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Insolvenzrecht A bis Z
Anfechtung
I. Anfechtung nach der Insolvenzordnung
1.1. Anfechtungstatbestände
Nach den vier grundsätzlich unterschiedlichen Anfechtungstat-beständen geregelt in den §§ 129 ff. InsO (Insolvenzordnung) kann innerhalb eines Insolvenzverfahrens angefochten werden:
  • Rechtshandlungen im Zeitpunkt der Krise
  • vorsätzliche Benachteiligungen
  • unentgeltliche Rechtshandlungen
  • Minderung von Gesellschaftskapital
1.2. Ziel der Anfechtung
Massemehrung. Durch die Insolvenzanfechtung soll der Zustand wiederhergestellt werden ohne die anfechtbare Rechthandlung.
Durch die Anfechtung sollen mögliche Befriedigungsvorteile einzelner Gläubiger auf Grund ihrer Schnelligkeit oder Rücksichtslosigkeit rückgängig gemacht werden und dann eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger herbeigeführt werden ( par condicio creditorum)
Vor Verfahrenseröffnung eingetretene Masseschmälerungen bzw. Vermögensverschiebungen kann der Verwalter durch Insolvenzanfechtung rückgängig machen.
1.3. Entstehung und Inhalt
Der Anfechtungsanspruch entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wird durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht. Durch die Anfechtung wird der Anspruch auf Rückgewähr des vom Schuldner weggegebenen Vermögensgegenstands geltend gemacht -durch Klage oder im Wege der außergerichtlichen Einigung / Mediation.
1.4. Anspruchsvoraussetzungen

Es gibt allgemeiine und besondere Anspruchsvoraussetzungen der Insolvenzanfechtung
1.4.1. Allgemeine Voraussetzung: Objektive Gläubigerbenachtei-ligung
Jede Insolvenzanfechtung setzt eine objektive Gläubigerbenach-teiligung voraus. Die Befriedigungsaussichten der Gläubiger hätten sich ohne die streitgegenständliche Rechtshandlung besser darstellen müssen. Anders stellt es sich beispielsweise dar, wenn der Schuldner aus dem unpfändbaren Vermögen etwas leistet.
Dies führt nciht zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung, weil die übrigen Gläubiger sich hieraus nicht hätten befriedigen können (BGH, Urteil v. 27.05.2003 – IX ZR 169/02).
Wenn auch der Insolvenzverwalter den Gläubiger befriedigt hätte, fehlt eine Gläubigerbenachteiligung, vgl. BGH, Urteil v. 19.07.2001 – IX ZR 36/99. 
1.4.2. Besondere Voraussetzungen
Die besonderen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung werden in  §§ 130 – 135 InsO geregelt
  • Anfechtung kongruenter Rechtshandlungen
  • Anfechtung inkongruenter Rechtshandlungen
  • unentgeltlicher Leistungen
  • Verträge mit nahestehenden Personen 
  • Vorsatzanfechtung

Die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen unterscheiden sich je nach Art der Rechthandlung und der zeitlichen Distanz zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Voraussetzung für die Anfechtung ist das Vorhandensein einer  Zahlungsfähigkeit oder drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.
Zahlungsunfähig ist gemäß § 17 InsO, wer nicht in der Lage ist seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Die Zahlungseinstellung ist das nach außen dokumentierte Verhalten des Schuldners, dass er wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen und ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann (BGH 17.02.2004 – IX ZR 318/01). Bei einer Liquiditätslücke von 10 % und mehr kann regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit ausgegangen werden (vgl. BGH, Urteil v. 24.05.2005 – IX ZR 123/04). Weitere Beweisanzeichen für die Zahlungsunfähigkeit sind möglich. 

1.4.2.1. Kongruente und inkongruente Deckung, §§ 130 - 132 InsO
Zur Zeit der Rechtshandlungen gab es schon Vorboten der Insolvenz:
Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag.
Wenn der Gläubiger einen Anspruch gerade auf die vom Schuldner erfolgte Leistung hatte. liegt eine kongruente, bei Verneinung eine inkongruente Rechtshandlung vor.  Zahlungen infolge eines angedrohten oder gestellten Insolvenzantrages - sog. Druckzahlungen - sind inkongruent (vgl. BGH, Urteil v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02).

1.4.2.2. Schenkungsanfechtung/ Unentgeltliche Leistung § 134 InsO
Die angefochtene Zunwendung wurde uentgeltlich erbracht.
Wenn der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zu fließen soll. liegt eine unentgeltliche Leistung vor.

1.4.2.3. Vorsatzanfechtung/ Vorsätzliche Benachteiligung § 133 InsO
Eine Vorsatzanfechtung liegt vor, wenn der Schuldner im dem Vorsatz handelte, seine übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Dem Schuldner muss es auf die Bevorzugung des einen oder die Benachteiligung der anderen Gläubiger ankommen. Zudem muss der Anfechtungsgegner vom Vorsatz des Schuldners positive Kenntnis haben. Im Gegensatz zur Deckungsanfechtung setzt die Anfechtung einer mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommenen Rechtshandlung des Schuldners nicht die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung voraus. Das ernsthafte Risiko einer bevorstehender Zahlungssstörung ist ausreichend. Zahlt der Schuldner in der Kenntnis, nicht sämtliche Gläubiger befriedigen zu können, liegt eine Bevorzugung des jeweiligen Gläubigers und damit der Vorsatz des Schuldners vor.
Bei vorliegen einer inkongruenten Rechtshandlung des Schuldners liegt ein wesentliches Beweisanzeichen für den Vorsatz des Schuldners vor.

1.4.2.4. Kapitalerhaltende Anfechtung
§§ 135- 136 InsO

1.5. Anfechtung im Dreiecksverhältnis
Die Insolvenzanfechtung kommt auch bei Einschaltung Dritter also im Dreiecksverhältnis in Betracht. *
Hier ist die Anfechtung gegenüber dem Leistungsempfänger als auch gegenüber der Mittelsperson möglich (vgl. BGH, Urteil v. 29.11.2007 - IX ZR 121/06).

