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Insolvenzrecht A bis Z
Faktischer Geschäftsführer
Als Täter eines Insolvenzstrafdelikts kommt auch der faktische Geschäftsführer in Betracht.

Faktischer Geschäftsführer ist nicht nur derjenige,  der ohne wirksame Bestellung de facto die Position eines Geschäftsführers in der GmbH inne hat, sondern auch derjenige, der ohne förmliche Bestellung und Eintragung in das Handelsregister im Einverständnis der Gesellschafter die Stelle eines Geschäftsführers einnimmt (Karsten Schmidt, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz Rz. 96).

Es kommt nach den jeweiligen Umständen darauf an, wenn der eigentliche " "Boss" ist.

In einer grundlegenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof auf nachfolgende Umstände abgestellt:
 
  • Pflege der Geschäftsbeziehung
  • Verhandlung von Verträgen
  • Verhandlung mit Banken
  • Identifikation des Unternehmens in der Ich-Form
  • Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern
  • Ausstellung von Zeugnissen
  • Beauftragung des Steuerberaters für die Führung der Geschäftsbücher,

        vgl. BGH v. 22.9.1982 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118

    Für die deliktische Haftung gemäß § 823 II BGB als faktischer Geschäftsführer ist es erforderlich, daß der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft -durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat. Nicht ausreichend ist die interen Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung.

    BGH, Urteil vom 27. 6. 2005 - II ZR 113/03


    Auch im medienwirksamen Schlecker-Prozess war die tatsächliche Geschäftsführung Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung, in der das LG Stuttgart die Kinder des langjährigen Unternehmensinhabers Anton Schlecker aufgrund ihrer Tätigkeit als faktische Geschäftsführer zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt hat. 


    Fragen zur Haftung oder anderen Fragen zum Insolvenz- und/ioder Gesellschaftsrecht?


    Hermann Kulzer
    Fachanwalt für Insolvenz- und Gesellschaftsrecht
    Rechtsanwalt

    kulzer@pkl.com
    0351 8110233


  • 12.08.2021 Faktischer Geschäftsführer: Voraussetzungen, Rechtsprechung, Strafbarkeit ua.
    Information

     

    I. Faktischer Geschäftsführer: was ist das?

    Ein faktischer Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft mit Einverständnis der Gesellschafter ohne jedoch förmlich bestellt worden zu sein. Er übernimmt "faktisch" die Leitung  und übt diese tatsächlich aus.

    Er hat gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung oder zumindest das deutliche Übergewicht, BGH, 3 StR 287/82, 3 StR 101(00, 5 StR 407/12. 

    II. Überragende Stellung des "Leiters"

    Eine überragende Stellung und ein Übergewicht liegen nach der Rechtsprechung vor, wenn die Tätigkeit sechs der acht klassischen Merkmale im Kernbereich der Geschäftsführung umfasst und dem bestellten Geschäftsführer im Vergleich insoweit nur noch untergeordnete Tätigkeitsbereiche verbleiben. 

    Der 
    BGH, Urteil vom 10. 5. 2000 – 3 StR 101/00; LG Hildesheim (lexetius.com/2000,691) führt zur überragenden Stellung aus: 

    "Weitere Voraussetzung für einen faktischen Geschäftsführer ist, daß er gegenüber dem formellen Geschäftsführer die überragende Stellung in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung einnimmt oder zumindest das deutliche Übergewicht hat (BGHSt 3, 32, 37; 31, 118, 122)."

     

    III. Wann ist man faktischer Geschäftsführer / Sechs von acht Regel

    Das frühere Bayerische Oberste Landesgericht hatte einen Katalog entwickelt zur Prüfung des Vorliegens einer faktischen Geschäftsführung, BayObLG, Urteil vom 20. Februar 1997 - 5 St RR 159/96, NJW 1997, 1936.

     Dieser Katalog wurde auch vom 
    BGH übernommen. 

    Es ist die sogenannte “Sechs-von-acht-Regel". 
    Danach muss eine faktische Geschäftsführung in sechs der nachfolgend genannten acht Geschäftsfelder eines Unternehmens umfassen: 

    1. Bestimmung der Unternehmenspolitik
    2. Unternehmensorganisation
    3. Einstellung von Mitarbeitern
    4. Gestaltung der Geschäftsbeziehung zu Vertragspartnern
    5. Verhandlung mit Kreditgebern
    6. Höchste Gehaltsstufe in der GmbH
    7. Entscheidung von Steuerangelegenheiten 
    8. Kontrolle der Buchhaltung. 

