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Sittenwidrigkeit |
1. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig, § 138(1) BGB. 2. Die Privatautonomie bedarf eines Korrektivs, die der autonomen Rechtsgestaltung dort eine Grenze setzt, wo sie in Widerspruch zu den Grundprinzipien unserer Rechts- und Sittenordnung tritt. 3. Nach der Rechtsprechung ist ein Rechtsgeschäft sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, BGH 10, 232. 4. Die Nichtigkeit bezieht sich auf das Rechtsgeschäft im Ganzen (BGH NJW 89, 26). 5. Die Nichtigkeit ist von Amts wegen zu beachten (BGH 27, 180). 6. Bürgschaftsverträge sind unwirksam, wenn sie erkennbar Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen sind und für ihn eine nicht hinnehmbare mit seinen Einkommens- u. Vermögensverhältnissen unvereinbare Belastungen begründen, vgl. BGH 254, 206. 7. Bei Bürgschaften von Angehörigen wird auf die zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen bestehende emotionale Verbundenheit abgestellt. Geschützt sind neben dem Bürgen auch der Unterzeichner eines Schuldanerkenntnisses, vgl. Palandt § 138 Rdnr. 38a. 8. Fraglich ist, ob auf Sicherungsgrundschulden die für die Bürgschaft geltenden Grundsätze übertragbar sind, vgl. Palandt § 138 Rdnr. 38c. Eine Ansicht: BGH NJW 02, 2633. 9. Wird der Ehegatte durch die von ihm übernommene Bürgschaft (Mithaftung) krass überfordert, besteht eine tatsächliche (widerlegliche) Vermutung, dass die Mithaftung ohne rationale Einschätzung der Interessenlage und der wirtschaftlichen Risiken aus emotionaler Verbundenheit übernommen worden ist und dass die Bank die emotionale Beziehung zwischen Hauptschuldner und Mithaftenden in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, BGH 05, 971. 10. Ein krasse Überforderung liegt vor, wenn der Bürge (Mithaftende) nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag, BGH NJW 00, 1182.11. Eine krasse Überforderung liegt nicht vor, wenn der Wert des Grundbesitzes des Bürgen größer ist als die Bürgschaftsschuld (BGH NBJW 01, 2466). Dabei sind die Belastungen des Grundstücks mit zu berücksichtigen.12. Sicherungsvertrag der BankEine Gläubigergefährdung im Sinne des § 138 BGB liegt vor, wenn weitere Umstände - etwa eine Täuschungsabsicht, ein Schädigungsvorsatz oder eine besondere Leichfertigkeit hinzutreten - so wenn eine Bank bei einem Sicherungsvertrag leichtfertig über die Belange der Geschäftspartner des Schuldners hinwegsetzt (BGH 20, 50 ff)z.B. Aneignung sämtlicher Werte eines fast insolventen Unternehmens durch Großgläubiger unter Ausnutzung der wirtschaftlichen Machtstellung, BGH NJW 95, 1668; Palandt 78. Auflage, § 138 Rdnr. 86. Für die Sittenwidrigkeit ist ausreichend, dass der Sicherungsnehmer auf Grund seiner Kenntnis von der Vermögenslag des Schuldners mit der Möglichkeit der Täuschung anderer Personen über die Kreditwürdigkeit des Schuldners rechnet (BGH DB 77, 949).Ein Sicherungsvertrag zur Sanierung, ohne dass der Gläubiger die Erfolgsaussichten eingehend und objektiv geprüft hat, ist sittenwidrig, wenn die Möglichkeit besteht, dass Dritte über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden, vgl. BGHG 10, 228; Palandt a.a.§ 138 Rdnr. 86.
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26.11.2024 |
Sittenwidriges Rechtsgeschäfte: Kreditverträge, Überforderung des Schuldners oder von Bürgen und von Angehörigen |
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1. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig, § 138(1) BGB.
2. Die Privatautonomie bedarf eines Korrektivs, die der autonomen Rechtsgestaltung dort eine Grenze setzt, wo sie in Widerspruch zu den Grundprinzipien unserer Rechts- und Sittenordnung tritt.
3. Nach der Rechtsprechung ist ein Rechtsgeschäft sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, BGH 10, 232.
4. Die Nichtigkeit bezieht sich auf das Rechtsgeschäft im Ganzen (BGH NJW 89, 26).
5. Die Nichtigkeit ist von Amts wegen zu beachten (BGH 27, 180).
6. Bürgschaftsverträge sind unwirksam, wenn sie erkennbar Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen sind und für ihn eine nicht hinnehmbare mit seinen Einkommens- u. Vermögensverhältnissen unvereinbare Belastungen begründen, vgl. BGH 254, 206.
7. Bei Bürgschaften von Angehörigen wird auf die zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen bestehende emotionale Verbundenheit abgestellt. Geschützt sind neben dem Bürgen auch der Unterzeichner eines Schuldanerkenntnisses, vgl. Palandt § 138 Rdnr. 38a.
8. Fraglich ist, ob auf Sicherungsgrundschulden die für die Bürgschaft geltenden Grundsätze übertragbar sind, vgl. Palandt § 138 Rdnr. 38c. Eine Ansicht: BGH NJW 02, 2633.
9. Wird der Ehegatte durch die von ihm übernommene Bürgschaft (Mithaftung) krass überfordert, besteht eine tatsächliche (widerlegliche) Vermutung, dass die Mithaftung ohne rationale Einschätzung der Interessenlage und der wirtschaftlichen Risiken aus emotionaler Verbundenheit übernommen worden ist und dass die Bank die emotionale Beziehung zwischen Hauptschuldner und Mithaftenden in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, BGH 05, 971.
10. Ein krasse Überforderung liegt vor, wenn der Bürge (Mithaftende) nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag, BGH NJW 00, 1182.
11. Eine krasse Überforderung liegt nicht vor, wenn der Wert des Grundbesitzes des Bürgen größer ist als die Bürgschaftsschuld (BGH NBJW 01, 2466). Dabei sind die Belastungen des Grundstücks mit zu berücksichtigen.
12. Sicherungsvertrag der Bank Eine Gläubigergefährdung im Sinne des § 138 BGB liegt vor, wenn weitere Umstände - etwa eine Täuschungsabsicht, ein Schädigungsvorsatz oder eine besondere Leichfertigkeit hinzutreten - so wenn eine Bank bei einem Sicherungsvertrag leichtfertig über die Belange der Geschäftspartner des Schuldners hinwegsetzt (BGH 20, 50 ff)z.B. Aneignung sämtlicher Werte eines fast insolventen Unternehmens durch Großgläubiger unter Ausnutzung der wirtschaftlichen Machtstellung, BGH NJW 95, 1668; Palandt 78. Auflage, § 138 Rdnr. 86. Für die Sittenwidrigkeit ist ausreichend, dass der Sicherungsnehmer auf Grund seiner Kenntnis von der Vermögenslag des Schuldners mit der Möglichkeit der Täuschung anderer Personen über die Kreditwürdigkeit des Schuldners rechnet (BGH DB 77, 949). Ein Sicherungsvertrag zur Sanierung, ohne dass der Gläubiger die Erfolgsaussichten eingehend und objektiv geprüft hat, ist sittenwidrig, wenn die Möglichkeit besteht, dass Dritte über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden, vgl. BGHG 10, 228; Palandt a.a.§ 138 Rdnr. 86.
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Verfasser: Hermann Kulzer Fachanwalt MBA |
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