| 1. Begriff und Zweck der BAG
Eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) ist der Zusammenschluss mehrerer Ärzte (oder auch Arzt + Psychotherapeut) zur gemeinsamen Ausübung des ärztlichen Berufs unter gemeinsamer Verantwortung. Sie entspricht der ARGE insoweit, als mehrere selbständig Tätige zu einem einheitlichen Außenauftritt zusammengehen – aber: bei Ärzten steht nicht ein Projekt, sondern die dauerhafte, gemeinsame Patientenbehandlung im Vordergrund. Zivilrechtlich: GbR nach § 705 BGB (Grüneberg, § 705 Rn. 40) [1], [2]; berufs- und zulassungsrechtlich: nur zulässige Kooperationsformen (§§ Ärzte-ZV).
2. Formen
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„Echte“ BAG / Gemeinschaftspraxis: gemeinsamer Patientenstamm, gemeinsame Karteiführung, gemeinsame Abrechnung bei der KV – das ist das eigentliche Gegenstück zur ARGE.
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Teil-BAG / fachübergreifende BAG: nur für bestimmte Leistungen gemeinsam.
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Praxisgemeinschaft: nur Räume/Geräte gemeinsam, keine gemeinsame Behandlung → eher wie „Kooperation“, nicht wie ARGE.
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überörtliche BAG: mehrere Standorte, aber einheitliche Gesellschaft.
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BAG im MVZ-Kontext: BAG als „Untergesellschaft“ eines MVZ.
3. Rechtliche Einordnung und Abgrenzung
Auch die BAG ist regelmäßig eine GbR nach § 705 BGB, mit dem gemeinsamen Zweck „gemeinsame Berufsausübung“ – also genau das, was Grüneberg als typische Ausprägung der projekt- oder zweckbezogenen GbR beschreibt [1], [2]. Besonderheit gegenüber der ARGE: Die BAG muss berufsrechtlich zulässig sein und darf nicht zur verbotenen Zuweisung von Patienten, verbotenen Gewinnbeteiligungen oder Verstößen gegen die ärztliche Unabhängigkeit führen (MBO-Ä). Außerdem brauchen KV-ärzte die zulassungsrechtliche Zustimmung zur gemeinsamen Ausübung.
Man kann das ziemlich gut mit einem kleinen Prüfschema auseinanderziehen. Entscheidend ist immer: Wird ärztlich wirklich gemeinsam ausgeübt – oder nur gemeinsam organisiert?
a. Außenauftritt
b. Patientenbezug
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Gemeinsame Patientenkartei?
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Jeder Arzt darf grundsätzlich jeden Patienten behandeln? ???? BAG
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Streng getrennte Patienten, getrennte Karteien? ???? eher Kooperation/Praxisgemeinschaft
c. Abrechnung
d. Einnahmen & Kosten
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Einnahmen kommen „in einen Topf“ und werden nach Schlüssel verteilt? ???? BAG
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Nur Räume/Geräte/Personal werden geteilt, Honorare bleiben beim einzelnen Arzt? ???? Kooperation
e. Organisation & Verantwortung
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Gemeinsame Terminvergabe, einheitliche Qualitäts-/Hygienevorgaben, gemeinsame Haftung? ???? BAG
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Nur Miet-/Geräte-/Personalsharing? ???? Kooperation
f. Vertrag / Bezeichnung
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Steht drin „gemeinsame Berufsausübung“, „gegenseitige Vertretung“, „Patientenstamm gemeinsam“? ???? BAG
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Steht drin „jeder behandelt eigenverantwortlich“, „getrennte Patienten“, „keine Vertretung nach außen“? ???? Kooperation
Merksatz: Sobald Patient, Abrechnung und Haftung gemeinsam sind → BAG. Wenn nur Räume, Geräte, Personal gemeinsam sind → Kooperation/Praxisgemeinschaft.
