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Insolvenzrecht A bis Z
Bewertung / Unternehmensbewertung / Beispiel Kanzleiwert
Die Bewertung eines Unternehmens erfolgt nach verschiedenen Verfahren und aus verschiedenen Blickwinkeln. Entscheidend ist die Frage, ob eine Fortführung möglich ist oder nicht.
Wenn nein, ist der Zerschlagungswert (Liquidationswert) maßgeblich.
In den anderen Fällen gibt es unterschiedliche Methoden: 
Ertragswert, Substanzwert, Mittelwert, Stuttgarter Verfahren etc.

Der Praxiswert einer Kanzlei kann wie folgt ermittelt werden
:
1. Umsatz
Der Bruttoumsatz ist Ausgangspunkt
Es wird der Bruttoumsatz der letzten drei Jahre angesetzt. Das aktuelle Jahr wird doppelt bewertet und das Ergebnis durch 4 dividiert.

2. Bewertungsfaktor
Der Bewertungsfaktor bewegt sich in der Regel zwischen 0,3 und 1,0, in besonderen Fällen sogar 1,5.

3. Abzug des Anwaltseinkommens
Im Schnitt werden 50.000 Euro abgezogen- es sollte sich an dem Einkommen eines Richters orientieren.

4. Risikoabschlag
Da Umsatzrückgänge zu erwarten sind, ist ein Risikoabschlag einzukalkulieren. Im Durchschnitt werden mindestens 20% angesetzt.

5. Zuschlag Substanzwert
Der Wert des übernommenen Inventars wird addiert.

6. Zusammenfassung und Beispiel:
Brüttoumsatz:                            150.000 Euro
abzügl, Umsatzsteuer gerundet       20.000 Euro
Bemessungsgrundlage                   130.000 Euro
Bewertungsfaktor 0,75 (gerundet)  100.000 Euro
abzügl. Anwaltseinkommen             50.000 Euro
Zwischenwert                              50.000 Euro
Risikoabschlag 20 %                      40.000 Euro
zuzüglich Substanzwert                 10.000 Euro
Kanzleiwert/ Kaufpreis                   50.000 Euro

12.04.2007 Unternehmensbewertung bei Verkauf oder Zugewinnausgleich
Information

Die Bewertung eines Unternehmens, einer Unternehmensbeteiligung oder freiberuflichen Praxis spielt bei Erbschaften, beim Verkauf oder im Rahmen eines Scheidungsverfahrens mit Zugewinnausgleich eine Rolle. Wie wird das Unternehmen bewertet?
 
1. Untergrenze Liquidationsverfahren - Liquidationswert

Bei der Bewertung im Zugewinnsausgleichsverfahren ist der Liquidations- oder Zerschlagungswert die unterste Grenze, vgl. BGH, NJW 1995, 2781.
Dieses Verfahren gibt den Wert an, welchen das Unternehmen hat, wenn man es kaufen würde und dann liquidieren, d.h. auflösen, würde. Im Unterschied dazu steht der Substanzwert, der ein Fortführungswert ist.
Der Liquidationswert ist der Wert, der sich bei einer Veräußerung der einzelnen Vermögensgegenstände nach Tilgung der Schulden ergibt:

Liquidationswert der Wirtschaftsgüter (Preis, der erzielt wird, wenn alle Wirtschaftsgüter einzeln oder am Stück verkauft werden)
abzüglich
Schulden (alle Verbindlichkeiten und Kosten der Auflösung der Verträge, Kündigung der Arbeitsverhältnisse, Beräumung etc.)
zuzüglich

Forderungen 
=   Liquidationswert

2. Sachwert - Sachwertverfahren
Das Sachwertverfahren soll den Zeitwert der Summe der Vermögensgegenstände des Unternehmens zeigen.
Ausgangsfrage ist:  Was kostet es, ein Unternehmen gleicher Art zu errichten und alle Vermögensbestände im jetzigen Zustand wieder zu beschaffen?
Maßgeblich sind die Anschaffungswerte, der Zustand und die zu erwartende Lebensdauer der Anlagen und der zu veräußernden Güter, die Nachfrage nach diesen Gütern etc. 
Vereinfacht kann der Substanzwert wie folgt berechnet werden: 