    Aber auch bei der Verwirklichung von weniger als sechs der vorgenannten Merkmale kann im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ein Übergewicht angenommen werden, wenn die zu beurteilende Tätigkeit für die Gesellschaft überragend ist und die Unternehmensentwicklung hierdurch über einen längeren Zeitraum entscheidend geprägt wird, vgl. Landgericht Augsburg, 2 Qs 1002/14.

     

    IV. Auszug aus zwei Entscheidungen

    1. Entscheidung des 
    BGH, Urteil vom 10. 5. 2000 – 3 StR 101/00; Randnummer 18. 4.  LG Hildesheim (lexetius.com/2000,691)

    "Der Angeklagte war faktischer Geschäftsführer, da bei ihm die dargestellten Voraussetzungen vorliegen. Nach den Feststellungen bestimmte er sowohl nach innen als auch nach außen allein die Unternehmens-leitung und traf alle wesentlichen wirtschaftlichen und kaufmännischen Entscheidungen. Innerhalb der P GmbH kam ihm die überragende Stellung zu.
    Er beherrschte den formellen Geschäftsführer, der lediglich als "Strohmann" fungierte und eigenverantwortlich keine unternehmerische Entscheidung von Bedeutung treffen konnte, in vollem Umfang. Nach außen handelte der Angeklagte auf Grund einer ihm vom formellen Geschäftsführer erteilten Generalvollmacht."

    2. 
    OLG München, Endurteil v. 23.01.2019 – 7 U 2822/17

    "Eine faktische Geschäftsführung kann angenommen werden, wenn der im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer tatsächlich keiner Geschäftsführertätigkeit nachkommt, sich aus den Buchführungsunterlagen keine wie auch immer geartete geschäftliche Tätigkeit des eingetragenen Geschäftsführers ergibt, stets nur der "faktische Geschäftsführer" in Erscheinung tritt und der nominelle Geschäftsführer die Geschäftsführung dem "faktischen Geschäftsführer" überlässt und sich nicht weiter darum kümmert. (Rn. 29)."

    V. Abgrenzungsprobleme

    1.  Existiert ein eingetragener Geschäftsführer, ist grundsätzlich dieser für die  Belange der GmbH allein verantwortlich. 

    2. Die Qualifikation des Geschäftsführes für  dieses Amt wird vorausgesetzt. 

    3. Das Vorhandensein eines eingetragenen Geschäftsführers ist ein Indiz dafür, dass dieser die Geschäftsführung auch tatsächlich und faktisch innehat. 

    4. Wenn - trotz des Vorliegens eines eingetragenen Geschäftsführers- ein anderer die Geschäftsführung übernommen haben soll, fordert der BGH, dass der faktische Geschäftsführer den eingetragenen Geschäftsführer 
    a) im Außenbereich, also gegenüber Geschäftspartnern, verdrängt.
    b) im Innenbereich den eingetragenen Geschäftsführers zum " Befehlsempfänger"  degradiert
    c) während der “faktische Geschäftführer” im Außenbereich wie ein Geschäftsführer auftritt
    d) ein gleichberechtigtes Auftreten nebeneinander nach außen genügt 
    nicht
    e)Die nur punktuelle Führung der GmbH durch eine faktische Geschäftsführung reicht nicht aus.

    Fazit: Einen faktischen  Geschäftsführer wird es neben dem eingetragenen Geschäftsführer nur unter ganz besonderen Umständen in absoluten Ausnahmefällen geben.

    VI. Änderungen durch Neufassung des § 15 a InsO?

     

    Durch die Neufassung des § 15a InsO hat die (strafrechtliche) Haftung des faktischen Geschäftsführers bei Insolvenzverschleppung keine Änderung erfahren. Dies ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs inzident bejaht worden (Beschluss vom 21. August 2013 - 1 StR 665/12NJW 2014, 164; Beschluss vom 26. Mai 2009 - 4 StR 10/09).

    insoinfo
    Verfasser: Hermann Kulzer MBA, Fachanwalt für Insolvenz und Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsstrafverteidiger
    20.11.2014 Wann ist man ein faktischer Geschäftsführer und was sind die Folgen ?
    Information Grundsätzlich ist Adressat der Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a I InsO der Geschäftsführer und zwar jeder Einzelne, unabhängig von einer internen Aufgabenverteilung der Geschäfts-leitung sowie der Ausgestaltung der Vertretungsmacht.

