1. Unentgeltiche Leistung durch Unterlassen einer Kündigung?
Das OLG Dresden hat im Jahr 2019 in einem Fall, in dem ein Versorgungsvertrag für einen Mitarbeiter nicht gekündigt wurde, obwohl es eine rechtliche Möglichkeit gab, eine unentgeltliche Leistung nach § 134 InsO gesehen:
Unentgeltlich ist im hier gegebenen Zwei-Personen-Verhältnis eine Leistung, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll.
Für die Annahme der Unentgeltlichkeit kommt es nicht auf eine synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung an (BGH Urteil vom 07.09.2017, Az.: IX ZR 224/16, bei Juris zitiert in Rn 13).
Im Übrigen gilt, dass der Schuldner, der im Zwei-Personen-Verhältnis auf eine tatsächlich nicht bestehende Schuld leistet, keine unentgeltliche Leistung vornimmt, wenn er irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein (BGH Beschluss vom 12.09.2017, Az.: IX ZR 1- 36/16, bei Juris zitiert im Leitsatz unter Verweis auf Rn. 5).
Die unterlassene Kündigung steht gemäß § 129 Abs. 2 insO einer Rechtshandlung gleich. Die Gleichstellung einer Unterlassung mit einer Rechtshandlung ist gerechtfertigt, wenn die Unter- lassung auf einer Willensbetätigung beruht, also bewusst und gewollt erfolgt. Eine bloße Unachtsamkeit genügt nicht. Der Schuldner muss das Gebotene in dem Bewusstsein unterlassen haben, dass sein Nichthandeln irgendwelche Rechtsfolgen auslöst. Dabei müssen sich die Vorstellungen des Schuldners nicht auf eine konkrete Rechtsfolge beziehen oder rechtlich zutreffend sein.
Es genügt, wenn aus einer Situation, die naheliegenderweise materiellrechtliche Ansprüche zur Folge hat, bewusst keine Konsequenzen gezogen werden (ständige Rspr., BGH, Urteil ern 01,06,2017 - IX ZR 48/15, Rn. 19; Urteil vom 16,01.2014 - IX ZR 31/12, Rn. 12; jeweils zitiert nach juris).
Eine solche Sachlage soll im entschiedenen Fall (Fall Möbius) vorgelegen haben.
Durch ihr Unterlassen, eine Kündigung auszusprechen, habe die Schuldnerin den monatlichen Geldzufluss an den Beklagten aufrechterhalten, ohne dass dieser dafür eine Gegenleistung erbrachte.
Aus dieser Entscheidung leitet sich allerdings nicht automatisch die Begründetheit der Klagen gegen andere Mitarbeiter ab, deren Vertrag ebenfalls nicht gekündigt wurden.
Maßgeblich ist, ob es für Zahlungen eine Vereinbarung einer Gegenleistung gab. Nach anderer Ansicht reicht aus, wenn die Mitarbeiter für die Zahlungen auch nachweisbar Leistungen erbracht haben- unabhängig vom Nachweis einer Vereinbarung.
In einem anderen Fall (Fall S.) hat das OLG Dresden in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen:
Die Fälle sind nicht vergleichbar, wenn ein Makler tatsächlich Leistungen -entgegen dem entschiedenen Fall - erbringen sollte. Dann läge keine unentgeltliche Leistung vor.
2. Ein anderer Fall zur Schenkungsanfechtung: Zahlung von Bearbeitungsgebühren ist keine Schenkung im Sinne des § 134 InsO.
Der Bundesgerichtshof hat im Juli 2017 die Klage eines Insolvenzverwalters wegen Schenkungsanfechtung zurückgewesen.
Nach der Vorstellung des Gemeinschuldners wollte dieser keine unentgeltliche Leistung (im Sinne des § 134 InsO) ) vornehmen, sondern eine vertragliche Verpflichtung erfüllen.
Die sogenannte Schenkungsanfechtung ist in § 134 der Insolvenzordnung (InsO) geregelt. Wenn keine angemessene Gegenleistung für die Leistung des Schuldners erfolgt, könnte eine unentgeltliche Leistung vorliegen.
Der Insolvenzverwalter kann diese einfach rückwirkend für 4 Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückverlangen.
Der Gemeinschuldner muss zum Zeitpunkt der Leistung nicht zahlungsunfähig gewesen sein- der Insolvenzverwalter hat daher nur die Darlegungs- und Beweislast, dass innerhalb der benannten Frist eine Schenkung stattgefunden hat.
Noch nicht höchstrichterlich entschieden war der Fall, bei dem der Empfänger aber gar nicht weiss, dass der Wert nicht angemessen ist oder der Leistende irrtümlich annahm zur Leistung verpflichtet zu sein.
Der BGH hat in seinem Urteil klargestellt, dass die subjektive Sicht des Schenkenden maßgeblich ist.
Meint der spätere Schuldner irrtümlich, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein, ist eine spätere Insolvenzanfechtung ausgeschlossen. Das Gericht begründet dies mit dem Sinn und Zweck des § 134 InsO, der verhindern soll, dass sich ein in Vermögensverfall geratener Schuldner auf Kosten seiner Gläubiger freigiebig zeigt. Meint der Schuldner aber, auf eine Schuld zu zahlen, ist er nicht freigiebig, sondern erfüllt er eine – auch nur vermeintliche – Verpflichtung.
Im entschiedenen Fall hat der Insolvenzverwalter gegenüber einer Bank die Zahlung von Berarbeitungsgebühren als Schenkung angefochten, da keine gesetzliche Grundlage bestanden habe. Der BGH wies die Scbenkungsanfechtung zurück.
