werden könnte. Dem stünde auch die Regelung des § 153 II S. 4 StPO entgegen, die eine Unanfechtbarkeit des Einstellungbeschlusses vorsehe. Entscheidend ist daher nicht, ob der Einstellungsentscheidung nach § 153 II StPO überhaupt eine strafklageverbrauchende Wirkung zukommt, sondern nur die Bestimmung von deren Grenzen . Insoweit bildet die Regelung des § 153 a I S. 5 StPO eine maßgebliche Schranke. Wenn sogar für die Einstellung unter einer Auflage die spätere Verfolgung der Tat als Verbrechen noch möglich bleibt, können für die Einstellung nach § 153 StPO, die dem Beschuldigten kein Opfer abverlangt, keine weiteren Anforderungen gelten. Deshalb wird ein erhöhter Schuldgehalt immer dann ein erneutes Aufgreifen des Verfahrens rechtfertigen, wenn sich die Tat nachträglich als Verbrechen darstellt.

Diese Entscheidung ist zwar nicht ohne Widerspruch geblieben (vgl. LR-Beulke, StPO, 26. Auflage, § 153, Rn. 90, 91; Krehl in Heidelberger Kommentar zur StPO, 3. Auflage, § 153, Rn. 28; KMR-Plöd, § 153 StPO, Rn. 37). Allerdings halten auch diese Autoren daran fest, dass eine Verfolgung derselben Tat nach vorangegangener gerichtlicher Einstellung gemäß § 153 II StPO nur beim Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweismittel in Betracht kommt.

Zwar hat die Kammer zu bedenken, dass die Entscheidung des BGH zu § 153 StPO nicht ohne weiteres auf die Einstellung nach § 47 II OWiG übertragen werden kann, weil sich beide Bestimmungen nicht unerheblich unterscheiden. Anders als § 153 II StPO, der die Einstellung u. a. von der Zustimmung des Angeschuldigten abhängig macht, erlaubt § 47 II OWiG dem Gericht, auch ohne Zustimmung des Betroffenen das Verfahren einzustellen.

Soweit daraus abgeleitet wird, die fehlende Zustimmung des Betroffenen zur Einstellung nach § 47 II OWiG begründe kein schutzwürdiges Vertrauen in die Unabänderlichkeit der Entscheidung (so aber OLG Hamm VRs 100, 361), kann dem die Kammer nicht folgen. Denn der Vertrauensschutz hängt nicht davon ab, ob der Betroffene an der Einstellung des Verfahrens mitwirkt oder nicht. Wesentlich für ihn ist allein der im rechtskräftigen Einstellungsbeschluss zum Ausdruck kommende Wille des Gerichts, das Verfahren zu beenden. Allein dies rechtfertigt sein Vertrauen in die Endgültigkeit des Verfahrensabschlusses. Dieses Vertrauen kann nicht durch einseitige Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden untergraben werden, indem die Rechtskraft der verfahrensabschließenden Entscheidung gleichsam rückgängig gemacht wird, auch wenn dies der materiellen Gerechtigkeit entsprechen mag. Eine Durchbrechung der Rechtskraft kann allenfalls durch den Gesetzgeber geregelt werden, wie dies etwa in § 153 a I S. 5 StPO oder den Vorschriften über die Wiederaufnahme eines Verfahrens geschah. Diese Erwägungen sprechen eindeutig dafür, auch dem rechtskräftigen Einstellungsbeschluss nach § 47 II OWiG selbst dann einen Strafklageverbrauch beizumessen, wenn sich die Tat als Vergehen, mithin als Straftat und damit qualitativ deutlich gewichtigerer Verstoß gegen die Rechtsordnung als eine Ordnungswidrigkeit, darstellt.

Unabhängig hiervon liegen keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vor, die unter Zugrundelegung der vom überwiegenden Schrifttum vertretenen Ansicht eine Durchbrechung der Rechtskraft der Einstellungsentscheidung gestatten soll. Denn die dem Angeklagten jetzt zur Last liegende Beleidigung war dem Richter im Bußgeldverfahren bekannt, wie der oben erwähnte Vermerk des PHM X und die Einlassung des Angeklagten zeigen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 I StPO.

Quellenangaben zum Strafklageverbrauch bei Einstellungen:
LR-Beulke, StPO, 26. Auflage, § 153, Rn. 90, 91; Krehl in Heidelberger Kommentar zur StPO, 3. Auflage, § 153, Rn. 28; KMR-Plöd, § 153 StPO, Rn. 37



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