4. Wer haftet?
Wie bei der ARGE: nach außen gesamtschuldnerisch. Behandlungsfehler eines Arztes können die ganze BAG treffen, weil nach außen gemeinsame Leistung erbracht wird. Innenverhältnis: Regress gegen den behandelnden Arzt / gegen den, der dokumentiert nicht oder falsch organisiert hat. Das passt zur Linie bei Grüneberg: Beiträge der Gesellschafter werden intern verrechnet, außen haftet die Gesellschaft bzw. ihre Gesellschafter [2]. In der Praxis wird die Haftung aber über Berufshaftpflicht und interne Freistellungsklauseln abgefedert.
5. Gewinn- und Verlustverteilung
Auch hier: vorrangig nach Gesellschaftsvertrag. Üblich:
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Grundquote (z.B. 50/50 oder nach Kapital-/Sachbeiträgen),
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plus leistungsbezogene Komponenten (Fallzahlen, EBM-/GOÄ-Umsätze, Privatpatienten),
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ggf. Zulagen für Praxisorganisation, KV-Vertretung, Weiterbildung. Wenn nichts geregelt ist, greifen wieder die gesellschaftsrechtlichen Regeln (Auseinandersetzung, §§ 730 ff. BGB) – genau wie von Grüneberg für die GbR beschrieben [2].
6. Würdigung des jeweiligen Arbeitseinsatzes
Das ist bei Ärzten besonders heikel (Arbeitszeit vs. Fallzahlen vs. Erlös pro Fall). Typische Modelle:
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Umsatzbezogene Verteilung (wer mehr erwirtschaftet, bekommt mehr),
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Leistungsgruppen (z.B. OP, Diagnostik, Sprechstunde – jeweils mit Punkten),
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Stunden- oder Anwesenheitskomponente,
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Funktionselemente (Praxismanager in Gesellschafterrolle bekommt Zuschlag). Rechtlich ist das durch § 705 BGB gedeckt: die Beiträge dürfen unterschiedlich festgelegt und verrechnet werden [2].
7. Wegfall von Leistungen / Änderungen durch KV oder Patientenstruktur
Das ärztliche Pendant zu „Bauherr ruft Leistungsstufe nicht ab“ ist: KV ändert Budget / EBM / Plausibilitäten oder ein wesentlicher Leistungsträger (z.B. OP-Schiene, Sondervertrag) fällt weg. Dann stellt sich dieselbe Frage wie bei der ARGE: Wer trägt den Erlösausfall? Lösung: Im BAG-Vertrag dynamische Anpassung der Gewinnverteilung vorsehen; ansonsten gilt wie beim Werkvertrag (§ 631 BGB) sinngemäß, dass nur erbrachte Leistungen zu vergüten sind – d.h. fällt das Honorar weg, fehlt auch die Verteilungsmasse [3]. Ohne Anpassung trägt oft der, dessen Leistungsbereich betroffen ist.
8. Krankheit, Tod oder Insolvenz eines BAG-Mitglieds
Zivilrechtlich gelten auch hier die auflösungsanfälligen Regeln der §§ 730 ff. BGB [2]. Deshalb steht in nahezu jedem BAG-Vertrag:
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Die BAG wird fortgesetzt mit den übrigen.
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Der Erbe / Insolvenzverwalter tritt nicht automatisch ein.
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Es gibt einen Abfindungsanspruch nach einer ärztespezifischen Bewertungsformel (meist mit Goodwill-Abschlag, weil Patienten gebunden sind). Ohne diese Klausel müsste eigentlich auseinander gesetzt werden – genau wie Grüneberg es für die GbR beschreibt [2].
9. Beendigung der BAG
Regelmäßig: Kündigung zum Quartals-/Jahresende, Tod, Verlust der Zulassung, Ruhen der Approbation, dauernde Berufsunfähigkeit, schwerer Verstoß gegen Berufsrecht. Dann: Auseinandersetzung nach Gesellschaftsrecht – mit der Besonderheit, dass Patienten, KV-Zulassung, Geräte und Personal nicht einfach „hälftig geteilt“ werden können, sondern eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen ist (wie bei der ARGE). Subsidiär: §§ 730 ff. BGB [2].