1.6. Anfechtungszeiträume
Die Anfechtungszeiträume betragen von einem Monat über drei Monaten, 2 Jahren, 4 Jahren, bis zu 10 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

2. Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB
Die Insolvenzanfechtung ist abzugrenzen von der Anfechtung der abgegebenen Willenserklärungen gemäß §§ 119 BGB.
Damit kann die Nichtigkeit und damit die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts ausgelöst werden. Die angefochtene Willenserklärung wird rechtlich so behandelt, als sei sie überhaupt nicht abgegeben worden ( § 142 Abs. 1: "...als von Anfang an nichtig ..." ).
Die Willenserklärung wird daher von Anfang an vernichtet.
Nur wenn der Erklärende bei der Abgabe der Erklärung in einem in den Irrtumstatbeständen umschriebenen Irrtum befindet, kann er seine Erklärung wirksam anfechten. Die zivilrechtliche Anfechtung ist daher ein Gestaltungsrecht
2.1. Anfechtungsgrund gemäß § 119 Abs. 1 BGB
§ 119 Abs. 1 ist verwirklicht, wenn eine unbewußte Nichtübereinstimmung zwischen dem rechtgeschäftlich Erklärten und dem mit der Erklärung rechtsgeschäftlich Gewollten vorliegt.
§ 119 Abs. 1 umfasst zwei Varianten des Irrtums- den Inhaltsirrtum und den Erklärungsirrtum.
2.2. Anfechtungsgrund gemäß § 119 Abs. 2 BGB
Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt der Irrtum über solche Eigenschaften der Sache oder Person, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. Soweit der Anwendungsbereich der kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte reicht, ist die Anwendung des § 119 Abs. 2 BGB ausgeschossen. Auch im Kaufrecht ist eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB möglich, wenn ein Irrtum des Verkäufers vorliegt, denn diesem stehen keine Gewährleistungsansprüche zu, vgl. Alpmann BGB AT 2 14. Auflage 2006 S. 87.
2.3. Anfechtung gemäß § 123 BGB
Zur Anfechtung gemäß § 123 BGB ist berechtigt, wer durch arglistige Täuschung oder Drohung zur Abgabe einer Erklärung veranlasst worden ist. Es handelt sich um einen Motivirrtum: Die Vorstellung des Erklärenden stimmt im Zeitpunkt der Abgabe nicht mit der Wirklichkeit überein.Vorrausetzungen der Anfechtung gemäß 123 BGB:
2.3.1. Täuschungshandlung
Die Täuschungshandlung kann durch positives Tun oder Unterlassen erfolgen. Das Behaupten unzutreffender Tatsachen ist eine Täuschung. Sie kann ausdrücklich oder schlüssig erfolgen. Wer beispielsweise einen Gegenstand kauft, erklärt konkludent, dass er den Kaufpreis bei Fälligkeit zahlen kann und will, vgl OLG Köln, NJW 1976, 740.
Eine Täuschung durch Unterlassen ist von Bedeutung, wenn eine Verpflichtung zur Aufklärung bestand, z.B über wesentliche Unfälle bei Kraftfahrzeugen, vgl BGH NJW 1982, 1386.
2.3.2.  Kausalität zwischen Täuschungshandlung und Irrtum

Durch die Täuschungshandlung muss ein Irrtum erregt, verstärkt oder unterhalten worden sein und dieser muss Einfluss auf die abgegebene Willenserklärung gehabt haben, wobei Mitursächlichkeit genügt, vgl BGH, NJW 1991, 1674.
2.3.3. Arglist des Täuschenden
Der Täuschende muss in Bewußtsein gehandelt haben, dass der Getäuschte durch die Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wird, die dieser ohne die Täuschung überhaupt nicht oder nicht mit dem erklärten Inhalt abgegeben hätte.
Verfahrensweise und Rechtsfolgen der Anfechtung:
Die Ausübung der Anfechtung ist ein einseitiges, rechtsgestaltendes Rechtsgeschäft, mit der der Anfechtungsberechtigte dem Anfechtungsgegner mitteilt( Anfechtungserklärung ), dass er die Willenserklärung wegen eines Willensmangels nicht gegen sich gelten lassen will.
Die Anfechtung muss fristgerecht erfolgen, zB bei Anfechtung nach § 123 nur binnen Jahresfrist, beginnend mit dem Ende der Täuschungshandlung ( § 124 BGB ).
 Mit Zugang der Anfechtungserklärung ist die Willenserklärung gemäß § 142 Abs. 1BGB von Anfang an ( ex tunc ) nichtig.

3. Abtretbarkeit des Anfechtungsansprüchen

Der aus Insolvenzanfechtung folgende Rückgewährsanspruch kann abgetreten werden, vgl. BGH Urt. vom 17.02.2011 IX ZR 91/10 ZIP 23/2011 S. 1114 ff. 

Für Fragen zur Anfechtung stehe ich gerne zur Verfügung



24.11.2018 Anfechtung von Grundschuldbestellungen und Dienstbarkeiten nach AnfG
Information A. Ein Bankkunde versucht die erwartete Zwangsvollstreckung der Bank zu verhindern.

Ein (fast)gescheiterter Versuch.

Die  Bank 1 macht Ansprüche gegen den Schuldner geltend aus der Kündigung eines Firmendarlehns.

Der Schuldner wehrt den Anspruch ab. Er meint die Kündigung kam zu Unzeit. Eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse bestreitet er.
Es verzögert aber die Titulierung des Anspruchs nur.

Der Schuldner ist Eigentümer eines Grundstücks.

Der Schuldner möchte sein Grundstück vor dem Zugriff der Bank schützen und bestellt zu Gunsten eines Dritten eine Grundschuld, die im Grundbuch eingetragen wird.

Diese Grundschuld wird nachrangig nach der hausfinanzierenden Bank 2 eingetragen.

Die Bank 1 erwirkt im Rechtsstreit ein Urteil.

Der Kunde denkt, er hat die Bank 2  jetzt durch die Grundschuldbestellung wirksam behindert gegen ihn zu vollstrecken.
Die Bank betreibt die Zwangsvollstreckung.

Sie lässt eine Sicherungszwangshypothek im Grundbuch eintragen.

Diese steht im Rang nach der zuletzt eingetragenen Grundschuld.

Pfändung
Die Bank pfändet die angeblichen Ansprüche des Schuldners auf Rückgewähr der Grundschulden durch Übertragung, Aufhebung oder Verzicht der im Grundstück des Schuldners eingetragenen Buchgrundschuld und auf Auszahlung des Mehrerlöses für den Fall, dass bei einer Verwertung der Grundschuld ein Betrag erlöst wird, der die durch die Grundschuld gesicherten Ansprüche des Drittschuldners gegen den Schuldner übersteigt.


Auskunftsbegehren
Die Pfändung erstreckt sich auch auf die Nebenrechte wie den Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung aus dem persönlichen Schuldverhältnis, zu dessen Sicherung die Grundschuld bestellt ist, insbesondere die Angabe des Kontostandes bei Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, sowie dem Herausgabeanspruch der Urkunde zu dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft.

Anfechtung
Der Anwalt der Bank ficht gemäß '§§ 3 Abs.1, 4,11 Abs.1 Anfechtungsgesetz(AnfG)die Grundschuldbestellung an.
Die Grundschuld sei ohne Rechtsgrund erfolgt- eine Zweckbestimmungserklärung fehle, eine Gläubigerbenachteiligung läge vor mit Verweis auf BGH WM 1999, 225.

