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Kongruente Deckung / Insolvenzanfechtung |
1. Allgemeines und Zweck Die Insolvenzanfechtung soll verhindern, daß der Insolvenzschuldner Vermögenswerte der Insolvenzbeschlagnahme entzieht oder daß sich einzelne Gläubiger gegen den Grundsatz "Gleichbehandlung aller Gläubiger- par condicio creditorum" im Vorfeld der Insolvenzeröffung Sondervorteile verschaffen. Durch die Insolvenzanfechtung soll die gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger schon für einen früheren Zeitpunkt als den der formellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens sicherstellen (M-K- Kirchhoff § 129 Rdnr.1). Zweck der Anfechtung ist es, im Interesse aller Insolvenzgläubiger die Verminderung der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger zugunsten Einzelner rückgängig zu machen. 2. Gesetzliche Regelungen Mit der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 bis 146 InsO kann der Insolvenzverwalter durch Erhebung der Klage Vermögensverschiebungen des Schuldners rückgängig machen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Hat der Schulder z.B. eine Gegenstand verschenkt oder einem Gläubiger noch schnell eine Sicherheit verschafft, steht den Gläubigern im Insolvenzverfahren weniger Vermögen zur Verteilung zur Verfügung als ohne diese Handlungen. Durch die Insolvenzanfechtung muß der Begünstigte das, was er vom Schuldner erlangt hat, wieder an den Insolvenzverwalter herausgeben. Ob eine Handlung anfechtbar ist, hängt davon ab, ob der Begünstigte von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder dem Insolvenzantrag Kenntnis hatte und welche weiteren Umstände vorliegen. Die Einzelheiten sind in §§ 129 ff InsO geregelt. 3. Rechtshandlung Unter "Rechtshandlung" fallen alle vom Willen getragenen Betätigungen, die in irgendeiner Weise Rechtswirkungen auslösen können, ohne dass der Wille auf deren Eintritt gerichtet sein müßte, Kübler/Prütting/Paulus, InsO, § 129 Rdnr. 11; Braun/de Bra InsO, 2. Auflage § 129 Rdn. 11. Demgemäß sind als Rechtshandlungen einzuordnen:
schuldrechtliche Verträge, nicht aber Arbeitsverträge, weil die Arbeitskraft nicht zur Masse gehört, vgl. BGH, WM 1964, S. 114 ff, 116
rechtsgeschäftliche Verfügungen
geschäftsähnliche Handlungen und Realakte
Prozeßhandlungen, vgl. Kübler/Prütting/Paulus, InsO § 129 Rdnr.12
Prinzipiell bedarf es keiner Mitwirkung des Schuldners, auch Rechtshandlungen Dritter, die gläubigerbenachteiligend wirken, sind anfechtbar ( wichtiger Fall: Gläubigerbenachteiligung in der Zwangsvollstreckung ) .