    Jedoch kann auch ein nicht bestellter Geschäftsführer zivil- und strafrechtlich haften, wenn er die Aufgaben des Geschäftsfühers wahrnimmt - also wie ein Geschäftsführer auftritt und die Pflicht zur Insolvenzanmeldung verletzt. 
    Wer wie ein Geschäftsführer auftritt, ist  faktischer Geschäftsführer.
    Oft ist es der insolvente Ehemann, der auf Grund einer Strafe oder Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht mehr als Geschäftsführer auftreten kann und daher seine Frau oder Freundin als Geschäftsführer eintragen läßt, tatsächlich aber die Geschäfts alleine führt.
    Zum faktischen Geschäftsführer und seinen Pflichten einige Hinweise auf Urteile/Beschlüsse des Bundesgerichtshofs.

    1. Wer ist Geschäftsführer?
    Geschäftsführer ist auch, wer ohne förmliche Bestellung die Stellung eines Geschäftsführers tatsächlich einnimmt, BGH. Beschluss vom 23.01.2013 - 1 Str 459/12

    2. Wann liegt eine faktische Geschäftsführung vor?
    Der faktische Geschäftsführer muss auch Geschäftsführerfunktionen in maßgeblichen Umfang übernommen haben. Die Rechtsprechung fordert:
    • ein Übergewicht (BGH, Urteil vom 19.Aproil 1984 - 1 StR 736/83
    • überragende Stellung (BGH, Urteil vom 22.09. 1982 - 1 StR 736/83
    • das deutliche Übergewicht (BGH Beschluss vom 13.12.2012 - 5 StR 407/12)
    Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 23.01.2013 - 1 StR 459/12 darauf hingewiesen, dass allein der Hinweis darauf, dass der Angeklagte im wesentlichen die Geschicke der Firma bestimmte, nicht genügt. 
    Von den acht klassischen Merkmalen im Kernbereich der Geschäftsführung müssen mindestens 6 erfüllt sein:
    • Bestimmung der Unternehmenspolitik
    • Unternehmensorganisation
    • Einstellen und Kündigen von Mitarbeitern
    • Gestaltung der Geschäftsbeziehung zu Vertragspartnern
    • Verhandlung mit Kreditgebern
    • Gestaltungen der Gehaltshöhen
    • Entscheidungen der Steuerangelegenheiten
    • Steuerung der Buchhaltung
    3. Pflichten des faktischen Geschäftsführers
    Der faktische Geschäftsführer einer GmbH ist nicht nur zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrages verpflichtet, sondern hat auch die haftungsrechtlichen Folgen einer Versäumung dieser Pflicht zu tragen, vgl. BGH, Urt. v. 27.6.2005 - II ZR 113/03, NJW Spezial Heft 9 / 2005 S. 413  und BGH, Urt. v. 11.7.2005 - II ZR 235/03 = NZG H. 19/2005 und NZI 2006 Heft 1 S. 63 ff.

    4. Gefahren für die Gesellschafter
    Seit dem MoMiG droht den Gesellschaftern u.U. zudem eine Mithaftung für Pflichtverletzungen des faktischen Geschäftsführers (§ 6 V GmbHG n.F.).
    Bei Führungslosigkeit trifft die Antragspflicht gemäß § 15a InsO auch jeden Gesellschafter.


    Wenn sie Fragen zur faktischen Geschäftsführung (Geschäftsführerhaftung) oder eine Verteidigung (Insolvenzverschleppung) suchen oder Opfer einer Insolvenzverschleppung sind, stehe ich Ihnen mit Rat und Hilfe gerne zur Verfügung. 

    Kontakt:
    Hermann Kulzer MBA
    Fachanwalt für Iinsolvenzrecht
    Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
    Insolvenzstrafverteidiger
    Teil: 0351/8110233
    Fax: 0351/8110244
    kulzer@pkl.com




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    Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Insolvenzstrafverteidiger

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