Ferner sei die Grundschuldbestellung vom Schuldner mit dem Vorsatz bestellt worden, seine Gläubiger zu benachteiligen.

Eine Gläubigerbenachteiligung
läge bereits vor, wenn der Gläubigerzugriff verzögert wird, BGH, Beschluss vom 3.11.2005, XI ZA 23/03. 


  Die Kenntnis des Anfechtungsgegners
wird vermutet, wenn Kenntnisse seinerseits vorliegen, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte, wenn Kenntnisse ihrerseits vorliegen, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligt.  

 Der Anwalt fordert den Dritten, der die Grundschuld bestellt bekommen hat auf, einen Rangrücktritt zu erklären nach der eingetragenen Zwangssicherungshypothek.
 

 Was tun?

  Mein Tipp:

  • Schnell anwaltlichen Rat einholen- möglichst vom Fachanwalt.
  • Wenn man nicht reagiert, klagt die Bank. Es können erhebliche Kosten entstehen.  
  • Die Chancen der Prozess zu gewinnen sind gering, wenn die Grundschuld in der Krise bestellt wird und gar keine oder viel geringere Forderungen vorliegen- die Grundschuld also nur andere Gläubiger abhalten soll.
Kann das Verhalten sogar strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen?

Bei einer Kapitalgesellschaft würde eine Bestellung einer Grundschuld nur zum Zweck der Vollstreckungsverhinderung  den Tatbestand des Bankrotts erfüllen- wäre also strafbar, wenn es aufkommt und verfolgt wird.

Bei einer natürlichen Person, muss es genauer betrachtet werden- die strafrechtliche Würdigung soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.


Auskunft
  Man muss auf Grund der oben benannten Pfändung Auskunft über die Forderung erteilen.  
Die andere Seite kann darauf pochen, genaue Informationen zu dieser Forderung zu erhalten.


Die andere Seite kann die eidesstattliche Versicherung der Angaben verlangen.

Wer hier falsche Angaben macht, läuft also auch Gefahr sich strafbar zu machen.

Wenn die Immobilie bereits durch die erstrangige Grundschuld werterschöpfend belastet ist, ist der Nutzen einer zweitrangigen Grundschuld übersichtlich.

Chancen und Riskien stehen oft nicht im Verhältnis.

 
Dafür geht man kein kostenintensives Risiko ein.

Eine anwaltliche Überprüfung ist erforderlich.

 
B) Zur selben Problematik ein anderer Fall, der vom Bundesgerichtshof entschieden wurde
     
Leitsätze des Bundesfinanzhofs vom 30.03.2010, VII R 22/09

1. Die Anfechtbarkeit der Bestellung dinglicher Rechte am eigenen Grundstück folgt aus einer unmittelbaren Anwendung des § 3 Abs. 1 AnfG.

2. Die Gläubigerbenachteiligung liegt schon in der Bestellung dinglicher Rechte, unabhängig von einer sich daran anschließenden Übertragung des Grundeigentums. Die Teilrechte verschlechtern im Fall einer Zwangsvollstreckung die Zugriffslage .

3. Der Anspruchsinhalt des § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG ist nicht auf Fälle der Vermögensminderung durch Veräußerung, Weggabe oder Aufgabe von Vermögensbestandteilen an einen Dritten beschränkt.  .

4. Hat ein Vollstreckungsschuldner ein Nießbrauchsrecht oder ein dingliches Wohnrecht am eigenen Grundstück anfechtbar begründet, hat das FA einen schuldrechtlichen Anspruch auf Duldung des Vorrangs seiner Rechte in der Zwangsvollstreckung.

Tatbestand

I. Nachdem im Jahre 2000 die Wohnung der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) durch die Steuerfahndung wegen des Verdachts auf Schenkungsteuerhinterziehung durchsucht worden war, setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Oktober 2004 Schenkungsteuer fest. Zuvor hatte die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 29. Februar 2000 (UrNr. S 631/2000) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen mit ihrem Sohn und ihrer Tochter gegründet, an der sie mit 2 % und Sohn und Tochter mit jeweils 49 % beteiligt waren. Im selben Vertrag brachte die Klägerin in ihrem Eigentum stehende Grundstücke in diese GbR ein, behielt sich aber jeweils das unentgeltliche Nießbrauchsrecht an diesen Grundstücken vor, das in der Folgezeit auch ins Grundbuch eingetragen wurde. Weiter wurde der Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen ein Rücktrittsrecht eingeräumt; die GbR übernahm eine Buchgrundschuld, während die zugrunde liegende Schuldverpflichtung bei der Klägerin verblieb; für eine von der Klägerin gleichzeitig bestellte --von der GbR ebenfalls übernommene-- Eigentümergrundschuld wurde der Klägerin das Recht zur Valutierung eingeräumt.
Mit notariellem Vertrag vom 14. Dezember 2004 behielt sich die Klägerin auf Lebensdauer das unentgeltliche Wohnrecht an sämtlichen Räumen eines weiteren, von ihr selbst genutzten Anwesens mit der Maßgabe vor, dass der Eigentümer das Gebäude instand zu halten und die Kosten für Schönheitsreparaturen, Strom, Wasser und Heizung zu tragen habe. Die Rechte wurden zusammen als Leibgedinge in das Grundbuch eingetragen. Dieses Grundstück übertrug die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 5. Januar 2005 auf den Sohn, für den zugleich die Eintragung einer Wohnungsreallast für die Nutzung eines Wohnraums samt Küche und Bad/WC während der Dauer des der Klägerin bestellten Leibgedinges bewilligt und beantragt wurde.
Für die Klägerin wurde ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag eingeräumt und dazu eine Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen.

Nachdem Vollstreckungsversuche bei der Klägerin nicht zur Tilgung der Steuerschuld führten, erließ das FA gegen die Klägerin am 31. März 2005 einen Duldungsbescheid, mit dem es die Bestellung der Nießbrauchsrechte im Vertrag vom 29. Februar 2000 (Nrn. 1 und 2 des Bescheids), die Vereinbarung des Rücktrittsrechts in § 11 des Vertrags (Nr. 3), die Einräumung eines Rechts zur Valutierung einer zu bestellenden Eigentümergrundschuld in § 13 des Vertrags (Nr. 4), die Bestellung eines Wohnrechts im Vertrag vom 14. Dezember 2004 (Nr. 5) und die Einräumung eines Rücktrittsrechts sowie die Bestellung der Rückauflassungsvormerkung im Vertrag vom 5. Januar 2005 (Nr. 6) gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 und § 15 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) anfocht.

