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Freigabe im Insolvenzverfahren |
Man unterscheidet zwischen der echten, unechten, modifizierten und erkauften Freigabe.
Eine unechte Freigabe liegt vor, wenn der Insolvenzverwalter einen massefremden Gegenstand an den Aussonderungsberechtigten herausgibt.
Die echte Freigabe betrifft einen Gegenstand der Insolvenzmasse, der herausgelöst wird, so daß dieser wieder zum insolvenzfreien Vermögen gehört.
Der Insolvenzverwalter kann Gegenstände aus der Insolvenzmasse freigeben, vgl BGH, Urt. v.21.4.2005 IX ZR 281/03, WM 2005,1084 und BGH, Urt. v. 26.1.2006 - IX ZR 282/03 ZInsO 2006 S. 261 ff. ( andere Auffassung: Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Auflage 2006 §64 Rdnr. 62 )
Der Gegenstand wird in einem solchen Fall insolvenzfreies Vermögen des Schuldners. Die Freigabe erfolgt durch einseitige Willenserklärung des Verwalters. Die Freigabe ist unwiderruflich, vgl RG RGZ 60, 107. Ist ein Gegenstand unverwertbar oder würden Verwaltung und Verwertung den zu erwartenden Verkaufserlös übersteigen, dann ist der Verwalter zur Freigabe verpflichtet, vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Auflage § 1 Rdnr. 5 Winter in ZVI 2005, S. 573 ff..
Gibt ein Insolvenzverwalter oder Treuhänder einen dem Schuldner gehörenden Gegenstand aus der Insolvenzmasse frei, unterliegt dieser als sonstiges Vermögen des Schuldners dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs.1 InsO. BGH, Beschluss vom 12.02.2009 - IX ZB 112/06 (LG Heilbronn) NZI 2009, 382 = NJW-RR 2009, 923 = ZIP 2009, 818
BGH, Beschluss vom 9. 6. 2011 - IX ZB 175/10, NZI 2011, 633
Wird Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners durch den Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse freigegeben, kann ein auf dieses Vermögen beschränktes zweites Insolvenzverfahren eröffnet werden. |
10.07.2014 |
Abführungspflicht des Schuldners nach Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 InsO |
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Die Fortführung einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners innerhalb des Insolvenzverfahrens birgt viele Risiken. Das Vermögen aus dieser selbständigen Tätigkeit kann daher gemäß § 35 Abs. 2 InsO freigegeben werden.
Wie berechnet sich dann das Vergleichseinkommen i.S.v. § 295 Abs. 2 InsO? Was kann/muss der Verwalter veranlassen, wenn der Schuldner nicht zahlt? Bis wann darf sich der Schuldner mit der Abführung seiner Zahlungen Zeit lassen? Muss er sich um eine abhängige Beschäftigung bemühen, wenn er aus seiner selbständigen Tätigkeit nicht genügend Einkommen erwirtschaften kann?
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 13.03.2014 (IX ZR 43/12, ZinsO 2014, 824 über die freigegebene Tätigkeit eines Zahnarztes entschieden. Infolge der Freigabe fiel der Neuerwerb des Schuldners aus der freiberuflichen Tätigkeit nicht mehr in die Masse, sondern stand dieser nur noch den Neugläubigern, deren Forderungen nach Wirksamwerden der Freigabeerklärung entstanden sind, als Haftungsmasse zur Verfügung. Führt der Schuldner keine Beträge an die Masse ab, bleibt dem Verwalter nur der Klageweg. Es gehört zu den vom Schuldner nach einer Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO zu beachtenden Pflichten, dass er die nach § 295 Abs. 2 InsO maßgeblichen Beträge schon im Laufe des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter abführt. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Obliegenheit, sondern um einen vom Insolvenzverwalter einklagbaren Anspruch (BGH Beschl. v. 13.06.2013 - IX ZB 38/10, WM 2013, 1612 Rn. 20). Sie gebietet im Regelfall eine jährliche Zahlung (BGH Beschl. v. 19.07.12 - IX ZB 188/09, ZinsO 2012, 1488 Rn. 14). Die Frage, ob und in welcher Höhe den Schuldner eine Abführungspflicht trifft, ist nach einem dreistufigen Prüfungsschema zu beantworten (übersichtlich dazu: Sinz/Hiebert/Wegener, Verbraucherinsolvenz, 3. Aufl. 2014, Rn. 929). Ob das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht gemäß § 36 Abs. 4 InsO oder das Prozessgericht zu entscheiden hat, hängt davon ab, ob die Auseinandersetzung um die Massezugehörigkeit als solche geführt wird - dann gehört der Rechtsstreit vor das Prozessgericht - oder ob über die Zulässigkeit der Vollstreckung gestritten wird - dann entscheidet das Insolvenzgericht - im Rahmen des § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 InsO (BGH, Beschl. v. 05.06.12 - IX ZB 31/10, ZIP 2012, 1371). Zuständig ist danach das Prozessgericht. |
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
17.04.2008 |
Haftung der Insolvenzmasse nach Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters |
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Der Insolvenzverwalter war auch vor der zum 1. Juli 2007 in Kraft getretenen Änderung des § 35 InsO berechtigt, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines einzelkaufmännisch tätigen Schuldners die unmittelbar für die selbständige Erwerbstätigkeit des Schuldners benötigten Betriebsmittel aus dem Beschlag der Masse freizugeben. Wird im Zusammenhang mit einer solchen Freigabe zwischen dem Schuldner und dem Insolvenzverwalter eine den Erfordernissen des § 295 Abs. 2 InsO entsprechende Vereinbarung über abzuführende Beträge geschlossen, haftet die Insolvenzmasse nicht mehr für Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsvergütung aus danach vom Schuldner begründeten Arbeitsverhältnissen. Diese hat allein der Schuldner zu erfüllen.
Der Beklagte wurde am 11. März 2003 zum Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners bestellt. Dieser hatte bis November 2002 eine Druckerei betrieben, die er dann stilllegte. Ab Mitte Februar 2003 setzte er seinen Druckereibetrieb fort, wovon der Beklagte Mitte Mai 2003 Kenntnis erhielt. Am 22. Mai 2003 erteilte der Beklagte dem Schuldner mit Zustimmung der Gläubigerversammlung eine „Freigabeerklärung“ hinsichtlich der von diesem benötigten Betriebsmittel einschließlich des Neuerwerbs. Eine zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt getroffene Vereinbarung entsprechend § 295 Abs. 2 InsO sah außerdem vor, dass der Schuldner monatlich 130,00 Euro an die Masse abzuführen habe. Bereits im Februar 2003 hatte der Schuldner die Klägerin eingestellt. Ihr zunächst nur bis Ende Juni 2003 befristeter Arbeitsvertrag wurde am 30. Juni 2003 durch eine neue schriftliche Vereinbarung der Klägerin mit dem Schuldner verlängert. Nachdem der Schuldner für die Monate Dezember 2003 bis Februar 2004 keine Zahlungen leistete, begehrt die Klägerin nunmehr vom beklagten Insolvenzverwalter Zahlung ihrer Vergütung.
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Revision des Beklagten hat der Senat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht wird aufzuklären haben, ob die den Erfordernissen des § 295 Abs. 2 InsO entsprechende Vereinbarung vor oder nach der Vertragsverlängerung vom 30. Juni 2003 zustande kam.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. April 2008 - 6 AZR 368/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 9. Mai 2006 - 8 Sa 1186/05 - |
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