4. Gläubigerbenachteiligung Eine Benachteiligung der Gläubiger liegt vor, wenn das Schuldnervermögen verkürzt wurde. Eine Benachteiligung kann demnach in einer Verringerung der Aktiva, einer Vermehrung der Passiva, aber auch in einer bloßen Erschwerung des Zugriffs oder einer Erschwerung oder Verzögerung der Verwertbarkeit liegen, vgl. FK- Dauernheim, InsO, § 129, Rdnr. 36 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; Braun/ de Bra § 129 Rdnr. 23. Ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, ist nicht erforderlich. Maßgeblich ist allein die Schädigung der Masse, Braun/de Bra InsO, § 129 Rdnr. 26. Übernimmt ein Dritter neben dem Vermögen des Schuldners auch dessen sämtliche Verbindlichkeiten befreiend ( §§ 414, 415 BGB ) , so fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung. Demgegenüber schließt der Schuldbeitritt oder die Erfüllungsübernahme im Innenverhältnis eine Gläubigerbenachteiligung nicht grundsätzlich aus, da in diesen Fällen die Gläubiger des Übernehmers mit denen des Insolvenzschuldners in Konkurrenz treten, ohne dass die Wertbeständigkeit des übernommenen Vermögens in der Person des Übernehmers gesichert wäre ( MK-Kirchof § 129 Rdnr. 10; Hamburger Kommentar zum Insolvenrecht - Rogge 2006; § 129 Rdnr. 71 und 77 ( Tilgung einer vollwertigen Verbindlichkeit des Schuldners: es fehlt dann die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung )
5. Einschränkung der Anfechtung Die Insolvenzanfechtung wird durch die Ausnahmevorschrift des § 142 InsO eingeschränkt, wenn dessen Tatbestandsmerkmale vorliegen. Durch § 142 InsO soll die Anfechtungsmöglichkeit des Insolvenzverwalters eingeschränkt werden, wenn ein gleichwertiger, zeitnaher Leistungsaustausch erfolgt- das sogenannte Bargeschäft. Die Voraussetzung der Gleichwertigkeit bedeutet im Ergebnis das Fehlen einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung.
Bei Grundstückgeschäften sind wegen Verzögerungen im Zusammenhang mit der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch auch etwas längere Zeiträume unschädlich. Da nach § 140 Abs 2 InsO das Rechtsgeschäft bis zur endgültigen Eintragung im Grundbuch als vorgenommen gilt, kann für das Bargeschäft nur die bis zur erfolgreichen Antragsstellung nötige Zeitspanne zugrunde gelegt werden.
6. Rechtsfolgen der Anfechtung aa) Rückgewährverhältnis Gemäß § 143 Abs. 1 muß alles, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggeben oder aufgegeben wird, zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, es entsteht das sogenannte Rückgewährverhältnis. Die Rückgewährverbindlichkeit i.S.v. § 143 InsO begründet ein Schuldverhältnis des bürgerlichen Rechts. Rückgewähr bedeutet, dass der betroffene Gegenstandin dem vollem Umfang seiner Veräußerung in die Insolvenzmasse zurückgelangen muss. bb) Anfechtungsgegner Anfechtungsgegner ist der Empfänger des anfechtbar weggebenen Gegenstands, also jeder, zu dessen Gunsten der Erfolg der angefochtenen Rechtshandlung zu Lasten des Schuldnervermögens eingetreten ist. cc) Rückgewähr bei einem Grundstücksgeschäft Wurde ein Grundstück anfechtbar übertragen, hat der Anfechtungsgegner das Grundstück wieder an den Insolvenzschuldner aufzulassen und dessen Eintragung im Grundbuch zu bewilligen ( § 894 ZPO ). Ist der Erwerber noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, kann der Insolvenzverwalter dessen Verzicht auf Rechte aus der Auflassung und die Rücknahme eines etwaigen Eintragungsantrags fordern. dd) Wertersatz bei Unmöglichkeit Ist die Rückgewähr des anfechtbar erlangten Gegenstands in Natur nicht- möglich, hat der Empfänger entsprechend § 989 BGB den Wert zu ersetzen.
7. Anfechtung gegen einen Rechtsnachfolger Auch wenn der anfechtbar weggebene Vermögenswert über den Empfänger hinaus an weitere Vermögensträger übertragen wurde, soll der Bestand des den Insolvenzgläubigern haftende Schuldnervermögen möglichst wiederherugestellt werden. Daher unter bestimmten Voraussetzungen eine Anfechtung auch gegen alle Rechtsnachfolger, deren Erwerbsgrund al weniger schutzwürdig bewertet wird ( § 145 II InsO ). Wer anfechtbar Erlangtes gutgläubig und entgeltlich erwirbt, haftet nicht nach § 145 II InsO.