Das FA werde über Anfechtungen der Grundstücksübertragungen an die GbR und den Sohn die Duldung der Eintragung von Zwangshypotheken, der Pfändung der auf den Grundstücken lastenden Eigentümergrundschulden und der damit zusammenhängenden Rückübertragungsansprüche erwirken und dann die Zwangsversteigerung der Grundstücke betreiben.
Die Klägerin habe den Vorrang dieser zu begründenden Rechte bzw. Pfändungen vor den in den Nrn. 1 bis 6 bezeichneten, von ihr als sonstiger Rechtsnachfolgerin anfechtbar erlangten Rechte nach §§ 11, 15 AnfG zu dulden. Mit einem weiteren Duldungsbescheid focht das FA die mit Vertrag vom 5. Januar 2005 vereinbarte Grundstücksüberlassung gegenüber dem Sohn der Klägerin an.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage der Klägerin blieb hinsichtlich der Anfechtung der Rückauflassungsvormerkung (Vertrag vom 5. Januar 2005) erfolglos, im Übrigen hob das Finanzgericht (FG) den Duldungsbescheid auf.

Die Nießbrauchsbestellungen zu Gunsten der Klägerin seien nicht anfechtbar, weil die Klägerin, die das jeweilige Grundstück bereits mit dem Nießbrauchsrecht belastet auf die GbR übertragen habe, zum einen nicht i.S. der § 3 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 2 Nr. 1 AnfG Sonderrechtsnachfolgerin der GbR als der bezüglich der Eigentumsübertragung an den Grundstücken eigentlichen Anfechtungsschuldnerin sei, zum anderen durch die Bestellung des Nießbrauchs gerade keinen Gegenstand aus ihrem Vermögen weggegeben, sondern sich den weitgehenden wirtschaftlichen Wert der Immobilie bis an ihr Lebensende gesichert habe.

Da die Klägerin durch die bloß schuldrechtlichen, nicht durch Vormerkungen im Grundbuch gesicherten Vereinbarungen eines Rechts zum Rücktritt vom Vertrag und zur Valutierung einer zu bestellenden Eigentümergrundschuld nicht Sonderrechtsnachfolgerin der GbR geworden sei, scheitere die Anfechtung auch insoweit. Gleiches gelte bezüglich der Bestellung des Wohnrechts an dem von ihr bewohnten Hausgrundstück.

Auch diese scheitere mangels Sonderrechtsnachfolge der Klägerin nach ihrem Sohn, da nicht dieser, sondern die Klägerin selbst vor Übertragung des Grundstücks das Wohnrecht bestellt habe und weil sie, wie im Falle der Nießbrauchsbestellung, keinen Gegenstand aus ihrem Vermögen weggegeben habe. Demgegenüber sei die Bestellung und Eintragung der Rückauflassungsvormerkung zu Gunsten der Klägerin gemäß § 3 Abs. 2, § 15 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 AnfG zu Recht angefochten und der Duldungsbescheid insoweit rechtmäßig, weil die Klägerin durch die Vormerkung Sonderrechtsnachfolgerin ihres Sohns als dem eigentlichen Anfechtungsgegner geworden sei und die Durchsetzung der berechtigten Anfechtung der Grundstücksübertragung gegenüber dem Sohn durch die Rückauflassungsvormerkung vereitelt würde.

Gläubigerbenachteiligung liege vor, da das Grundstück bei Vornahme der Rechtshandlung wertausschöpfend belastet gewesen sei und die Klägerin keine gleichwertige Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks erlangt habe.

Die gesetzliche Vermutung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht in § 3 Abs. 2 AnfG und die diesbezügliche Kenntnis des Sohns habe nicht widerlegt werden können.

Gegen die teilweise Aufhebung des Duldungsbescheids richtet sich die Revision des FA.

Es hält die Auffassung des FG für falsch, dass die Bestellung eines Nießbrauchsrechts bzw. eines Wohnrechts durch den Eigentümer für sich selbst nicht gemäß § 3 Abs. 1 AnfG angefochten werden könne, weil es nicht sein könne, dass ein vorsätzliches "In-sich-Geschäft" des Schuldners zum Nachteil des Gläubigers nicht anfechtbar sei, nur weil § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG bei Fremdgeschäften die zusätzliche Voraussetzung aufstelle, dass "der andere Teil" den Vorsatz des Schuldners gekannt habe. Auch aus § 1 Abs. 1 AnfG ergebe sich, dass es entscheidend auf eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne einer Erschwerung der Vollstreckungsmöglichkeiten in den konkreten Gegenstand ankomme.

Entscheidungsgründe

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann das FA nach § 191 der Abgabenordnung denjenigen durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen, der nach dem AnfG verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1996 VII R 35/96, BFHE 181, 268, BStBl II 1997, 17, m.w.N.).
Im Streitfall steht dem FA der mit dem angefochtenen Duldungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung gegen die Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Duldung des Vorrangs seiner Rechte (noch zu erwirkende Zwangshypotheken, Pfändung der auf den Grundstücken lastenden Eigentümergrundschulden und der damit zusammenhängenden Rückübertragungsansprüche) gegenüber den in den Nrn. 1, 2 und 5 des Duldungsbescheids bezeichneten Rechten zu.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG muss dem Gläubiger, soweit es zu seiner Befriedigung erforderlich ist, das zur Verfügung gestellt werden, was durch eine anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist.

Durch die Bestellung des Nießbrauchs habe die Klägerin das unbelastete Volleigentum i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG "aufgegeben". Aus dieser Vorschrift werde deutlich, dass die Anfechtung keine Rechtshandlung zu Gunsten eines Dritten voraussetze, sondern dass auch Rechtsgeschäfte, die der Schuldner mit sich selbst abschließe, angefochten werden könnten. Dass die Belastung zu Gunsten der Klägerin eingetragen worden sei, könne keine Rolle spielen, da sich die Zusammensetzung ihres Vermögens und der in der Verwertung zu erzielende Erlös geändert hätten, und zwar ausschließlich in der Absicht, das FA zu benachteiligen. Durch diese Rechtshandlung sei eine Vollstreckung nur noch über den Weg der Zwangsversteigerung eines nießbrauchsbelasteten Grundstücks und der Vollstreckung in den Nießbrauch möglich. Dieser Weg verspreche neben einer umständlicheren Vollstreckung einen angesichts der Ungewissheit von Dauer und Höhe des Nießbrauchs deutlich geringeren Erlös als eine Zwangsversteigerung des unbelasteten Grundstücks. Durch den Nießbrauch sinke der Verkehrswert des Grundstücks erheblich. In den Nießbrauch könne lediglich durch Pfändung der Mieteinnahmen vollstreckt werden. Wenn aber, wie vorliegend, die Mieterträge vorrangig abgetreten seien, sei eine Vollstreckung nicht möglich.


Der in § 11 AnfG vorausgesetzte Anfechtungstatbestand ergibt sich in der Konstellation des Streitfalls aus einer entsprechenden Anwendung des § 3 Abs. 1 AnfG. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.


