I. Was ist das Ziel der Prüfung des Lageberichts gemäß § 317 Abs. 2 HGB, IDW PS 350 n.F.?
- Einklang des Lageberichts mit dem Jahresabschluss (Ergänzungsfunktion) und den bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen
- Lagebericht entspricht den gesetzlichen Vorschriften
- Lagebericht vermittelt insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage des Unternehmens
- zutreffende Darstellung der Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung
- Stellungnahme zur Lagebeurteilung durch die gesetzlichen Vertreter
II. Urteil des OLG Dresden vom 6.2.2014, 8 U 954/11
1.Wann liegt sittenwidriges Verhalten eines WP´s nach Auffassung des OLG DD vor?
Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (ständige Rechtsprechung seit RGZ 48, 114, 124). In diese rechtliche Beurteilung ist mit einzubeziehen, ob das Verhalten nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" geltenden verwerflich machen (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.2012, VI ZR 278/11, Rn. 25; Urt. v. 04.06.2013, VI ZR 288/12, Rn. 14; Urt. v. 03.12.2013, XI ZR 295/12, Rn. 23).
Sittenwidrigkeit liegt im Rahmen der Erteilung von Bestätigungsvermerken durch Wirtschaftsprüfer vor, wenn der Handelnde, der mit Rücksicht auf sein Ansehen oder seinen Beruf eine Vertrauensstellung einnimmt, bei der Erteilung des Testats in einem solchen Maße Leichtfertigkeit an den Tag gelegt hat, dass sie als Gewissenlosigkeit zu werten ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.11.1986, IVa ZR 86/85; BGHZ 145, 187, 202; BGH, Urt. v. 15.12.2005, III ZR 424/04, Rn. 31, Senat, Urt. v. 30.06.2011, 8 U 1603/08; OLG Bremen, OLG-Report 2006, S. 856, 859). Im Bereich der Expertenhaftung für unrichtige (Wert-)Gutachten und Testate kommt ein Sittenverstoß bei einer besonders schwer wiegenden Verletzung der einen Experten treffenden Sorgfaltspflichten in Betracht. Als sittenwidrig ist dabei zu beurteilen, dass der Auskunfterteilende aufgrund des Expertenstatus ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, selbst aber nicht im Mindesten den an einen Experten zu richtenden Maßstäben genügt (BGH, Urt. v. 19.11.2013, VI ZR 411/12, Rn. 10; vgl. auch Staudinger/Oechsler, BGB, Neubearb. 2009, § 826 Rn. 207 f.). Der Sittenverstoß setzt ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten des Wirtschaftsprüfers voraus. Es genügt nicht ein bloßer Fehler des Gutachtens, sondern es geht darum, dass sich der Gutachter durch nachlässige Erledigung, z. B. durch nachlässige Ermittlungen oder gar durch Angaben ins Blaue hinein der Gutachtenaufgabe entledigt und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Gutachtens für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint (vgl. BGH, aaO). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Wirtschaftsprüfer leichtfertig und gewissenlos über erkannte Bedenken hinwegsetzt, bewusst auf eine unerlässliche eigene Prüfung verzichtet oder sich grob fahrlässig der Einsicht in die Unrichtigkeit seines Bestätigungsvermerkes verschließt.
2. Prüfung des Jahresabschlusses (JA) soll Unrichtigkeiten aufdecken
Die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts von Kapitalgesellschaften durch einen Abschlussprüfer (vgl. § 316 HGB) ist zwar keine umfassende Rechts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern nur eine Rechnungslegungsprüfung; sie hat allerdings zum Ziel, dass Unrichtigkeiten und Rechtsverstöße, die sich auf die Darstellung des Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft (§ 264 HGB) wesentlich auswirken, bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2005, III ZR 424/04, Rn. 26).
3. Prüfpflicht und richtige Beurteilung der Lage Der Abschlussprüfer hat gemäß § 317 Abs. 2 HGB die Pflicht zu prüfen, ob die Darstellung im Lagebericht mit den von ihm während der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen im Einklang steht und ob der Lagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens vermittelt. Gemäß § 322 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 und 4 HGB ist nur dann ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk zu erteilen, wenn der Jahresabschluss und damit auch der Lagebericht unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens oder des Konzerns vermittelt. Dabei muss der Lagebericht nicht nur klar und verständlich sein, wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens dürfen vielmehr nicht verharmlost oder verschleiert werden. Entspricht der Lagebericht nicht diesen Anforderungen, sind gemäß § 322 Abs. 4 HGB in ihrer Tragweite erkennbare Einschränkungen bei Erteilung des Bestätigungsvermerkes vorzunehmen.
Bemerkung dazu: Schon in dieser Entscheidung scheint das Gericht davon auszugehen, dass der Lagebericht ein Teil des Jahresabschlusses ist.
Das ist - wie das Gesetz zeigt- nicht so.
Trotz einer fehlerhaften Darstellung der Risiken im Lagebericht hat der Beklagte zu 2) dessen Richtigkeit uneingeschränkt testiert. Dies beruht zur Überzeugung des Senates, die dieser sowohl durch die Sachverständigengutachten als auch aus dem gesamten Akteninhalt gewonnen hat, darauf, dass der Beklagte zu 2) den Lagebericht in gewissenloser Weise unzureichend geprüft hat.
4. Zum Vorsatz Der Beklagte zu 2) hat in der Entscheidung des OLG dabei mindestens mit bedingtem Vorsatz der Drittschädigung gehandelt.
Vorsatz enthält ein "Wissens-" und ein "Wollenselement". Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss - im Fall des § 826 BGB die Schädigung des Anspruchstellers - gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben (BGH, Urt. v. 03.12.2013, XI ZR 295/12, Rn. 23; Urt. v. 20.12.2011, VI ZR 309/10, Rn. 10 mwN). Für die Annahme eines vorsätzlichen Verhaltens genügt es, dass der Abschlussprüfer mit der Möglichkeit rechnete bzw. es sich vorstellte, der Bestätigungsvermerk könne bei Kreditverhandlungen mit einem Geldgeber verwandt werden und diese zu nachteiligen Dispositionen veranlassen (BGH, Urt. v. 26.11.1986 - IVa 86/85, VersR 1987, 262, 263; vgl. OLG München, Urt. v. 12.11.2009 - 23 U 2516/09, juris, Rn. 31) bzw. ein Anleger könne - wie hier - den Jahresabschluss, den Lagebericht oder den erteilten Bestätigungsvermerk zur Grundlage seiner Anlageentscheidung machen (Senat, Urt. v. 30.06.2011 - 8 U 1603/08, DStRE 2013, 59, 64; Meixner/Schröder, WP-Haftung, Rn. 223).
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