8. Sonderproblem: Anfechtung einer Aufrechnung nach §§ 130,131 InsO Die Anfechtung nach §§ 130,131 InsO spielt auch bei der Aufrechnung eine wichtige Rolle. Es geht darum, ob die Aufrechungslage in anfechtbarer Weise entstanden ist. Wenn dies zutrifft, ist die Aufrechnung nach § 96 Nr. 3 InsO unwirksam. Es ist daher zu prüfen, ob das Entstehen der Aufrechnungslage unter §§ 130 und 131 InsO fällt.
9. Sonderproblem: Anfechtbarkeit von Sanierungsmaßnahmen Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung kann durch einen objektiv und subjekiv ernsthaften Sanierungsversuch ausgeschlossen werden, auch wenn der Sanierungsversuch letztendlich scheitert. Voraussetung ist allerdings ein in sich schlüssiges Konzept, das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und nicht offensichtlich undurchführbar ist. Die Prüfung muss unter Berücksichtigung der verfügbarren Zeit a) die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysieren b) die Krisenursachen c) die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfassen, vgl. Rogge, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht 2006 § 129 Rdnr.101 ff. Die Erfüllung des Vergütungsanspruchs eines Rechtsanwalts, Steuerberaters kann nach den allgemeinen Maßstäben eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung bewirken. Ist die Vergütung selbst oder ihre Sicherung unangemessen hoch, so ist die Teilbarkeit der Vergütung nur der nicht angemessene Teil zur Insolvenzmasse zurückzugewähren ( BGH NJW 1995, 1093 = ZIP 1996, 297 ). Ist danach eine Rechtsanwaltsgebühr aufzuteilen, ist hierfür die Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer nicht erforderlich ( BGHZ 77, 250, 254= ZIP 1980, 618 ); Rogge, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht § 129 Rdnr. 102
10. Geltendmachung des Anfechtungsrechts Die Anfechtung erfolgt grundsätzlich durch die Erhebung der Klage, die den Gegenstand der Anfechtung und die Tatsachen bezeichnen muss, aus denen die Anfechtungsberechtigung hergeleitet werden soll ( BGH WM 2001, 98; 1983, 1314, 1315; 1982, 562). Einer besonderen Erklärung bedarf es nicht ( BGH ZIP 1997, 737 ). Gemäß § 146 Abs.1 InsO verjährte der Anspruch nach alter Gesetzeslage in zwei Jahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, §§ 195, 200 BGB. Nach aktueller Gesetzeslage beträgt die Anfechtungsfrist 3 Jahre. Die Anfechtung kann auch im Wege der Einrede geltend gemacht werden, was in Betracht kommt, wenn der Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wird. Diese Einrede kann der Insolvenzverwalter auch erheben, wenn der Anfechtungsanspruch verjährt ist, § 146 Abs. 2 InsO.
11. Literatur/ Quellen Zur Anfechtung nach § 130 InsO wegen Kenntnis der Umstände der Zahlungsunfähigkeit vgl. Insbüro 3 /2004 S. 116. Zur Frage, wann der Gläubiger Umstände kennt, die zwingend auf eine mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hindeuten, hat der Bundesgerichtshof im Juli 2004 entschieden, vgl. BGH, Urteil v. 17.2.2004 in InVo 8/2004 S. 318..
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17.04.2006 |
Anfechtung von Zahlungen des Geschäftsführers aus seinem Privatvermögen |
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InsO §§ 131, 143
Zahlungen des Gesellschafter-Geschäftsführers aus seinem privaten Vermögen, welche das Vermögen der insolventen Gesellschaft nicht nachweisbar schmälern, sind nicht anfechtbar.
LG Hamburg, Beschl. v. 10.08.2005 - 309 S 49/05 in DZWIR 2006 S. 43 ff. |
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
18.05.2005 |
Anfechtung von Erfüllungshandlungen trotz Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters |
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InsO §§ 21 II 1 Nr. 2 Alt. 2, 129 I , 130 I Nr. 2
1. Stimmt der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter Verträgen des Schuldners über die Erfüllung von Altverbindlichkeiten vorbehaltlos zu, die im Zusammenhang stehen mit noch zu erbringenden Leistungen des Vertragspartners, begründet dies für diesen grundsätzlich einen Vertrauenstatbestand, den der Verwalter bei Vornahme der Erfüllungshandlung durch den Schuldner nicht mehr zerstören kann.