Nach ihrem Wortlaut setzt die Norm voraus, dass eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung zu Gunsten eines Dritten vorliegt. Dementsprechend hat der Senat im Urteil vom 14. Juli 1981 VII R 49/80 (BFHE 133, 501, BStBl II 1981, 751), worauf das FG zutreffend hingewiesen hat, ausgeführt, das Anfechtungsgesetz enthalte "nach seinem Wortlaut keinen Anfechtungstatbestand, der es ermöglichte, gegenüber dem Schuldner selbst die zu seinen Gunsten erfolgte Bestellung von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten anzufechten". Dem lag die Überlegung zugrunde, dass grundsätzlich Voraussetzung einer Anfechtung das Ausscheiden eines Gegenstands aus dem Vermögen des Schuldners ist und etwas, was im Vermögen des Schuldners ist, schwerlich in dieses zurückgewährt werden kann.
Der Senat hat in jener Entscheidung allerdings ausdrücklich dahinstehen lassen, ob sich diese Anfechtungsnorm erweiternd auf Fälle anwenden lasse, in denen ein Recht an dem bisher dem Schuldner gehörenden Grundstück zu seinen eigenen Gunsten bestellt werde. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Fall, in dem der Empfänger eines anfechtbar übertragenen Grundstücks dem Übertragenden, dem Schuldner, daran ein Wohnrecht bestellt hatte, nicht abschließend festgelegt (BGH-Urteil vom 13. Juli 1995 IX  ZR 81/94, BGHZ 130, 314). Die Frage, ob es anfechtbar gewesen wäre, wenn sich der Übertragende, der Schuldner, von Anfang an selbst das Wohnrecht bestellt hätte, konnte dort offenbleiben. Denn der Schuldner war in jenem Fall hinsichtlich des Wohnrechts Sonderrechtsnachfolger des Grundstückserwerbers i.S. des § 15 Abs. 2 AnfG (dort § 11 Abs. 2 AnfG a.F.) und als solcher der Anfechtung ausgesetzt

 Im Streitfall ist die Frage, ob § 3 Abs. 1 AnfG nur auf Rechtshandlungen des Schuldners zu Gunsten eines Dritten anwendbar ist, entscheidungserheblich. Denn anders als in den vom BGH entschiedenen Fällen sind hier die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 AnfG nicht gegeben.

Für Fragen zur Anfechtung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.



Kontakt:
 
Hermann Kulzer MBA
Rechtsanwalt,
Fachanwalt
Wirtschaftsmediator

0351 8110233

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
12.01.2018 Insolvenzanfechtung gemäß § 130 InsO (kongruente Deckung) - Muster eines Anfechtungsanschreibens des Insolvenzverwalter
Information

Wenn sie eine Anfechtung- wie das unten angefügte Schreiben - erhalten, muss man nach folgendem Schema prüfen, ob es Chancen gbit, den Anspruch erfolgreich abzuwehren oder ob man lieber schneller zahlt oder sich versucht zu vergleichen.

1. Rechtshandlung -als willentliches Handeln des Schuldners
Liegt oft unstreitig vor

2. Gläubigerbenachteiligung
Muss bei allen Anfechtungstatbeständen vom Insolvenzverwalter nachgewiesen werden.
Sie setzt eine 'Verkürzung der Insolvenzmasse voraus.
Die Frage lautet: "Wie stünde die Insolvenzmasse da, ohne diese angefochtene Handlung ?"

Vorliegend wäre die Insolvenzmasse ohne diese Rechtshandlung höher gewesen- also ist eine Gläubigerbenachteiligung gegeben.

3. Allgemeine Anfechtungsvoraussetzungen der §§ 129 InsO

  • Deckungsanfechtung (kongruente oder inkongruente Deckung)  §§ 130 -132 InsO
  • Unmittelbar benachteiligende Rechtsgeschäfte gemäß '§ 132 InsO
  • Vorsatzanfechtung § 133 InsO
  • Anfechtung unentgeltlicher Leistungen § 134 InsO
  • Rückgewähr von Gesellschafterdarlehn § 135 InsO
  • Rückgewähr von stillen Einlagen § 136 InsO

hier im unteren Musterfall liegt der Fall des  § 130 Abs.1 Nr. 1 InsO vor:

  • Rechtshandlung in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag
  • Schuldnerin muss bereits zahlungsunfähig gewesen sein und 
  • Gläubiger muss die Zahlungsunfähgkeit erkannt haben oder hätte sie erkennen müssen

 

Ob die Schuldnerin bereits zahlungsunfähig war, wird vom Inisolvenzverwalter oft behauptet.
Es muss vom Verwalter allerdings substantiiert dargestellt und nachgewiesen werden.
Allein das Abschreiben der Insolvenztabelle reicht nicht aus. Jede einzelne Forderung muss auf deren Begründetheit und 'Fälligkeit dargestellt werden. Wenn allerdings die GmbH die Insolvenz verschleppt hat, gibt es oft schon Vollsteckungstitel und fruchtlose Vollstreckungen.
Dann bestehen keine Chancen, diesen Punkt erfolgreich zu bestreiten oder zu widerlegen.

Oft wird die Zahlungsunfähigkeit aber nur behauptet und die Nachprüfung zeigt, dass Positionen erst viel später fällig geworden sind, zum Beispiel Schadensersatzansprüche nach Kündigung der Verträge.

Hauptangriffspunkt hhier:

Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit.
Lag sie tatsächlich vor?
Manche Rechtsanwälte schreiben im Rahmen des Forderungseinzugs für Ihre Mandanten: " Wenn Sie nicht bezahlen, ist das ein Nachweis Ihrer Zahlungsunfähigkeit.
Wir werden dann einen Insolvenzantrag stellen."
Durch besonderen Druck soll der Schuldner zur Zahlung gedrängt werden.
Aber genau so etwas soll im Falle einer Insolvenz des Zahlungsempfängers vom Insolvenzverwalter geprüft und rückgängig gemacht werden.

Meist trifft es aber nicht die besonders harten Gläubiger, sondern den "Normalen", der für seine erbrachte Leistung sein Geld erhält und es dann zurückzahlen soll.

Ein Schreiben eines Anwalts, wie oben beschrieben, ist ein "gefundenes Fressen" für den Insolvenzverwalter. Wie will man hier noch bestreiten, dass man von der Zahlungsunfähigkeit keine Kenntnis hatte, wenn der eigene Anwalt davon schreibt und damit drohte.

Die Rechtsprechung des BGH hat sich - zu Gunsten der Anfechtungsgegner- bei Ratenzahlungen wieder erheblicb entschärft  Allein der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung ist kein 'Beweis mehr für eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit.

Schließllich gibt es noch den Einwand der Entreicherung. das heißt die erlangten Mittel  wurden zwischenzeitlich wieder verbraucht. Das ist die letzte Hürde und die Beweislast hat der Entreicherte.