Diese Entscheidung kann auch Auswirkungen haben auf die Anfechtungen der Insolvenzverwalter der Fubus Gruppe haben.
Es wird schwerer für die Insolvenzverwalter, ihre Ansprüche durchzusetzen.
3. Beweislast bei der Schenkungsanfechtung?
Der klagende Insolvenzverwalter ist darlegungs- und beweisbelastet für die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Schenkungsanfechtung.
(BGH, Beschluss v. 9.3.2017, IX ZA 16/16, NZI 2017 S. 393 mit Anm. Budnik; ferner Weiland, VIA 2017, S. 44)
4. Übertragung eines Geschäftsanteils als Schenkung?
Käufer und Verkäufer wollen einen Geschäftsanteilskauf als entgeltliches Geschäft- sie wollen also keine unengeltiche Leistung.
Durch eine Bewertung durch die künftigen "Käufer" war für den von der Schuldnerin erworbenen Geschäftsanteil ein Wert von 450.000 Euro ermittelt worden. Der Kaufpreis betrug nur 175.000 Euro, weil die Schuldnerin nicht mehr bezahlen konnte.
Später -im Rahmen des Prozesses- wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, das den Wert auf 0 festsetzte.
Alle Beteiligten gingen von einem gemeinsamen Irrtum über den Wert der an die Schuldnerin zu erbringenden Gegenleistung aus.
Dieser Irrtum stellt nicht den Willen der Parteien in Frage, eine dem Anwendungsbereich des § 134 Abs.1 InsO entzogene entgeltliche Übereinkunft zu treffen und zu erfüllen, vgl. Bundesgerichtshof IX ZR 250/15/ Urteil vom 15. September 2016.
5. Entreicherung - u.a. auch bei Schuldentilgung?
-Sondertall Schuldentilgung
Setzt der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung das Erhaltene zur Tilgung von Schulden ein, kann er sich im Rahmen einer Insolvenzanfechtung nur mit dem Einwand einer Entreicherung verteidigen, wenn er darlegt und beweist, dass und wofür er seine durch die Verwendung der unentgeltlichen Zuwendung zur Schuldtilgung freigewordenen Mittel anderweitig ausgegeben hat. Wenn er hierdurch keinen bleibenden Vorteil erlangt hat und diese anderweitige Verwendung der freigewordenen Mittel ohne die – nunmehr angefochtene – unentgeltliche Leistung des Schuldners unterblieben wäre.
Begründet der Empfänger einer unentgeltlichen Zuwendung neue Verbindlichkeiten, die er mit dem erhaltenen Geld erfüllt, kann er sich nur auf Entreicherung berufen, wenn er darlegt und beweist, dass dies zu keinem die Herausgabe rechtfertigenden Vermögensvorteil bei ihm geführt hat, und nicht anzunehmen ist, dass die Ausgaben ansonsten mit anderen verfügbaren Mitteln bestritten worden wären.
Darlegungs- und Beweislast: Anfechtungsgegner muss darlegen und beweisen, dass und warum er objektiv nicht mehr bereichert ist, BGH vom 27. Oktober 2016 – IX ZR 160/14.
Voraussetzungen und Definition der Entreicherung: Unter welchen Voraussetzungen der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung im Zwei-Personen-Verhältnis entreichert ist, regelt § 818 Abs.3 BGB.
Entreicherung liegt vor, wenn der erlangte Vorteil nicht mehr im Vermögen des Empfängers enthalten ist und auch sonst kein auf die Zuwendung zurückzuführender Vermögensvorteil mehr vorhanden ist.
Entreicherung tritt ein,
- wenn der erlangte Gegenstand ersatzlos untergegangen ist oder
- verschenkt wurde, vgl. BGH s.o.
- hinsichtliche aller Aufwendungen, Kosten und Steuern im Hinblick auf den erlangten Vermögensgegenstand. BGH s.o.
- Vermögensnachteilen des Bereicherungsschuldners können abgesetzt werden, wenn diese Vermögensnachteile adäquat kausal auf der Bereichung beruhen, vgl. BGH s.o.
Dagegen tritt keine Entreicherung ein, soweit der Bereicherte durch die Weggabe des Empfangenen notwendige Ausgaben aus eigenem Vermögen erspart oder seine Schulden getilgt hat, vgl-. BGH s.o. .
Ausgaben, die ohne die angefochtene unentgeltliche Leistung des Schuldners unterblieben wären, führen zur Entreicherung, BGH s.o.
Wenn der Bereicherungsschuldner das Erlangte für Aufwendungen einsetzt, so ist er entreichert, wenn diese Aufwendungen zu keinem bleibenden Vermögensvorteil geführt haben, BGH. s.o.
Dieser Einwand ist dem Bereicherungsschuldner auch dann eröffnet, wenn er das Erlangte zur Tilgung von Verbindlichkeiten nutzt, jedoch deshalb frei werdende Mittel ersatzlos verbraucht.
Entscheidend ist, dass der Empfänger nachweist, dass er den Vermögensvorteil durch die Tilgung der Verbindlichkeiten in jedem Fall auch ohne die Zuwendung erworben hätte, so dass die Zahlung für den Vermögensvorteil weder ursächlich war noch sonst zu einem bleibenden Vermögensvorteil geführt hat, BGH, Urteil vom 27. Oktober 2016 IX ZR 160/14.
Für Fragen oder Probleme zum/im Anfechtungsrecht: Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung.
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