2. Stimmt der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter einer Rechtshandlung des Schuldners zu, durch die gesetzliche Ansprüche oder Altverbindlichkeiten erfüllt werden, ohne dass dies mit einer noch zu erbringenden eigenen Leistung in Zusammenhang steht, kann der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Erfüllungshandlung nach den Regeln der Deckungshaftung anfechten.
BGH, Urt. v. 9.12.2004 - IX ZR 108/04 NJW 16/2005 S. 1118 ff. |
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Verfasser: KRS |
15.05.2005 |
Zur Anfechtbarkeit von Zwangsvollstreckungshandlungen des Gläubigers |
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InsO §§ 129,133 I BGB §§ 826, 823 II; GmbHG § 84 I Nr.2
Sachverhalt: Die Schuldnerin S hatte Umsatzsteuerverbindlichkeiten in Höhe von 300.000 DM. Sie bat die Finanzerwaltung um Erlass, hilfsweise um Stundung, weil sie ansonsten am Ende sei. Das Finanzamt erließ danach bezüglich eines Bankkontos einen Pfändungs-und Überweisungsbeschluss. Die S einigte sich dann mit der Finanzverwaltung auf Aussetzung der Vollziehung und veranlasste eine Überweisung in Höhe von 100.000 DM aus dem Kontoguthaben der Bank. 3 Monate später stellte sie den Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter forderte vom Finanzamt die Rückzahlung des überwiesenen Betrages im Wege der Anfechtung.
Leitsätze des BGH: 1. Zwangsvollstreckungshandlungen des Gläubigers sind ohne eine vorsätzliche Rechtshandlung oder eine ihr gleichstehende Unterlassung des Schuldners nicht nach § 133 I InsO anfechtbar.
2. Hat der Schuldner nur noch die Wahl, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung zu dulden, ist also jede Möglichkeit eines selbstbestimmten Handelns ausgeschaltet, fehlt es an einer Rechtshandlung des Schuldners im Sinne von § 133 I InsO.
3. Die Anfechtung nach § 133 InsO kann nicht darauf gestützt werden, dass der Schuldner den Insolvenzantrag vorsätzlich verspätet gestellt und dadurch bewirkt hat, dass die Rechtshandlung des Gläubigers nicht in den von §§ 133 bis 132 InsO geschützten zeitlichen Bereich fällt.
4. Veranlasst der Gläubiger den Schuldner, den Insolvenzantrag bewusst hinauszuzögern, um eine Anfechtung der Zwangvollstreckungsmaßnahme nach § 131 InsO zu vermeiden, kommt ein Haftung gegenüber der Masse nach §§ 826, 823 II BGB in Betracht.
BGH, Urt. v. 10.02.2005 - IX ZR 211/02 ( OLG Dresden ) NJW 16/2005 S. 1121 ff.; InVo 5/2005 S. 174 ff. |
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
15.02.2005 |
Anfechtbarkeit von Rechthandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters |
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BGH, Urteil vom 9.12.2004 IX ZR 108/04 ( ZInsO 2005, 88, 89 ) Leitsätze:
1. Stimmt der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet vorläufige Insolvenzverwalter Verträgen des Schuldners über die Erfüllung von Altverbindlichkeiten vorbehaltlos zu, die im Zusammenhang stehen mit noch zu erbringenden Leistungen der Vertragspartners, begründet dies für diesen grundsätzlich eine Vertrauenstatbestand, den der Verwalter bei Vornahme der Erfüllungshandlung durch den Schuldner nicht mehr zerstören kann ( Ergänzung zu BGHZ 154,90)
2.Stimmt der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter einer Rechtshandlung des Schuldners zu, durch die gesetzliche Ansprüche oder Altverbindlichkeiten erfüllt werden, ohne dass dies mit einer noch zu erbringenden eigenen Leistung in Verbindung steht, kann der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Erfüllungshandlung nach den Regeln der Deckungsanfechtung anfechten ( Ergänzung zu BGHZ 154,190 ). |
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
19.12.2004 |
Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung |
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Inso § 134
Die Bestellung einer Sicherheit für eine eigene, durch eine entgeltliche Gegenleistung begründete Verbindlichkeit ist nicht nach § 134 Ins0 als unentgeltliche Verfügung anfechtbar ( Bestätigung von BGHZ 112, 136).