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Musterschreiben einer Anfechtung einer kongruenten Deckung (Leistung und Gegenleistung sind wie vereinbart erfolgt-fanden aber im kritischen Zeitraum statt)

Sehr geehrte Damen und Herren,

in vorstehender Angelegenheit zeige ich vorsorglich nochmals an, dass mit Beschluss des Amtsgerichts Musterstadt - Insolvenzgericht - vom 03.06.2016 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Mustermann GmbH eröffnet und ich zum Insolvenzverwalter bestellt wurde.

Im Rahmen der Verfahrensabwicklung bin ich verpflichtet, die Buchhaltungsunterlagen der Insolvenzschuldnerin auf das Vorliegen von anfechtbaren Tatbeständen hin zu überprüfen.

In diesem Zusammenhang habe ich festgestellt, dass Zahlungen geleistet worden sind, die einer kritischen rechtlichen Würdigung nicht standhalten, da sie der Gläubigergleichbehandlung widersprechen und damit der Anfechtung unterliegen, die hiermit erklärt wird.

Sie erhielten aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin folgende Beträge:

Datum             Betrag in EUR           Verwendungszweck
27.01.2016             1.297,28           Musterverwendungszweck

Die vorgenannte Zahlung in Höhe von 1.297,28 EUR ist anfechtbar gemäß der §§ 129, 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO.


Danach ist eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt hat, wenn die Rechtshandlung in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte.

Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit steht dabei die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

1. Die o. g. Zahlung ist eine Rechtshandlung, die innerhalb des zweiten bzw. dritten Monats vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde.
Der Insolvenzantrag wurde mit Eingang bei Gericht am 23.03.2016 gestellt.

2. Mit Ihrer Forderung waren Sie Insolvenzgläubiger im Sinne von §§ 130, 38 InsO, denn die Forderung war zur Zeit der Verfahrenseröffnung bereits „begründet" im Sinne von § 38 InsO.

3. Die Zahlung hat Ihnen auch eine Befriedigung gewährt. Mit der Zahlung hat die Insolvenzschuldnerin nämlich ihre Verbindlichkeiten bei Ihnen (teilweise) erfüllt.

4. Auch das Merkmal der Gläubigerbenachteiligung ist gegeben. Hierfür genügt, dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Zahlung an Sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGHZ 105, 187; 124, 78f.). Durch die Zahlung/en ist die den Insolvenzgläubigern zur Befriedigung zur Verfügung stehende Masse um den Zahlungsbetrag gemindert, also verkürzt worden. Diese Masseverkürzung reicht für eine Gläubigerbenachteiligung aus.

5. Zum Zeitpunkt der Zahlung war die Insolvenzschuldnerin bereits zahlungsunfähig im Sinne von §§ 130, 17 Abs. 2 InsO. Zahlungsunfähigkeit besteht, wenn alle verfügbaren liquiden Mittel nicht ausreichen, um mindestens 90 % aller insgesamt fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2005, Az. IX ZR 123/04). Dies war vorliegend der Fall.

Haben zum Zeitpunkt der fraglichen Zahlungen fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind und überschreiten diese die 10%-Schwelle, ist regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt auszugehen (BGH, Urteil vom 12.10.2006, IX ZR 228/03; Hölzle, ZIP 2007, 613 ff.).

Eine Prüfung der schuldnerischen Unterlagen hat ergeben, dass gegenüber der Schuldnerin zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlungen, hier wurde der Stichtag 27.01.2017 zu Grunde gelegt, fällige Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 225.023,06 EUR bestanden haben. Der Insolvenzschuldnerin standen demgegenüber lediglich freie liquide Mittel in Höhe von 20.854,56 EUR zur Verfügung. Damit waren weit mehr als die vom BGH geforderten 10 % der fälligen Verbindlichkeiten nicht bedienbar. Die Richtigkeit der festgestellten Fakten wird hiermit versichert. Sollten Sie dennoch Einsicht in diese Unterlagen wünschen, bitte ich um Ihren entsprechenden Hinweis und Vereinbarung eines Termins.

6. Zumindest von den Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen ließen, hatten Sie auch Kenntnis.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Insolvenzschuldnerin Sie persönlich über ihre wirtschaftliche Situation in Kenntnis gesetzt hat. Sie mussten auf Grund der vorliegenden Umstände unter Berücksichtigung der einschlägigen Verkehrserfahrung verständigerweise an die Erwartung knüpfen, dass die Schuldnerin wesentliche Zahlungen so gut wie sicher nicht mehr erbringen würde. Der Schuldnerin ist es seit mehreren Monaten nicht gelungen, ihre Verbindlichkeiten innerhalb von zwei bis drei Wochen auszugleichen. Der Zahlungsunfähigkeit steht auch nicht entgegen, dass noch Teilzahlungen geleistet werden.

Die Rechtsfolgen einer anfechtbaren Rechtshandlung bestimmt § 143 InsO. Danach ist das durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen der Schuldnerin Weggegebene zur Insolvenzmasse zurückzugewähren. Bei anfechtbarem Erwerb von Geld hat der Anfechtungsgegner auch Verzugszinsen seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2007 - IX ZR 96/04).

Ich fordere Sie daher auf, den Betrag in Höhe von

1.297,28 EUR

zzgl. Zinsen in Höhe von 9 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Insolvenzeröffnung bis zum 04.04.2017 in Höhe von 88,19 EUR auf das nachfolgende Insolvenzhinterlegungskonto:

IBAN: XXX
BIC: XXX
Kontoinhaber: Dr. Muster w/ Mustermann GmbH
Verwendungszweck: Anfechtung

zu zahlen.

Als Termin für den Zahlungseingang habe ich mir den

30.11.2017

notiert.

Danach werden weitere Verzugszinsen gemäß § 143 Abs. 2 InsO in Höhe von 9 % über dem Basiszins berechnet.

Es steht Ihnen nach Zahlung des angefochtenen Betrages selbstverständlich frei, die Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden.

Mit freundlichen Grüßen,


Rechtsanwalt
Insolvenzverwalter

 


Meinie persönliche Empfehlung:

Bei Inanspruchnahmen durch einen Insolvenzverwalter sollte die Verteidigung/Vertretung ein Fachanwalt für Insolvenzrecht übernehmen, da die rechtlichen Schwerpunkte eindeutig in §§ 129 ff InsO liegen und nicht im Vertragsrecht oder Bankrecht.
Vertiefte Kenntnisse des Insolvenzrechts und der Abläufe einer Insolvenzverwaltung sind zwingend erforderlich, um sich erfolgreich verteidigen zu können.

Wir vertreten Sie gerne.