10. Rechtliche Besonderheiten / Rechtsprechung
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BAG muss berufsrechtlich zulässig sein (MBO-Ä, Berufsordnung der zuständigen Kammer).
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Zulassungsrecht: Gemeinsame Ausübung oft genehmigungspflichtig (Ärzte-ZV).
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Wettbewerbsverbote / Nachfolge / Mitnahme des Patientenstamms: typische Streitpunkte.
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Dokumentation und Datenschutz: weil alle auf gemeinsame Karteien zugreifen.
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Und genau wie bei ARGE/GbR: Die Rspr. verlangt eine saubere Auseinandersetzung, nicht „du bist raus, also kriegst du nichts“.
11. Gliederung für einen BAG-Vertrag
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Präambel / Zweck (gemeinsame ärztliche Berufsausübung, Standort, Fachgebiete)
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Rechtsform (GbR nach § 705 BGB) [1]
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Zulassungs- und Berufsrechtsklausel (Voraussetzung: KV-Zulassung, Approbation, Kammermitgliedschaft)
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Gesellschafter und Beteiligungen (Stimmrechte, Gewinnschlüssel)
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Leistungs- und Tätigkeitspflichten (Sprechstunden, Dienste, Privatsprechstunde, Vertretung)
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Honorare und Abrechnung (KV-Abrechnung, GOÄ, Privatliquidation, Einzug durch die BAG)
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Gewinn-/Verlustverteilung (Grundquote + leistungsbezogene Bestandteile)
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Haftung und Versicherung (gemeinsame Haftung nach außen; interne Freistellung; Berufshaftpflicht)
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Krankheit, Schwangerschaft, Ruhen der Zulassung (Fortzahlung / Kürzung, Vertretung)
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Ausscheiden, Tod, Insolvenz (Fortsetzungsklausel; Eintritt von Erben ausgeschlossen; Abfindung nach Formel; hilfsweise §§ 730 ff. BGB) [2]
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Wettbewerbs-/Mitnahmeverbote und Patientenunterlagen
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Schlichtung / Gerichtsstand / Schriftform
Damit hast du praktisch das gleiche Raster wie bei der ARGE, nur mit ärztespezifischen „Schaltern“.
12. BAG-Anteil im Falle der Scheidung
Genau wie bei der ARGE:
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Ja, der BAG-Anteil ist grundsätzlich Zugewinn, weil er ein vermögenswertes Recht aus der GbR nach § 705 BGB ist (Grüneberg, § 705 Rn. 40) [2].
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Bewertung: nach der im BAG-Vertrag vorgesehenen Abfindungs-/Bewertungsformel (oft: Substanz + Praxiswert + Goodwill – berufsrechtliche Beschränkungen – Patientenbindung – KV-Risiken).
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Heraushalten: durch Ehevertrag (modifizierter Zugewinn) und durch BAG-Vertrag mit strengen Abtretungs-/Eintrittsverboten; wie bei der ARGE verhindert das nicht den güterrechtlichen Ausgleich, aber drückt den Wert.
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Besonderheit: Wegen der persönlichen Berufsausübung kann der Ehegatte nicht einfach Gesellschafter werden – das stützt die vertragliche Gestaltung.
Fundstellen (analog zu deiner ARGE-Fassung): [1] BGB > § 705 Rechtsnatur der Gesellschaft [2] BGB > § 705 Rechtsnatur der Gesellschaft > Rn. 40 (Grüneberg, BGB, 84. Aufl. 2025) [3] BGB > § 631 Vertragstypische Pflichten beim Werkvertrag (sinngemäße Anwendung bei wegfallenden abrechenbaren Leistungen) |