BGH, Urt. v. 22.7.2004 - IX ZR 183/03 (OLG Rostock) in InVo 12/2004 S. 497 ff., ZIP 2004,1819 = ZVI 2004,603; EWiR 1/05 S. 29 ff. |
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
25.08.2004 |
Kenntnis von Umständen, die auf Zahlungsunfähigkeit hindeuten |
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InsO § 133 Abs. 1 S. 2 ( Insolvenzanfechtung )
Zur Frage, wann der Gläubiger Umstände kennt, die zwingend auf eine mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hindeuten ( im Anschluss an BGH, Urt. v. 17.7.2003 -IX ZR 272/02 NZI 2003 597,599).
Nach Ansicht des BGH ist die Anfechtung im entschiedenen Fall aus § 133 Abs. 1 InsO begründet. Der Benachteiligungsvorsatz folgt daraus, dass gezielt die letzten Geldmittel eingesetzt wurden, um einige Gläubiger, darunter den Beklagten bevorzugt zu befriedigen. Gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wird die Kenntnis des Leistungsempfängers von dem Benachteiligunsvorsatz des Schuldners vermutet, wenn der wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte und die Zahlung die Gläubiger benachteiligt.
Diese Voraussetzungen können schon dann gegeben sein, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen wurden und jenem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt ( vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2003 ).
BGH, Urt. v. 17.02.2004 IX ZR 318/01 ( OLG Brandenburg ) in InVo 8/2004 S. 318 ff.
Thema: Insolvenzanfechtung, Anfechtung, Anfechtung im Insolvenzverfahren, Anfechtbarkeit, Ausübung der Anfechtung, Rückgewähranspruch, Anfechtungsgegner, Anfechtungsfrist, Anfechtungsvoraussetzung, Anfechtungsgrund, Gläubigerbenachteiligung, Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, Kenntnis uvm. |
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolenzrecht |
01.06.2004 |
Anfechtbare Anweisung des Alleingesellschafters |
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Ist Gemeinschuldnerin eine GmbH, so hat diese eine Rechtshandlung in Gläubigerbenachteiligungsabsicht vorgenommen, wenn der Alleingesellschafter der GmbH den Geschäftsführer oder den Liquidator zu der Rechtshandlung angewiesen und dabei in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt hat.
BGH, Urt. v. 1.4.2004 -IX ZR 305/00 ZinsO 10/2004 S. 548 ff. |
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
10.03.2004 |
Anfechtbare Zahlungen zur Abwendung eines Insolvenzantrags |
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§§ 131, 131 InsO; 286 ZPO
1. Leistet der Schuldner zur Abwendung eines angekündigten Insolvenzantrags, den der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Forderung angedroht hat, bewirkt dies eine inkongruente Deckung.
2. Der für die Inkongruenz notwendige zeitliche Zusammenhang zwischen der Drohung mit einem Insolvenzantrag und der Leistung der Schuldners endet je nach Lage des Falls nicht mit Ablauf der von dem Gläubiger mit der Androhung gesetzten Zahlungsfrist. Rückt der Gläubiger von der Drohung mit dem Insolvenzantrag nicht ab und verlangt er von dem Schuldner fortlaufend Zahlung, kann der Leistungsdruck über mehrere Monate fortbestehen.