Hermann Kluzer MBA
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
01277 Dresden

Glashütterstraße 101 a

0351 8110233

kulzer@pkl.com

 

 

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht
29.11.2016 Wann sind Ratenzahlungen anfechtbar?
Information Wichtige Grundsatzentscheidungen zum Thema Anfechtung von Ratenzahlungen: BGH, Urt. v. 14.07.2016 – IX ZR 188/154 (Zur Ratenzahlungsvereinbarung als Beweisanzeichen) BGH, Urt. v. 24.03.2016 – IX ZR 242/13 BGH, Urt. v. 25.02.2016 – IX ZR 109/15 BGH, Beschl. v. 24.09.2015 – IX ZR 308/14 BGH, Beschl. v. 16.04.2015 – IX ZR 6/14 BGH, Beschl. v. 12.02.2015 – IX ZR 180/12 (Eigentumsvorbehalt oft nutzlos) ################################################################# Wunsch des Schuldners nach Ratenzahlungsvereinbarung als Indiz der Zahlungsunfähigkeit /// Leitsatz des BGH, Beschluss v. 24.09.2015, IX ZR 308/14 Die Bitte des Schuldners um Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung entspricht nicht den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, wenn sie nach mehrmaligen fruchtlosen Mahnungen und nicht eingehaltenen Zahlungszusagen gegenüber einem von dem Gläubiger mit dem Forderungseinzug betrauten Inkassounternehmen geäußert wird.(amtlicher Leitsatz) -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Indiz für die Zahlungseinstellung? Ratenzahlungsvereinbarung sind nicht automatisch Indiz für Zahlungseinstellung (BGH, Beschl. v. 16.04.15, Az. IX ZR 6/1)

Die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung ist nur dann ein Indiz für eine Zahlungseinstellung, wenn sie mit der Erklärung verbunden wird, die fälligen Verbindlichkeiten (anders) nicht begleichen zu können.

Auch wenn die vereinbarten Raten jeweils um einige Tage verspätet gezahlt werden, genügt dies für eine Feststellung der Zahlungseinstellung selbst dann nicht, wenn hierdurch eine Verfallklausel ausgelöst wird und der gesamte noch offene Restbetrag zur Zahlung fällig wird.

Die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung ist, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält, als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit.

Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann die Bitte um eine Ratenzahlungsvereinbarung auf den verschiedensten Gründen beruhen, die mit einer Zahlungseinstellung nichts zu tun haben, etwa der Erzielung von Zinsvorteilen oder der Vermeidung von Kosten und Mühen im Zusammenhang mit der Aufnahme eines ohne weiteres erlangbaren Darlehens.

Eine Bitte um Ratenzahlung ist nur dann ein Indiz für eine Zahlungseinstellung, wenn sie vom Schuldner mit der Erklärung verbunden wird, seine fälligen Verbindlichkeiten (anders) nicht begleichen zu können.
Eine solche Erklärung der Schuldnerin ist im entschiedenen Fall des BGH nicht festgestellt.
Aus dem vorgelegten E-Mail-Verkehr zwischen den Parteien  ergibt sich hierzu nichts, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat.

Der Umstand, dass die Schuldnerin die vereinbarten Raten jeweils um einige Tage verspätet, wenn auch jeweils vollständig, bezahlt hat, hat zwar das Eingreifen der vereinbarten dreitägigen Verfallklausel ausgelöst, so dass der gesamte noch offene Restbetrag jeweils zur Zahlung fällig wurde.

Ein Wiederaufleben einer Zahlungseinstellung war damit aber entgegen der Ansicht der Beschwerde schon deshalb nicht verbunden, weil eine zuvor vorhanden gewesene Zahlungseinstellung nicht festgestellt ist. Das Eingreifen der Verfallklausel kann zwar, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, Indiz für eine Zahlungseinstellung sein. Unter den hier gegebenen Umständen wäre es aber auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht im Rahmen einer Gesamtabwägung die jeweils um einige Tage verspätete vollständige Zahlung der Raten für eine Feststellung der Zahlungseinstellung nicht hat ausreichen lassen, zumal die Beklagte in der Zwischenzeit jeweils in keiner Weise tätig geworden war, weder durch Mahnung noch durch Einleitung der Zwangsvollstreckung.

 
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Verfasser: Hermann Kulzer, MBA, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Wirtschaftsmediator
07.06.2013 Insolvenzanfechtung / Gläubigerbenachteiligung. Zahlung auf Schuld oder Kredit?
Information Der Insolvenzverwalter macht im Wege der Anfechtung eine Rückzahlung geltend, die ein Dritter für eine GmbH an eine Krankenkasse geleistet hat. Fraglich ist ob eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt oder nicht.

Es muss unterschieden werden:
  1. Anweisung auf Schuld
    Der die Zahlung vorgenommen hat, tilgt damit eine eigene Schuld gegenüber dem Anweisenden.
    Der Schuldner verliert damit seine Forderung gegen den er zur Zahlung angewiesen hat.
    Dies stellt eine Gläubigerbenachteiligung dar, wenn diese Zahlung wenige Tage vor dem Insoolvenzantrag erfolgt
  2. Anweisung auf Kredit
    Bei der Anweisung auf Kredit wird lediglich ein Gläubigerwechsel bewirkt.
    Beispiel: Der Vater zahlt die SV- Beiträge für die Firma der Tochter.
    Dies stellt keine Gläubigerbenachteiligung dar.

    Ist unklar, ob 1. oder 2. vorliegt, dann gilt im Zweifel eine Anweisung auf Kredit vor.

Für weitere Infos und Quellenangaben stehe ich gerne zur Verfügung.

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Verfasser: Hermann Kulzer MBA, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschafftsrecht
04.06.2013 Befriedigung eines Gläubigers aus Dispositionskredit
Information Die Befriedigung eines Gläubigers aus den Mitteln eines Dispositionskredits kann die Gläubiger benachteiligen und damit eine Vorsatzanfechtung begründen.
Die Bank ist als sogenannter Zahlungsmittler nicht schutzwürdig, wenn sie Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes vom Schuldner hat.
Die Bank muss sich die Wirkungen der Zahlung zurechnen lassen.
Nicht relevant ist, ob die Insolvenzanfechtung gegen den Empfänger des Geldes durchgreift.


BGH 24.01.2013 IX ZR 11/12
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Verfasser: Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Writschaftsmediatior
06.10.2011 Lohnrückstände bedeuten nicht, dass der Arbeitnehmer die Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers kennt/ keine Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen
Information

Kann der Insolvenzverwalter Zahlungen an Arbeitnehmer anfechten, wenn sich der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Zahlung in Zahlungsunfähigkeit befand?

Es kommt darauf an!