Anschaffungs-/ Herstellungskosten
./. bisherige Abschreibungen
./. Fremdkapital
+ geschätzter Wert der immateriellen Güter (Patente, Lizenzen, Rechte, etc.)
Substanzwert

Das Substanzwertverfahren ist sinnvoll bei Unternehmen, deren Vermögen überwiegend in Immobilien, Maschinen, Warenlagern, Fahrzeugen etc. besteht.

3. Ertragswert - Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren ist eines der wichtigsten Methoden zur Kaufpreisermittlung.
Bei dieser Methode wird der durchschnittlich erzielte und um verschiedene Posten berichtigte Gewinn der letzten 3 oder 5 Jahre errechnet. Man nimmt an, dass dieser Gewinn auch künftig zu erzielen ist. Dann erfolgt eine Abzinsung und so ist der Ertragswert ermittelt.

Ertragswert =    Gewinn x 100         
                         Kapitalzinsfuß in %

Der zukünftige Gewinn wird errechnet unter Berücksichtigung der Kosten bei kaufmännischer Vorsicht. Der Kapitalzinsfuß wird gebildet durch einen Basiszinssatz zuzüglich eines Risikoaufschlages von etwa 2 - 20 %. Bei kleineren und mittleren Unternehmen beträgt der Kapitalzinsfuß zwischen 7 - 15 %.

4. Mittelwertmethode

Der Bundesgerichtshof hat in Zugewinnausgleichsverfahren akzeptiert, dass die beiden - oft völlig unterschiedlichen ermittelten Werte von Sachwert und Ertragswert addiert und die Summe halbiert werden (sogenannte Mittelwertmethode), vgl. BGH, NJW 1980, 229.
Das Mittelwertverfahren versucht also, aus den unterschiedlichen Ergebnissen des Substanz- und Ertragswertverfahrens einen Mittelwert zu bilden, indem Substanzwert und Ertragswert mit einer Gewichtung versehen und dann erst zum Unternehmenswert addiert werden. Dies geschieht, indem man festlegt, dass z.B. der Ertragswert eine Gewichtung von 75 % am Gesamtwert haben soll.
Demzufolge sind der Ertragswert mit 0,75 und der Substanzwert mit 0,25 zu multiplizieren:
(Ertragswert x 0,75) + (Substanzwert x 0,25) = Gesamtwert des Unternehmens

5. Sonderfälle
Bei einem Handelsunternehmen hat der Bundesgerichtshof bisher keinen "good will" angesetzt - ebensowenig bei einem Notariat, da der Notar Träger eines öffentlichen Amtes ist. Eine Arztpraxis oder der Anteil eines Steuerberaters an der Gesellschaft stellt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs einen werthaltigen Vermögenswert dar, vgl. BGH FamRZ 1991, 43.

6. Unzulässige Doppelberücksichtigung
Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen einer gesellschaftsrechtlich ausgestalteten Mitarbeiterbeteiligung die Frage der unzulässigen Doppelberücksichtigung von Vermögenspositionen und Schulden bei Unterhalt und Zugewinn angesprochen. 
Die bisherige Rechtsprechung steht auf dem Prüfstand, vgl. Kogel NJW 2007, S. 557 ff.

7. Gutachten
Zur Ermittlung des Wertes ist ein Gutachten erforderlich.
Ideal ist die Hinzuziehung eines Wirtschaftsprüfers/Steuerberaters und eines Rechtsanwaltes mit Tätigkeitsschwerpunkt Gesellschaftsrecht.

Wir bewerten Ihr Unternehmen/Ihre Beteiligung gerne.

 

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Verfasser: Hermann Kulzer, Rechtsanwalt, Tätigkeitsschwerpunkt Gesellschaftsrecht

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