3. Die durch die Androhung eines Insolvenzantrags bewirkte inkongruente Deckung bildet auch bei Anfechtungen nach § 133 Abs. 1 InsO in der Regel ein starkes Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und eine Kenntnis der Gläubigers hiervon.
4. Ist dem Gläubiger eine finanziell beengte Lage des Schuldners bekannt, kann die Inkongruenz einer Deckung auch im Rahmen von § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO ein nach § 286 ZPO zu würdigendes Beweiszeichen für die Kenntnis von einer Gläubigerbenachteiligung sein.
BGH, Urt. v. 18.12.2003 IX ZR 199/02 ZInsO § 2003 S. 145 ff. und Rendels in ZIP 28/2004 S. 1289 ff. |
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
22.02.2004 |
Anfechtbarkeit eines Pfandrechts |
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Die Rechtshandlung der Pfändung der Ansprüche des Schuldners gegen das Kreditinstitut aus einem vereinbarten Dispositionskredit ( offene Kreditlinie ) gilt als vorgenommen, sobald und soweit der Schuldner den ihm zur Verfügung stehenden Kreditbetrag abgerufen hat. BGH, Urt. v. 22.1.2004 IX ZR 39/03 ZInsO 5/ 2004 S. 270 ff. |
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
20.01.2004 |
Anfechtbare Verrechnung zur Rückführung einer Überziehung |
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§ 129 Abs. 1, 131, 142, 143 InsO
Ein schutzwürdiges Vertrauen der Schuldnerin in die weitere Duldung von Überziehungen, welches der Beklagten eine Verrechnung ohne vorherige Kündigung hätte verwehren können, kann allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn die Kontoüberziehung ohne Unterbrechung über einen Zeitraum von 90 oder zumindest 60 Tagen fortbestanden hat.
OLG Köln, Urt. v. 23.4.2003 13 U 107/02 ZInsO 1 / 2004 S. 43 |
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Verfasser: krs |
10.08.2003 |
Insolvenzanfechtung und Verrechnung im Kontokorrent |
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Verrechnungen im Kontokorrent unterliegen-soweit das Kreditinstitut den späteren Gesamtvollstreckungsschuldner vereinbarungsgemäß und zeitnah wieder über die Eingänge verfügen läßt- auch denn nicht dem Aufrechnungsverbot, wenn der vereinbarte Kreditrahmen nicht voll ausgenutzt wird, vgl. BGH, Urt. v. 6.2.2003 WM 2003,580 .
Die Verrechnung von Zahlungseingängen, die eine Bank nach Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen ihres Kunden auf dessen Kontokorrentkonto zum Ausgleich von nur geduldeten Überziehungen vornimmt, ist nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO anfechtbar, wenn der Sollsaldo laufend erweitert wird, weil die Bank fremdnützige, nach eigenem Ermessen des Kunden vorgenommene Verfügungen zulässt. BGH, Urt. v. 17.6.2004 - IX ZR 2/01 in ZIP 31/2004 S. 1464 ff. |
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Verfasser: Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
22.07.2003 |
Anfechtung/Pfändung |
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InsO § 140 Abs. 1 und 3 Die Pfändung einer künftigen Forderung gilt anfechtungsrechtlich in dem Zeitpunkt als vorgenommen, in dem die Forderung entsteht. Die Entstehung der Forderung ist keine Bedingung der Pfändung. (Amtlicher Leitsatz des BGH, Urt. v. 20.03.2003 –IX ZR 166/02 in InVo 7/2003 S.268) |
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Verfasser: Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
22.07.2003 |
Anfechtung/Gläubigerbenachteiligung |
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InsO § 132 Abs. 1 Nr. 2, § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2
Veranlasst ein Gläubiger, der mit seiner Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners lediglich Insolvenzgläubiger wäre, durch die Ankündigung, andernfalls eine für die Fortführung des Untenehmens des Schuldners notwendige Leistung nicht zu erbringen, den unter Erlass eines Zustimmungsvorbehalts bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter dazu, dem Gläubiger nicht nur das Entgelt für die neue Leistung zu zahlen, sondern ihn auch wegen seiner Altforderung voll zu befriedigen, so ist die Zusage der zweiten Leistung unmittelbar gläubigerbenachteiligend und anfechtbar.