1. Zusammenfasssung
Auf die für die Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen bedeutsame Kenntnis eines Arbeitnehmers über die Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers kann nicht allein deswegen geschlossen werden, weil der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer mit Gehaltszahlungen im Rückstand ist und der Arbeitnehmer weiß, dass dies auch in Bezug auf andere Beschäftigte der Fall ist. Das gilt laut Bundesarbeitsgericht umso mehr, wenn der betreffende Arbeitnehmer keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung seines Arbeitgebers und keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hatte (Urteil vom 06.10.2011, Az.: 6 AZR 262/10).

2. Rechtlicher Hintergrund
Die Anfechtung von Rechtshandlungen, die vor Insolvenzantragsstellung vorgenommen wurden,  ist in der Insolvenzordnung in §§ 129 ff InsO geregelt. Voraussetzung der Anfechtung ist, dass die Gläubiger benachteiligt wurden.
§ 130 InsO regelt unter anderem, dass eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt hat, anfechtbar ist, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte.
Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit steht der Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen.Die Anfechtung erfolgt durch den Insolvenzverwalter.
Was die Rückwirkung betrifft, ist die weitreichenste Vorschrift § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO, wonach eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
Das anfechtbar Erlangte muss gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.

3. Zum Fall des Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 -
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in einem am 10. September 2007 aufgrund eines Antrags vom 10. Juli 2007 eröffneten Insolvenzverfahren. Der Kläger war bei der Schuldnerin seit dem 13. November 2003 als handwerklicher Betriebsleiter beschäftigt. Ab 2006 geriet die Schuldnerin mit den Lohn- und Gehaltszahlungen in Rückstand. Am 4. Mai 2007 erhielt der Kläger Gehalt für Januar 2007 iHv. 900,00 Euro netto und am 7. Mai 2007 iHv. 310,12 Euro netto. Ebenfalls am 7. Mai 2007 zahlte ihm die Schuldnerin Gehalt für Februar 2007 iHv. 2.342,19 Euro netto und am 10. Mai 2007 Gehalt für März 2007 iHv. 2.310,89 Euro netto. Der Beklagte focht mit einem Schreiben vom 1. Oktober 2007 diese Gehaltszahlungen iHv. insgesamt 5.863,20 Euro netto an und forderte den Kläger ohne Erfolg auf, die erhaltenen Beträge zur Insolvenzmasse zurückzuerstatten. Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass er den vom Beklagten beanspruchten Betrag nicht zurückzahlen muss. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Die Revision des Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.
Soweit die Gehaltszahlungen der Schuldnerin im Mai 2007 der Vergütung der vom Kläger in den vorausgehenden drei Monaten erbrachten Arbeitsleistungen dienten, unterlagen sie als Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO nicht der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO, weil noch der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang mit der Gegenleistung bestand.
Im Übrigen war die Annahme des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, der Beklagte habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine positive Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bei den Gehaltszahlungen im Mai 2007 abgeleitet werden könnte.
Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht auch die Kenntnis des Klägers von Umständen verneint, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen ließen. Die Kenntnis des Klägers von der zeitlichen Dauer und Höhe der eigenen Gehaltsrückstände sowie von dem Umstand, dass die Schuldnerin gegenüber einem Großteil der anderen Arbeitnehmer seit mehreren Monaten mit Vergütungszahlungen in Rückstand geraten war, war dafür unzureichend.
Sie ließ noch kein eindeutiges Urteil über die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin zu. Bei seiner Würdigung durfte das Landesarbeitsgericht berücksichtigen, dass der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte, dass er keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hatte und dass der Schuldnerin Material noch auf Rechnung geliefert worden war.
Ebenso wenig war es revisionsrechtlich zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht auch die Kenntnis des Klägers von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO) verneint hat.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 (Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil vom 31. März 2010 - 3 Sa 379/09 ).

Wir beraten und vertreten Sie in Insolvenzangelegenenheiten kompetent und haben zahlreiche Referenzfälle, einschließlich Entscheidungen der obersten Gerichte.

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Verfasser: Rechtsanwälte Steuerberater PKL Hermann Kulzer MBA Fachanwalt für Insolvenzrecht
14.03.2010 Insolvenzanfechtung der Zahlung des Arbeitnehmeranteils
Information Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen kann als Rechtshandluing des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstellen angefochten werden. BGH, Urteil vom 5.11.2009 IX ZR 233/08 ( LG Schwerin) NZI 2009, 886 = ZIP 2009, 2301 = ZInsO 2009, 2293 insoinfo
Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt
11.08.2009 Spenden sind im Rahmen von Insolvenzverfahren anfechtbar
Information Innerhalb eines Insolvenzverfahrens kann der Insolvenzverwalter auch Spenden des späteren Schuldners an Parteien oder gemeinnützige Organisationen in den letzten vier Jahren vor Insolvenzantragsstellung anfechten als sogenannte "unentgeltliche Leistung" gemäß § 134 InsO. Der Empfänger der Spende kann zwar die Einrede der Entreicherung nach § 143 Abs.2 Satz 1 InsO geltend machen. Dazu muss jedoch die Verwendung der angefochtenen Spenden substanziiert dargelegt werden. Wenn dies nicht gelingt, muss die Spende zurückgezahlt werden. OLG Celle, Urteil vom 09.07.2009 - 13 U 18/09 insoinfo
Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht
01.09.2008 Gegeneinrede der Anfechtbarkeit auch nach Ablauf der Anfechtungfrist
Information Der Insolvenzverwalter, der die Unzulässigkeit einer Aufrechnung oder Verrechnung geltend macht, weil ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit hierzu durch anfechtbare Rechtshandlungen erlangt hat, muss die Anfechtbarkeit von der objektiven Gläubigerbenachteiiligung möglicherweise entgegenstehenden Rechten des Insolvenzgläubigers nicht innerhalb der Anfechtungsfrist gerichtlich geltend machen. BGH, Urt. v. 17.07.2008 -IX ZR 148/07 (OLG Dresden) insoinfo
Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht
16.03.2008 Anfechtungsrisiko der Bank bei langem Zuwarten
Information 1. Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kann auch dadurch beseitigt werden, dass der Gläubiger ohne Vereinbarung einer Stundung erklärt, er werde vorläufig stillhalten, wenn der Schuldner bestimmte Ratenzahlungen erbringt. 2. Der Schuldner erlangt die zwischenzeitlich verlorene Zahlungsunfähigkeit nur zurück, wenn er die Raten im Wesentlichen vereinbarungsgemäß erbringt und die Zahlungen auf die Forderungen anderer Gläubiger wieder aufnimmt 3. Zahlt der Schuldner die Raten nur unregelmäßig und sind der Bank weitere ernsthaft eingeforderte Forderungen bekannt, die nicht erfüllt werden, so begründet diesdie Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO (Gläubigerbenachteiligungabsicht). BGH, Urt. vom 20.12.2007 IX ZR 93/06 ZIP 2008, 420 insoinfo
Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht

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