Amtlicher Leitsatz des BGH, Urt.v. 13.03.2003- IX ZR 64/02 in InVo 7/2003 S.270 ) |
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Verfasser: Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
10.05.2003 |
Insolvenzanfechtung/Zahlungen des vorläufigen Verwalters |
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Veranlaßt ein Insolvenzgläubiger, der mit seiner Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners lediglich Insolvenzgläubiger wäre, durch die Weigerung, andernfalls eine für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners notwendige Leistung nicht zu erbringen, den unter Erlaß eines Zustimmungsvorbehalts bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter dazu, dem Gläubiger nicht nur das Entgelt für die neue Leistung zu zahlen, sondern ihn auch wegen seiner Altforderung zu befriedigen, so ist die Zusage der zweiten Leistung unmittelbar gläubigerbenachteiligend und anfechtbar (Anmerkung: das Unternehmen wurde zur Rückzahlung beider Zahlungen verurteilt ) BGH,Urteil vom 13. März 2003, ZInsO 2003,417 |
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Verfasser: Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
19.03.2003 |
Insolvenzanfechtung bei kongruenter Deckung |
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Einem Schuldner, der weiß, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und der Forderungen eines einzelnen Gläubigers vorwiegend deshalb erfüllt, um diesen von der Stellung eines Insolvenzantrages abzuhalten, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten, sondern auf die Bevorzugung dieses Gläubigers an; damit nimmt er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen in Kauf. Drängt sich einem Sozialversicherungsträger wegen hoher Beitragsrückstände die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf, so muss er angesichts der Strafbewehrtheit seiner Forderungen davon ausgehen, dass seine Ansprüche vorrangig vor den nicht sanktionierten anderer Gläubiger befriedigt und diese hierdurch benachteiligt werden. BGH, Urt. v. 27.05.2003-IX ZR 169/02(OLG Stuttgart) ZIP 2003,1506; EWIR 21/2003 S.1096 |
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Verfasser: Hermann Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
01.12.2002 |
Insolvenzanfechtung und Verrechnungen von Banken |
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Setzt ein Kreditinstitut eine Frist zur Rückführung eines ausgereichten Kontokorrentkredits, so stellt die Rückführung des Kredits vor Fristablauf auch dann eine inkongruente Befriedigung dar, wenn das Kreditinstitut gleichzeitig ankündigt, weitere Belastungen schon sofort nicht mehr zuzulassen, BGH, Urteil vom 01.10.2002, ZInsO 2002,1136 |
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Verfasser: Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
18.08.2002 |
Insolvenzanfechtung und Sanierungshonorar |
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Beauftragt der spätere Gemeinschuldner einen Rechtsanwalt mit Sanierungsbemühungen, so ist die Zahlung des Honorars anfechtbar, wenn sie erst fast zwei Monate nach Fälligkeit und nach Zahlungseinstellung erfolgte |
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Verfasser: Kulzer, Fachanwalt für Insolvenzrecht |
05.08.2002 |
Enscheidungsreport: Anfechtbarkeit von Schuldentilgung im Darlehenswege |
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Entscheidungsreport § 129 Abs. l InsO; g 29 KO; § 10 Abs. l GesO Anfechtbarkeit von Schuldentilgung im Darlehenswege Ansehen |
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Verfasser: Rechtsanwalt Hermann Kulzer/ Rechtsanwältin Karla Müller |
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